Gonzales muss bleiben

Urlaub war überbewertet, vor allem die Art, wie Lutscher ihn feierten. Ich konnte mich immer noch am besten in den eigenen vier Wänden, respektive zwischen heimischen Bäumen und am Strand von Sankt Buddel erholen. Natürlich hatte Lutscherurlaub viele Vorteile, der größte lag darin, die gesamte Zeit mit dem ganzen Rudel zu verbringen.

Aber musste man dafür stundenlang in der Blechhöhle hocken? Schweden war natürlich eine Ausnahme, Dänemark auch. In beiden Ländern hatten wir bereits tolle Erfahrungen gemacht. Es gab neue Gerüche, neue Bekanntschaften und so grandiose Entdeckungen wie Hundewälder. Aber jedes Mal war ich froh, wenn ich wieder unter dem Esstisch zu Hause ein Nickerchen machen konnte. Einfach mal abschalten.

Julchen war ein Phänomen, was das betraf, sie war überall zu Hause. Für meine Holde war es essentiell, dass das Rudel komplett war. Daher betrachtete sie Urlaub als beste Zeit im Jahr. Für mich bedeutete Urlaub auch immer Stress, weil ich das Rudel auf fremden Gelände doppelt bewachen musste. Man konnte nie wissen!

Urlaub zu Hause
Urlaub zu Hause. Und dann kam Bo…

Natürlich wollte ich Julchens Entspanntheit nutzen, um sie auf die Verlobung hinzuweisen. Madame half mir, eine romantische Atmosphäre zu schaffen und schrieb meine Liebeserklärung in den schwedischen Sand. Ich hatte das Gefühl, mein Lieblingsplüsch biss mir später noch liebevoller in die Haxen. Aber wer kannte schon ein Julchen!

Die Frau würde mir ewig ein Rätsel bleiben. Jedenfalls hatten wir in unserer Abwesenheit Familienzuwachs bekommen: Gonzales hatte es sich in der Spieskommer bequem gemacht. Eine strategisch günstige Position, Chapeau! Überhaupt schien uns die Maus eine gewitzte und bescheidene sein.

Lovestory
Lovestory

So konsumierte sie von den Lutschervorräten lediglich bereits abgelaufenes Vanillepuddingpulver und etwas Sojamilch, die ebenfalls ein unbeachtetes Dasein gefristet hatte. Madame et Monsieur waren not amused, weil Gonzales uns im Austausch dafür etwas zurückließ. So beschloss Monsieur in Madames Abwesenheit mal wieder richtig aufzuräumen, sortierte die Speisekammer um und erneuerte ihr Outfit, indem er zum Pinsel griff.

Letzteres war seine Art, mit Madames Abwesenheiten klarzukommen. Unser Haus wurde immer weißer, zumindest von innen. Die neue Ordnung in der Spieskommer schien Gonzales zunächst zu verwirren. So überraschte Monsieur sie bei einem Erkundungsgang, und die Kleine rutschte vor Schreck von den Nudeln herunter.

Allein zu Hause
Allein zu Hause

Als Monsieur Mausefallen bestellte, voteten die weiblichen Rudelmitglieder für die Wiederbesetzung der Housekeepingstelle. Ich schloss mich der Mehrheit an, doch Monsieur störte sich wenig an demokratischen Entscheidungen. Zunächst schaffte Gonzales es, die eigens für sie deponierten Leckerlis zu futtern, ohne dass eine der Fallen zuschnappte.

Wie bereits erwähnt, galt Gonzales zweifelsohne als besonders aufgewecktes Tier ihrer Gattung. Doch Monsieurs Methoden wurden immer perfider, er stellte eine der Fallen direkt neben die Lebensmittel. Morgens hörten wir das Quieken. Julchen war unruhig, Monsieur merkte nichts, doch Madame hatte fast Ohren und Nase wie unsereins.

Auf der Suche nach Gonzales
Auf der Suche nach Gonzales hilft auch die Schweineprinzessin.

Gonzales war unversehrt, aber in misslicher Lage. Sie hatte sämtliche Snacks verputzt, kam aber nicht mehr aus der schmalen Behausung heraus. Monsieur hatte vergessen, ihr den Schlüssel dazulassen. Gegen den Mehrheitsbeschluss wurde Gonzales kein weiteres Asyl gewährt. Monsieur brachte sie in der Blechhöhle an einen anderen Ort, ein paar hundert Meter entfernt von unserer Hütte.

Madame war sicher, dass Gonzales nun mehrere Tage brauchen würde, um zu uns zurück und in die paradiesische Speisekammer zu gelangen. Ein harter Pfotenmarsch, aber go, Gonzales, go! Du schaffst es! Wir werden dir ein bisschen Puddingpulver aufbewahren, ok? Wahrscheinlich musst du dich aber in Zukunft mit einem weiteren Hausgenossen arrangieren.

Wir haben dieses Mal mit einstimmiger Mehrheit beschlossen, dass die seit Jahren unbesetzte Housekeepingstelle wieder an ein Löffelgesicht vergeben wird. Allerdings würde ich bei der Auswahl gerne ein paar Takte mitreden…

Text: Janni (nach Diktat über den genauen Wortlaut der Stellenausschreibung sinniert.)

Fotos: Elke Weiler