Zu Tisch bei Cervantes

Um uns herum rote Erde, fruchtbares Land, dünn besiedelt. „La España profunda“, so nennen sie das hier, tief in Spanien sind wir gelandet. Kastilien-La Mancha. Das Land des Weins, der Oliven und des Safrans. Nicht zu vergessen: Das Land Don Quijotes, des Antihelden der Provinz. Ein sogenannter Landedelmann, der die Welt vor dem Bösen retten wollte und gegen die Flügel der Windmühlen kämpfte.

Die „ungeschlachten Riesen“ haben es überlebt, thronen heute noch gut sichtbar auf den Hügeln bei Consuegra. Der Schriftsteller Cervantes erfand die idealisierende Figur im 17. Jahrhundert. Ein Klassiker, zum Besten gegeben von einem Schauspieler-Trio aus der Gegend. Heute, hier, für uns.

Der Wind weht uns um die Ohren, die Worte des Schriftstellers schallen durch den Äther. Dann erscheinen sie auf der Bildfläche, bewegen sich langsam auf die Windmühle zu. Ein Don Quijote, der in seinem Job völlig aufgeht. Doch bei der berühmten Flügelattacke gleich zu Boden geht.

Don Quijote, der die Frauen anhimmelt, nachdem er „die Welt gerettet“ hat. Ihm zur Seite der rundliche Sancho Panza, eher im realen Leben verortet, ein wenig gerissen. Rucio hingegen darf einfach Esel sein. Futtern und Touristen anknabbern.

„Cervantes wurde wohl hier in der Nähe geboren“, erzählen die vier Schwestern der Casa Rural de Alameda. Der Schriftsteller hatte Familie in der Gegend von Madridejos. Und wir genießen nun die Atmosphäre auf dem liebevoll restaurierten Landsitz mitten in La Mancha, von dem lustigen Quartett zum Mittagessen eingeladen.

Lola, Paula, Amelia und Almudena verstehen ihr Handwerk! Auf den Tisch kommen Oliven, gebackener Käse, Fleischbällchen in Safran, Ratatouille mit Zucchini und Tomaten aus dem eigenen Garten, Peperoni mit Eiern. Sowie als Dessert eine Art Milchpudding in Knusperschale – „leche frita“.

In der Casa Rural de Alameda

Dazu lassen wir uns den Vino „Don Aurelio“ aus der Region munden. Leicht moussierend, herrlich frisch. Das Landhaus war schon im Besitz der Familie, als das Quartett bestehend aus einer Spanischlehrerin, Anwältin, Innendesignerin und Textildesignerin beschloss, die Räumlichkeiten aufwendig zu restaurieren.

Heute empfangen sie Gruppen und Übernachtungsgäste im rustikalen Ambiente. Leider zählen wir „nur“ zur ersten Kategorie. Doch wir sind nicht nur zum Essen hier, sondern lernen auch einiges über die typischen Produkte der Gegend.

So schwenken wir Olivenöl zwecks professioneller Verkostung, erweitern dabei seine Oberfläche und helfen dem Aroma, sich voll zu entfalten. Wir kauen, schlürfen und verteilen das Lebenselexier La Manchas im Gaumen. Wie die Kenner.

Beste Oliven

Schmeckt es nach Mandeln, Tomaten oder frisch geschnittenen Kräutern? Wir erfahren: Je jünger das Öl ist, desto trüber und stärker im Geschmack. Ein frisch gepresstes „Extra Virgin“ hat die beste Qualität und entwickelt eine leichte Schärfe im Rachen, die allerdings bei normalen Verzehr kaum spürbar wird.

Das rote Gold

Es enthält viel Vitamin A und tut der Zellerneuerung gut. Wir könnten darin baden, so gut duftet und schmeckt es. Rundum erneuert begeben wir uns schließlich in die Obhut der Safran-Expertin Juliana Pérez.

Vor uns auf dem Tisch ein lila Meer: Krokusblüten, denen es nun an den orangeroten Faden gehen soll. „Safran wurde im 8. Jahrhundert von den Arabern nach Spanien gebracht“, erzählt Juliana. Und der Krokus fand in La Mancha optimale Wachstumsbedingungen. „Stück für Stück“ werden die Blüten am frühen Morgen per Hand gepflückt, wenn die Zeit reif ist.

In La Mancha geschieht das Mitte bis Ende Oktober. Viel Zeit bleibt bei der Ernte nicht. „Eine delikate Blüte, die mit dem Morgen lebt und mit dem Abend stirbt.“ Was danach kommt, ist klassische Familienarbeit. Am runden Tisch simulieren wir diese Situation.

Juliana nimmt eine Blüte in die Hand und zeigt uns mit geübtem Griff, wie man die Stempelfäden optimal aus der Blüte löst. Mit jeder Blume nimmt unsere Fingerfertigkeit zu, und am Ende wetteifern wir, wer wohl die meisten der kostbaren Fäden erwirtschaftet hat.

Hauchdünn und kostbar: Safranfäden

Das „rote Gold“ von La Mancha kann einer Familie innerhalb von zwei Wochen nämlich 12.000 Euro bescheren. „Hier sind zur Zeit etwa 30 Familien in der Safranproduktion tätig“, weiß Juliana. Und das Krokuspflücken kommt wieder in Mode. Nach der Ernte werden die Stengel in einem Sieb über der Glut geröstet und verlieren dabei 70 Prozent ihrer Feuchtigkeit.

Jeder von uns erhält als Souvenir ein Tütchen mit getrockneten Safranfäden, das für drei bis vier Paellas reicht. Oder vielleicht drei Desserts? Ein kleines Rezeptbuch soll uns auf Spanisch über die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten des raffinierten Gewürzes inspirieren. Wir trinken noch ein Gläschen Safrantee, der nach dem guten Essen der vier Schwestern der Verdauung auf die Sprünge hilft.

Eine aphrodisierende Wirkung wird dem Edelgewürz ebenfalls nachgesagt. Doch davon merken wir zunächst nichts, als wir zurück nach Toledo fahren. Außer einer leicht beschwingten Heiterkeit. Doch das kann schlichtweg an La Mancha liegen.

Text und Fotos: Elke Weiler

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