Das große Knabbern

Berlin

Vanessa Hopf – so heißt die Meisterin der Fischfütterung. Seit sie „Fußfetifisch“ in der Danziger Straße eröffnet hat, erregt das viel Aufmerksamkeit vor dem Schaufenster sowie dahinter. Denn selbst die Kundschaft am Prenzlauer Berg in Berlin kann man noch in Staunen versetzen.

Womit? Es geht um die Fische. Rote Saugbarben, nur ein paar Zentimeter lang, werden im Englischen sehr treffend als „doctor fish“ bezeichnet. Sie leben normalerweise in warmen, nährstoffarmen Gewässern und lieben es, an den verhornten Schichten menschlicher Haut zu knabbern. Selbst bei Neurodermitis und Ekzemen sollen die Wunderfische helfen können.

Wer in Berlin gesteigerten Wert auf samtweiche Füße legt, stattet den gefräßigen Tierchen im „Fußfetifisch“ einen Besuch ab. Ein Fußbad der besonderen Art. Für 20, 30 oder 45 Minuten. Wellness mit Fischen also? Ich probiere es aus. Ohne ein paar Kreuze auf dem Zettel geht nichts. Ich versichere also, frei von Fußpilz und ähnlichem zu sein. Die Tiere können theoretisch Krankheitserreger übertragen, und dieses Risiko nehme ich mit der Unterschrift auf meine Kappe.

Damit es erst gar nicht soweit kommt, muss sich jeder freiwillige Fußbesitzer erst einmal gründlich vom dicken Zeh bis oberhalb des Knöchels mit Desinfektionscreme einseifen. „Bitte auch gut abspülen, damit die Fische keine Seife fressen“, ordnet die Meisterin der Fische an. Vanessa Hopf lotst mich in knallblauen Einmalplastikschuhen Richtung Becken.

Die Saugbarben warten.

Sechzig gefräßige Mäulchen warten dort auf mich, während es im Becken gegenüber schon mächtig zur Sache geht. Ich höre einen Aufschrei, dann ein Lachen. „Es kitzelt so!“, meint die bereits angeknabberte Kundin von der anderen Seite. Ihre zuschauende Begleitung wird ermahnt, nicht zu nah ans Becken heran zu treten, damit die Fische sich nicht erschrecken.

Als ich den ersten Fuß langsam ins Hai-… äh… Barbenbecken tauche, zeigen die putzigen Saugnäpfe keine Spur von Scheu oder Schrecken. Im Gegenteil. Man stürzt sich geradezu auf’s Frischfleisch. Beziehungsweise auf die abgestorbenen Hautschüppchen – wohl ein toller Proteinsnack für die Meute.

Das lustige Knabbern beginnt augenblicklich, und ich quieke ein bisschen, weil es so kitzelt. Für die nächsten zwanzig Minuten meinen meine Füße, in ein starkes Sprudelbad eingetaucht zu sein. Soviel Energie, die von den kleinen Tieren ausgeht! Die tropische Wärme des Wassers und dann diese Emsigkeit: Mir steigt die Hitze zu Kopf. Ein Gefühl wie in der Karibik. Nur mit Kribbelfüßen.

Selten habe ich Fische so engagiert gesehen. Diese Saugbarben gönnen sich nicht mal eine klitzekleine Pause, auch gegenüber kleben sie der Kundin an Füßen und Unterschenkeln. Es müssen wirklich sehr viele tote Hautzellen vorhanden sein. Fasziniert beobachte ich, wie gründlich, wie präzise die Fischmäulchen werkeln. Ein Minibarbe versucht sogar, sich zwischen meine Zehen zu schieben. Aber das geht jetzt zu weit! Nein, sie schafft es nicht.

Auch rund um die Nägel wird geknibbelt, was das Zeug hält. Einfach jeder Hautmillimeter ist in Arbeit. Mit einer Hingabe! Bewege ich mich, weil es mal kitzelt, lässt sich der „Schuldige“ nur einen Sekundenbruchteil aus dem Konzept bringen, bevor er an der selben Stelle wieder ansetzt. „Diese Fische brauchen die Beschäftigung“, weiß Vanessa Hopf und bringt mir eine Kakaobutterlotion für die Füße. Es naht der Abschied von den kleinen Knabberfreunden.

Als ich schon längst auf dem Besuchersofa des „Fußfetifisch“ sitze, kribbelt es unter den Sohlen immer noch nach. Diese fleißigen Fischlein haben ganze Arbeit geleistet. Übrigens: Wenn es den Saugbarben mal schlecht geht, knibbeln sie wohl gar nicht. Was meinen Eindruck bestätigt, dass die hier „angestellten“ Fußmasseure eine Sause nach der anderen feiern.

Text und Fotos: Elke Weiler

2 thoughts on “Das große Knabbern

  1. ich erinnere mich an Lachkrämpfe in Singapur, wo ich eine ähnliche Behandlung über mich ergehen ließ. Sehr witzig :D Gut zu wissen, dass es das auch in Berlin gibt, meine Füße sind schon wieder so rau…. ;)
    LG Claudi

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