Lokrum, Garten im Meer

Fast zu laut zirpen sie, die Zikaden. Als würden sie gegen den September wettern: Es ist Sommer, immer noch Sommer! Und so heiß. Nicht ein Hauch von zirkulierender Luft scheint durch die dicken Mauern der Altstadt Dubrovniks zu dringen.

Und so bin ich nach dem Mittagessen nach Lokrum gefahren, zum Zikadenkonzert. Zehn Minuten mit dem Boot. Zehn Minuten, um in Dubrovniks Garten auf dem Meer zu landen. Die kleine Insel wurde einst von Benediktinermönchen bewirtschaftet und ist heute das erste Ausflugsziel der Dubrovniker.

Strände gibt es nicht, nur schroffen Stein ringsherum. Doch die Leute finden ihren Weg ins Meer. Es ist so klar und schön, dass sie ihn finden müssen. Die Steine stellen kein Hindernis dar: Zu Bänken und Liegen mutiert der Fels, einfache Treppen führen ins Wasser.

Die Farbe der Farben

Manch einer hat sich beim Anleger noch Plastikschuhe gekauft, doch die Einheimischen laufen barfuß über die Felsen. Ausladende Pinien dienen als Sonnenschirme. So finde ich mich unter rüstigen Seniorinnen wieder und hüpfe zu einer freien Stelle in der Sonne.

Man trifft sich zum Schwimmen am Nachmittag. Man plaudert. Als ich ins Wasser steigen will, spricht mich eine der Dubrovnikerinnen an. Ich lächele versuchsweise zurück, meine drei Wörter Kroatisch helfen nicht. Sie hat kapiert.

Hinein ins Türkis, alle Viere ausgestreckt, sachte treibend, den glucksenden Geräuschen des Wassers lauschend. Ich weiß, die Rentnerin weiß, alle wissen in so einem Augenblick: Das Glück ist nicht kompliziert.

Der Anleger

In der Bucht ankern Boote mit Bikini-Volk, den Kontrast dazu bildet eine der schwimmenden Kleinstädte, die vor der Küste rastet. Eines jener Kreuzfahrtschiffe, deren Gäste tagtäglich das Herz von Dubrovnik fluten.

Hochsaison. Zwei bis sieben Schiffe, Tausende drängen dann durch die Altstadt. Dabei ist Dubrovnik auch bei normalen Urlaubern beliebt. Das habe ich gleich am ersten Abend gemerkt, denn abends sind die Kreuzfahrtler wieder verschwunden. Und dennoch tobt der Bär innerhalb der alten Mauern.

Sommerleben. Alle Geschäfte geöffnet, Grillfisch- und Pizzadüfte wabern durch die Gassen, Menschen bevölkern die Plätze, den Hafen und vor allem die Stradun. Das bunte Leben wie in einer Metropole also, die erst in den Wintermonaten wieder auf Kleinstadtverhältnisse zurückschrumpft.

Immer was los in der Altstadt.

„Stradun kommt aus dem Italienischen, von stradone, große Straße“, hat die Dubrovnikerin Ana gesagt. Und in der Tat, die Stradun ist so etwas wie die Promeniermeile der Stadt. „Doch im Winter siehst du hier einen Hund und drei Leute“, weiß Ana.

Das klingt interessant. Hierher zu kommen, wenn die Stadt wieder ihren Einwohnern gehört. Wenn die Hitze nicht alle Aktivitäten ausbremst. Das Wetter sei wie jetzt, hat Mladen gesagt, der perfekt Deutsch spricht: „Sonnig, aber nicht so heiß.“

Der Dubrovniker hat bei Darmstadt gelebt hat und ist nun auf die Geschichte seiner Stadt und deutsche Touristen spezialisiert. Mich interessiert das Leben heute. Er sagt: „Ganzjährig draußen im Café sitzen, das geht in Dubrovnik.“ Sich dort mit Freunden treffen. Dafür muss immer Zeit sein, jeden Tag.

Stadtschönheit

Außer, wenn die Bora weht. Ein kalter Fallwind aus Nordost. „Bei Bora helfen keine drei Jacken übereinander“, Ana fröstelt schon beim Gedanken. Aber sonst ist der Winter ein Traum.

Einst begann der Rubel erst so richtig mit dem Wintertourismus zu rollen. Mit der Errichtung des Grand Hotel Imperial im Jahre 1897 startete Dubrovniks Qualitätsoffensive. Das hat mir Vlaho erzählt, der im Hotel arbeitet. Heute gehört das Haus der Hiltonkette an, hat sich aber noch viel vom alten Grandhotel-Charme behalten, zumindest von außen.

Die Zimmer mit Meer- und Altstadtblick gehen weg wie warme Semmel, vor allem unter dem traditionell englischen Kundenstamm. Und im September herrscht nun mal Hochsaison.

Das ehemalige Grandhotel

Das Meer sei jetzt am schönsten, versichern mir ausnahmslos alle. Nicht zu warm, nicht zu kalt. Im Winter kann man natürlich nicht baden, denke ich, während ich das glasklare Türkisblau um mich herum genieße.

Kann man doch! Jedenfalls gibt es Leute, die ganzjährig ins Wasser gehen. Im Januar und Februar bei 13 Grad? Ich schaue mir „meine“ Seniorinnen an. Tun sie’s? Tun sie’s nicht? Zutrauen würde ich ihnen alles.

Eben noch war ich müde vom Lunch in der Altstadt. Ich habe Ivona getroffen, noch eine Dubrovnikerin, die nirgendwo anders leben würde. Ihr Vater hatte mal ein Boot, und dort ist sie quasi aufgewachsen. Den Fisch zum Mittagessen haben sie dann von der Bootstour gleich mitgebracht.

Der Fisch im Restaurant Rozario, wo ich Ivona getroffen habe, kommt zwar nicht von ihrem Vater, aber von einem der Fischer. Heute gibt es dicke Scheiben von der Bernsteinmakrele, gegrillt und mit leckerem Gemüse serviert. Als Vorspeise hatten wir Austern von der nahen Halbinsel Pelješac. Und Sardinen.

Austern von der Halbinsel Pelješac

Dazu ein Glas Pošip von der Insel Korčula. Nach dem Lunch wäre eine Siesta mehr als angebracht, so will es die dalmatinische Tradition. Doch nachdem ich im Wasser war, ist alle Müdigkeit wie weggeblasen. Mache ich noch einen Rundgang? Die Zeit vergeht wie im Flug.

Dabei gäbe es noch viel zu entdecken, die Lagune, das Kloster, die Gärten. Bewohnt ist die Insel nicht mehr, nur ein paar Feuerwehrleute sehen hier nach dem Rechten, wegen der Waldbrandgefahr. Fest installiert sind allerdings die Pfaue, die die Wege der Besucher ständig kreuzen. Verfolgt von Kindern und Kameras.

Maximilian von Habsburg hat im 19. Jahrhundert nicht nur pflanzliche Souvenirs von seinen Reisen nach Lokrum gebracht und einen botanischen Garten eingerichtet, sondern eben auch die Vorfahren jener Pfaue. Und die Benediktiner, die hier so lange lebten, hatten bereits Oliven angebaut.

Schiffe gucken.

Wer auf Lokrum bleibt, wird also zum Gärtner. Als ich weggehe, winkt mir die mitteilsame Badende zum Abschied zu. Der Sommer dauert lang in Dubrovnik. Und mit einem Mal erscheinen mir die Zikaden gar nicht mehr so laut.

Text und Fotos: Elke Weiler

Mit Dank an Visit Croatia, die zu dieser Reise eingeladen haben.

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