Der Klang des Sommers

In Dubrovnik, Kroatien

Ich suche nach Schatten. Vielleicht finde ich in der Wandelhalle der Mönche ein kühles Plätzchen, also nehme ich die schmale Gasse zur Linken. Hier hat Mladen, der mich durch die Altstadt Dubrovniks geleitet hat, am Vortag in der Apotheke eingekauft.

Was mich verwirrt hat, denn ich weiß ja, dass das alte Franziskanerkloster die älteste Ausgabestelle für Arzneimittel von ganz Europa beherbergt. Allerdings ist diese nur noch eine Art Museum mit einem Rest Inventar von damals. Wer weiß schon, mit welchen Geräten man im 14. Jahrhundert Wasser destilliert hat?

Es liegt auf meinem Weg, nur will ich weder in die alte noch in die neue Apotheke, sondern ins Kloster. Ja, ins Kloster. Ich liebe Innenhöfe, darunter vor allem die Kreuzgänge. Die Ruhe, den Schatten, das Grün, das im Patio zwischen den Wandelgängen sprießt.

Im Kreuzgang des Klosters

Stundenlang könnte ich dort sitzen und nichts tun. Stattdessen zwänge ich mich zwischen die grazilen Säulen und versuche ein Selfie. Doch bevor es zum Äußersten kommt, taucht ein englisches Paar auf. Er sieht, wie ich mich abmühe, und handelt unverzüglich.

Helpie statt Selfie

„Need some help?“ Yes, please! Und schon hat er die Kamera in der Hand. Ich kann nicht sagen, dass er damit besonders fachkundig aussieht. Aber hilfsbereite Touristen soll man nicht aufhalten. Als er mir die Kamera zurückgibt, klärt er mich auf.

Ob ich wüsste, welches neue Wort ins englische Lexikon Einlass gefunden hätte? Ich nicke. Selfie. Man beobachtet das in der Praxis ja häufiger, vor allem in Städten und touristischen Gegenden. Eigentlich überall. Und der Hype hat einen Namen.

Überhaupt nicht gestellt!

Frisch nach der Ankunft am Dubrovniker Flughafen lächelte eine Japanerin gewieft in ihre Kamera, im Hintergrund der Airport. Beweismaterial. Ich bin da. Und es ist so toll! Siegerlächeln. Das Selfie lebt, oder ist es nun out?

Gegenseitige Hilfe erfreut sich nach wie vor großer Beliebtheit, nur gibt es noch keinen Fachterminus dafür. Das Helpie? Hierbei steht das Foto selbst gar nicht unbedingt im Vordergrund, sondern die ganze Aktion. Man könnte Bücher darüber schreiben, wie die Leute fragen, posen, reagieren. Gespickt mit den fotografischen Ergebnissen.

Wenn die Bora weht

So vertraut mir eine spanische Familie im Patio ihre Kamera an, und ich mache gleich ein komplettes Shooting, probiere diverse Winkel, bringe sie zum Lächeln, gehe näher ran. Sie sind glücklich. Ich auch.

Isn’t it romantic?

Ist das Helpie eine Marktlücke? Sollte ich meine Dienste anbieten? Von März bis November posierende Menschen in Dubrovnik ablichten und dann den Winter im Café verbringen und über den Sommer schreiben. Der Winter soll ja schön sein, zumindest hat Mladen das gesagt. Doch die meisten Gäste sind auf den kroatischen Sommer fixiert, darunter auch viele aus den Nachbarländern wie etwa Serbien, das keine eigene Strände hat.

Nur wenn die Bora weht, wird es wüst. Ana weiß das. Als wir am Abend auf den Srd fahren, den Hausberg Dubrovniks, ist immer noch Sommer. Wir nehmen ganz klassisch die Seilbahn und schauen aus der verglasten Gondel aufs Meer. Auf die Insel Lokrum, auf die Dächer der Altstadt.

Zeit für Calamari

Im Restaurant „Panorama“ sitzen wir lieber draußen. Bestellen gegrillte Calamari, denn Ana weiß, dass sie gut sind hier. Außerdem will ich etwas Typisches essen. Und etwas aus dem Meer. Mit einem Glas Pošip von der Insel Korčula und einem Salat.

Die beste Stelle für den Sonnenuntergang: auf dem Srd

Bestimmt sind es die besten Calamari meines Lebens. Mit diesem Ausblick! Die Sonne verschwindet rasch am Horizont, es ist früher dunkel als in meiner nordischen Neuheimat. Als die Temperatur sinkt, stellen sie sofort Heizpilze auf.

Ana will vielleicht nach Argentinien, aber nur für einen längeren Urlaub. Ich habe in diesen Tagen noch niemanden getroffen, der freiwillig aus der Stadt am Meer wegziehen würde. Warum auch?

Die junge Dubrovnikerin will mir noch die Altstadt bei Nacht zeigen, also gondeln wir wieder abwärts. Wie im freien Fall bewegt sich die Glaskabine, nur nicht so schnell. Wir stehen ganz vorne, der beste Platz für die Schwindelfreien. Eine Touristin neben uns schreit auf und strahlt uns an. Manche brauchen eben den Kick.

Und später durch die Gassen schlendern

„Ist doch romantisch“, meint Ana, als wir wieder festen Boden unter den Füßen haben und durch eine schmale Gasse weiter abwärts laufen. Die Leute haben teilweise Kissen auf die Stufen gelegt. Tassen stehen draußen, Wäsche hängt vor den Fenstern. Ein Pärchen hat sich niedergelassen, abseits vom Trubel. Es gibt auch diese stillen Ecken.

Das Licht der Laternen wirkt wie ein Weichzeichner, und die Kalksteinwände strahlen die Wärme ab, die sie den ganzen heißen Tag lang gespeichert haben. Nach der Bergfrische nun also die perfekte Sommernacht. Mit allen dazugehörigen Düften und Geräuschen.

Musik in den Gassen, Gesprächsgemurmel, Gelächter. Der Klang des Sommers.

Text und Fotos: Elke Weiler

Mit Dank an Visit Croatia, die zu dieser Reise eingeladen haben.

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