Am Südzipfel von Sylt

Sylt, Strand

„Rettet die Erde“ hat jemand mit schwarzem Spray auf den Stromkasten gesprüht. Schön, wie sie ist, wäre sie es wert, gerettet zu werden.

Wir fahren langsam aus Westerland heraus, anfangs ein paar Nadelbäume, dann nur noch Dünen und Heide ringsherum. Genau hier erinnert mich Sylt an die dänische Nordseeküste rund um Hvide Sande. Genau hier fange ich an zu verstehen, warum die Insel so beliebt ist.

Ich möchte spazieren gehen, ganz ausgiebig, und am Biike-Abend haben mir Gäste den Ellenbogen im Norden der Insel empfohlen. Entfernung: ungefähr gleich. Doch dann rede ich noch mit Einheimischen, die mir die Odde ans Herz legen: „Dort ist auch weniger Betrieb.“

Sylt
Helgoland wäre auch eine Idee.

Die 25minütige Fahrt vom Bahnhof Westerlands bis zum Hörnumer Hafen kostet relativ viel (4,30 Euro) für einen Linienbus, auch diesbezüglich hat man mich vorgewarnt. Doch immerhin fahren die Busse alle halbe Stunde.

Ich habe den Südzipfel der Insel schon von Amrum aus gesichtet und war neugierig auf die Odde. Als ich im Norden Amrums über den Kniepsand spazierte, konnte ich Land und Leuchtturm gegenüber gut erkennen. Ein 30 Meter tiefer Priel mit starker Strömung trennt die Inseln voneinander.

Der Landstreifen der Odde wirkt noch schmaler als auf der Karte, zur Linken sehe ich das Watt, zur Rechten die Dünen, die das Meer verdecken. Ich steige am Hafen aus. Hier werden frische Krabben direkt beim Kutter verkauft, doch aktuell sind die Büdchen geschlossen.

Keine Krabben heute.
Keine Krabben heute.

Ein Muschelfischer liegt breit im Hafen, es riecht intensiv nach Meer und Fisch. Malerisch hockt eine dicke Möwe auf einem der Holzpfosten und macht das Bild perfekt.

Der Duft frischgebackener Crêpes wabert durch die frühlingshafte Luft. Später. Erst möchte ich loslaufen. Über vier Kilometer sind es vom Hafen bis zur gegenüberliegenden Stelle am Weststrand. Immer am Meer entlang, vom Watt zur wilden Seite Sylts.

Das zwei Kilometer lange Naturschutzgebiet von der Weißen Düne zwischen Hafen und Spitze bis zum Tetrapodenquerwerk ist besonders stark den Sturmfluten ausgesetzt. Trotz der Befestigung hat die Insel über ständige Abbrüche zu klagen, denen man Sandvorspülungen entgegensetzt.

Sylt, Odde
I’m walking…

Tief Christian hat an der Odde mit bis zu 180 Kilometern pro Stunde gewütet. Dabei hat er sogar 100 Kilo schwere Außentische eines Restaurants hoch gehoben und in den Dünen verteilt, wie ich später im „Breizh“ erfahre.

Und Sturm Xaver hat dann gleich noch einen draufgesetzt, stark an den Randdünen geknabbert, das Fundament des ehemaligen Unterfeuers freigespült und eine ganze Plattform heruntergeholt.

Heute keine Spur von alledem. Der Spaziergang entlang des Oststrands wirkt geradezu angenehm verglichen mit dem Weststrand, wo es mich fast wegweht. Gut durchgepustet belohne ich mich mit der Einkehr im „Breizh“, einem bretonischen Restaurant hoch oben in den Dünen – Meerblick inklusive.

Sylt, Strand
El Paraiso?

Ich muss jetzt unbedingt eine Sylter Royal probieren, eine der Pazifischen Felsenaustern, die vor List gezüchtet werden. Die Setzlinge kommen aus Irland und wachsen dann zwei Jahre lang in den Austernbänken vor List.

Ich kaue und genieße, die ganze Intensität der Nordsee schmeckend. Dann noch eine bretonische Fischsuppe und zum Abschluss eine Crêpe – natürlich mit Kompott aus Beeren, sehr fein im Geschmack.

Die Sylter Royal
Die Sylter Royal

Meine Rote-Grütze-Tage neigen sich damit dem Ende zu, kulinarisch reichte der Bogen von Sylter Waffeln in der Keitumer Teestube über Grütze nach dem Grünkohl bis zur französisch-norddeutschen Kombination mit Crêpe.

Den Wind der Odde habe ich mir nicht zum letzten Mal um die Nase wehen lassen. Hoffentlich bleibt sie uns noch eine Weile in voller Schönheit erhalten. In diesem Sinne: Rettet die Erde! Und esst mehr Crêpes!

Text und Fotos: Elke Weiler

Das waren Eindrücke vom Winter auf Sylt. Im Sommer bietet sich in Hörnum zum Beispiel eine interessante Aktivität an: Wasserwandern oder auch Longe Côte, wie die Franzosen und Erfinder sagen.

Rettet die Fische!
Rettet die Fische!

18 thoughts on “Am Südzipfel von Sylt

  1. Ich war vor einigen Jahren im Februar auch auf Sylt. Davor konnte ich mir nicht vorstellen, wie ein Meer im Winter mit Eis und Schnee aussieht. Ich war begeistert… eine Wahnsinns-Stimmung und Ruhe klarerweise ^^.

    Tolle Bilder… leider ist Sylt für mich echt ganz am anderen Eck :D

    LG Joella

  2. Schöner Artikel Elke,

    Sylt ist in dieser ruhigen Jahreszeit etwas für Genießer…Natur pur. Ich persönlich liebe den Sylter Sommer, das blaue Meer, die Wellen und dieses Flair…unbeschreiblich. Übrigens, der Ellenbogen ist superschön, echt zum abschalten. Liebe Grüße aus Westerland
    Jan

  3. Liebe Elke,

    stimmungsvoll wie immer. Gefüllte Crêpes mit Nordseekrabben wären auch mal eine feine Abwechslung. Vielleicht mal ausprobieren, aber hier in meinem fränkischen Asyl schwer zu bekommen, außer die Eltern trudeln ein.
    Ja, die Südspitze von Sylt, dort wo meine Mutter aufwuchs und ihre Kindheit und Jugend verbrachte ist immer wieder ein schöner Ausgangspunkt für Wanderungen, auch wenn diese Stelle in den letzten Jahrzehnten so gelitten hat.

  4. würd ich machen, ja – schön dünnen Crêpe, damit die Nordseekrabbe geschmacklich nicht untergeht und vielleicht mit einer leichten Dill-Ricotta-Geschichte füllen…

  5. Pingback: Ein Tag auf Sylt
  6. Ich kann mich da nur allen Kommentaren anschließen. Sylt ist zu jeder Jahreszeit und auch bei jedem Wetter etwas ganz besonderes. Die Stimmung erlebt man so nirgendwo anders: Zwischen Schimmelreiter und Karibicfeeling Alles dabei. Immer wieder gerne Sylt!

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