Gib mir Licht, Herbst!

Herbstlicht am Strand

Eines gleich vorneweg: Mir käme es nie in den Sinn, vom Herbst zu schwärmen. Ich mag die Jahreszeiten, ich mag das Licht und die Töne des Herbstes, doch ich bin ein Sommerkind. Für mich könnte die warme Jahreszeit jedes Jahr in Verlängerung gehen, wenigstens ein bisschen, nur ein paar Wochen!

Im Herbst ist es zu kalt zum Schwimmen, das Laub rieselt von den Bäumen, bis sie kahl sind, und die meisten Kühe müssen zurück in die Ställe – in Erwartung eines langen Winters. Nichts mehr los auf den Fennen, sieht man von den Schafen ab.

Das wirklich Blöde am Herbst ist aber, dass er übergangslos in den Winter mündet. Der Winter könnte schön sein, wäre er klar und trocken mit ein bisschen Schnee. Meist ähnelt er eher den nassen, nebligen Herbsttagen. Und vor allem dauert der Winter grundsätzlich zu lang.

Er ist zu farblos, zu dunkel, zu trist. Was einfach mehr ins Gewicht fällt, wenn man auf dem Land wohnt. Im Winter brauchst du Kino, Kneipe, Kunst zum Überleben. Schreibe einen Roman oder verliere dich im Nebel. Am besten beides. Heute ist einer Tage, an denen der Herbst eine Sondervorstellung gibt.

Nonnen- und Graugänse unterwegs

Die Schatten sind da, sie strecken sich immer mehr in die Länge. Der Sand trägt rosa, das Schilf braun. Alles im Standby-Modus, auch ich. Schwärme von Zugvögeln ziehen über unsere Köpfe, krächzend. Der Sound des Herbstes. Die Nonnen- und Graugänse lassen sich dort nieder, wo sonst Kühe weiden oder gar auf den Äckern, zum Unmut der Bauern.

Hin und wieder peitschen raketenartige Geräusche durch die Luft, und Julchen hasst sie, erschrickt sie sich doch jedes einzelne Mal. Damit halten die Bauern ihre Äcker frei von ungebetenen Gästen. Die meisten Gänse lassen sich eh an ruhigeren Orten nieder. Dort, wo sie willkommen sind.

Der Herbst riecht modrig, nach Nässe, Erde, fauligem Laub. Er kann auch nach gebackenen Äpfeln und Kerzen duften. Es ist die Zeit des Windes, wirbelnder Blätter, kleiner bunter Drachen am Himmel. Als Sommerkind mag ich das Bunte am Herbst, die letzten Farben, das letzte Leben. Er ist keine Verheißung wie der Frühling, der Herbst genügt sich selbst. Und er verliert sich.

Text und Fotos: Elke Weiler

15 thoughts on “Gib mir Licht, Herbst!

  1. Ist ja witzig, Elke. Ich habe gerade letzte Woche gedacht, dass der Herbst auf dem Land gar nicht so schlimm ist wie in der Stadt. Weil keine Natur so hässlich sein kann wie grieselgraue olle Häuserschluchten. Vermutlich befördert der Herbst die Sehnsucht nach dem was man jetzt (lange, oh Gott, so lange) nicht mehr hat. Und dann ist auch noch Montag! Trotzdem und gerade: Sonnige Grüße aus dem öden Hamburg in die Einöde, Stefanie

    1. Ja, vielleicht hast du recht, liebe Stefanie!! :-) Aber wir Landbewohner sind uns hier einig, dass im Winter einfach das Licht fehlt. In der Stadt gibt es immer Licht. Künstlich, ok. Aber Licht. Ich fand den Winter in Düsseldorf nie so trist wie hier. Ich mag Städte im Regen, man kann immer ins nächste Café hüpfen. Aber stimmt, du hast den Dreck der Straße in den Städten. Dafür hast du bei uns landwirtschaftlichen Dreck, und nicht zu wenig. ;-) Liebe Grüße aus dem windigen Nordfriesland!

  2. Ach ja, das Licht…

    Ich bekomme hier oben im Norden Schwedens mittlerweile viel zu wenig davon ab.
    Ab 15.00h beginnt sie, die Dämmerung. Die sich dann gegen 16.00h in Dunkelheit und gegen 17.00h in Nacht verwandelt.
    Es ist nicht ganz einfach, damit umzugehen.

    Liebe Grüße aus Umeå,
    Rike

  3. Ich mag Herbst auch nur, wenn er farbig ist, Blätter und Herbstsonne leuchten und ich ein Kaminfeuer habe. Aber momentan lebe ich im Norden von Peru, da gibt es gar keinen Herbst, nur Trocken- und Regenzeit, da werde ich dann doch etwas herbst-nostalgisch…

  4. die rauhe See, die Vögelschwärme, mal richtig durchpusten lassen, die nun wieder eintretende Ruhe auf den Nordsee-Inseln, vielleicht mal wieder ein Landunter, Bodennebel und zwischendurch kommt die Sonne raus, für mich fast die schönste Jahreszeit.

    Schönen Gruß

  5. Sehr schön beschrieben, super Lichtstimmungen eingefangen und Bildkompositionen, hat Spaß gemacht den Artikel zu lesen und die Bilder anzuschauen. Ganz anders wie unser Herbst im Schwarzwald.
    Ich wünsche allzeit gutes Licht – Tobias

    1. Danke, Tobias. Und sorry, den Link zu dem Schwarzwald-Artikel musste ich herausnehmen, weil mein Browser mir eine unsichere Seite anzeigte, das solltest du mal checken. Viele Grüße, Elke

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