Im Tüterland

Alte Kirche

Es mag jetzt pathetisch klingen: Auf dieser Insel ist die Ruhe zu Hause. Wer die Marsch, Landwirtschaft, grasende Schafe und Kühe liebt, ist auf Pellworm goldrichtig. Bitte der nordfriesischen Korrektheit halber auf der zweiten Silbe betonen, also Pellwórm.

Die Insel gilt immer noch als Geheimtipp. Was soviel bedeutet wie: Während der Hauptsaison reißen sich nicht Dutzende radelfreudiger Gäste um die letzten Bikes. Es gibt an der Ausleihstation nahe der Fähranlegestelle noch genug davon – im Verhältnis zur Zahl der Tagesausflügler.

Pellworm steuert man am besten mit der Fähre von Nordstrand an – 35 Minuten später landet man im Nirvana. Ein Auto ist nicht nötig, denn das Eiland ist bequem mit dem Fahrrad zu durchqueren.

Der Schmalheit der Straßen mit so klangvollen Namen wie Ostertilli oder Tüterland zu folgen, ist verkehrsmäßig nicht viel los. Ab und an mal ein Traktor, das war’s.

Folge dem Licht!

Der Tourismusservice schlägt zwei Wanderwege von sechs oder elf Kilometern Länge vor, sowie eine 26 Kilometer lange Radroute. Wir radeln einfach mal drauf los, ohne Plan, den reizvollen Straßenbezeichnungen und der guten Luft folgend.

Die Entspannung kommt schon nach den ersten Kilometer. Nur das Gesumme der Hummeln und das Gezwitscher der Vögel begleitet uns akustisch. Bis zum nächsten landwirtschaftlichen Großgerät.

Die Bewohner wirken ebenso tiefenentspannt wie wir. Falls sie gerade draußen auf ihren typischen Friesenbänken sitzen, grüßen sie mit einem freundlich geknurrten „Moin“.

Reetdachkaten ducken sich in die flache Landschaft, Rosen blühen vor Backsteingemäuern. Und wir steuern allmählich auf die Tammwarft zu. Keinesfalls hat uns dabei ein Schild mit der Aufschrift „Strandcafé“ beeinflusst.

Hübsches Ding

Kurzes Fotoshooting auf dem Deich: beinah „allein zwischen Schafen“, die relaxt Gras rupfen, Meerblick inklusive. Nach soviel Sport haben wir uns etwas Süßes verdient.

Wieder einmal möchten wir die nordfriesische Kompetenz in Sachen Sahne testen. Gerade noch dachte ich: Heidelbeerkuchen ist mir in diesem Sommer noch nicht untergekommen. Die Pellwormer lesen einem aber auch jeden Wunsch von den Augen ab!

Natürlich stehen auch die obligatorischen Friesen- und Pharisäertorten zur Verfügung. Oder mal Mokka-Sahne mit Marzipan? Nein. Heidelbeer passt entschieden besser in den Sommer.

Sonnenbrand auf Pellworm

Nur mal so nebenbei: Das Klo ist hier nicht einfach eine Toilette, sondern wird höchst präzise als „Piss- und Ködelruum“ bezeichnet. Was sich auf den ersten Blick vielleicht nicht gerade sehr einladend anhört, aber zugegebenermaßen der nackten Wahrheit entspricht. Man(n)/Frau muss sich dann nur noch zur richtigen Tür hin orientieren, die mit Aufschriften wie „Frunslüd“ und Mannslüd“ dekoriert ist.

Wir entscheiden uns spontan, mal die Alte Kirche unter die Lupe zu nehmen, die sich etwa ein Kilometer weit von uns in die Höhe reckt, eine Ruine aus dem 11. Jahrhundert und ein Wahrzeichen der Insel.

Als bekannteres Symbol Pellworms gilt jedoch der rot-weiß gestreifte Leuchtturm, den wir als nächstes ansteuern. Leider sind wir weder in einer Gruppe angemeldet, noch heiraten wir heute hier, weswegen uns ein Blick von oben verwehrt bleibt.

Olga und Peggy, oder umgekehrt.

Nächstes Mal eben. Das gilt auch für ein näheres Kennenlernen von Olga und Peggy, die uns auf dem Weg begegnet sind und sehr neugierig guckten. Zwei Schleswiger Kaltblütler Stuten vom Wattreiterhof, deren freundliche Besitzerin uns zurief, das man heute schon zwei Mal ins Watt ausgeritten war.

So was peilen wir natürlich auch an. Wenn wir denn reiten könnten! Aber das bringen sie einem hier gerne bei, wenn man entsprechend lange bleibt. Inklusive täglicher Muskelkater.

Heute aber wollen wir die letzte Fähre nicht verpassen. Um die fehlende Beleuchtung der Straßen mit den schönen Namen müssen wir uns zum Glück keine Sorgen machen – denn im Sommer haben wir in Nordfriesland ja fast skandinavisch helle Nächte.

Text und Fotos: Elke Weiler

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