Hallig am Horizont

Die Bootsleute sind ziemlich enttäuscht, weil die Hunde nicht mit an Bord gehen. Tatsächlich, ich fahre allein. In Strucklahnungshörn scheint an diesem Freitagmorgen nicht allzu viel los zu sein, oder ich bin einfach die Letzte, die einsteigt.

Ein Krabbenkutter kommt gerade von der Arbeit zurück und fährt in den kleinen Hafen ein, bevor das Schnellboot die Leinen lösen und Nordstrand verlassen kann. Mit maximal 33 Knoten durchs Wattenmeer. Das geht eigentlich gar nicht, da es die erlaubte Höchstgeschwindigkeit im Nationalpark von 24 Knoten überschreitet.

Das schnellste Ausflugsschiff in Nordfriesland fährt mit Sondergenehmigung und Wasserstrahldüsen von Nordstrand über Hooge und Amrum nach Sylt und wieder zurück. Zwei Mal täglich. Um die Wattsockel der Halligen nicht durch heftige Wellen zu schädigen, Badegäste oder Seehunde in Gefahr zu bringen, drosselt der Kapitän seine Geschwindigkeit, wenn er näher an eine Sandbank oder Hallig herankommt.

Der Kapitän begrüßt uns und fängt sofort zu scherzen an: „Heute ist Freitag, da haben die Pellwormer Ausgang.“ In nur sieben Minuten sind wir nämlich von Nordstrand auf der Nachbarinsel gelandet. Und nehmen ausnahmsweise also ein paar Gäste von dort mit.

Schwimmende Träume nannte Theodor Storm die Halligen.

Der Halt dauert nicht lange, und ich beschließe erst mal mit Meerblick zu frühstücken. Die Tageszeitung aus Husum gibt’s gratis dazu. Doch ich bin viel zu abgelenkt von der Schönheit des Wattenmeers, als mich auf gedruckte Zeilen einlassen zu können.

Weltnaturerbe – zu Recht. Natürlich freue ich mich, so schnell nach Amrum zu kommen. Zeit zu sparen. Aber jetzt mal Hand aufs Herz: Bevor die Welt in Zahlen und Margen untergeht, muss man sie genießen. Langsam. Denn zum Entschleunigen fahren die meisten doch auf eine Insel oder Hallig.

Der Kapitän weist auf die frische Brise aus Nordost hin: „Das hatten wir lange nicht, Ostwind. Aber der Vorteil ist: Wir schaukeln nicht so.“ Während wir pfeilschnell übers Wasser sausen, erklärt er hier und da, was wir sehen.

„Da ist ja nur ein Haus auf der Hallig“, staunt das Kind am Nebentisch, als wir Habel sichten. Spricht aus, was alle denken. Auf der kleinsten Hallig im Schleswig-Holsteinischen Wattenmeer ragt nur eine Warft in die Höhe.

Das Haus, das wir sehen, wird vom Verein Jordsand als Vogelschutzstation betrieben. Allerdings nur im Sommer. Strom und Wasser kommen nicht per Festlandsleitung, sondern von der eigenen Solaranlage, beziehungsweise mit dem Versorgungsschiff.

Die Kutschen warten schon.

Es ist an der Zeit, die frische Luft am Deck darüber zu genießen. Die Weite, die Blautöne, das Meer. Das könnte ich stundenlang. Langeneß – Häuser, die über dem Wasser schweben. Aufgereiht wie an einer Perlenschnur. Föhr – Wald über dem Meer.

Brandgänse, Möwen in der Luft. Nach dem kurzen Stopp bei Hooge, wo schon die Pferdekutschen auf Tagesgäste warten, preschen wir weiter. Amrum ist in Sicht. Die Südspitze, der Leuchtturm, ein Stück des Kniepsandes blitzt in der Sonne hell auf.

Noch ehe ich mich versehe, muss ich aussteigen. Eindreiviertel Stunden wie im Flug. Der Kapitän verabschiedet sich und wünscht den aussteigenden Campern, das sie ausreichend mit Decken versorgt sind. „Ab morgen ist Bodenfrost angesagt“, witzelt er. „Schneefall. Und der Eisbrecher für Sonntag ist schon bestellt!“

Ein Eisbecher wäre natürlich allen lieber. Die Stimmung ist blendend, der Urlaub kann beginnen. Egal, welches Wetter.

Amrum in Sicht!

Text und Fotos: Elke Weiler

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