Eisläufer am Strand

Alles änderte sich, und ich mich auch. Kein Lutscher glaubte mir mehr, dass ich erst acht Monate alt war. Oft hielten sie mich sogar für einen Bobtail, rein von der imposanten Statur her.

Doch wenn ich den zahlreichen Fans mein wunderbar verspieltes Wesen offenbarte, lachten sie lauthals und hielten mich für verrückt. Spätestens hier wurde ihnen klar, dass ich zur Sorte Crazy Bearded Collies gehörte – Abteilung Plüschbär. Jeder einzelne von uns war ein bisschen bekloppter als der andere. Jeder auf seine Art und Weise.

Einem Ruf, dem man gerecht werden musste, so viel war klar. Doch wussten es auch die anderen? Buddy zum Beispiel? Ich musste Aufklärungsarbeit leisten.

Wir tummelten uns mit Julchens Babyfreund am Husumer Dockkoog. Eine Menge Kollegen kamen und gingen, doch Buddy blieb. Er gab sich als passionierter Ballspieler aus. Und er hatte vielleicht ein Durchhaltevermögen, das ging auf keine Kuhhaut.

Julchen versuchte ganz clever, ihn durch hammerharte Hasensprünge auszutricksen, doch Buddy sammelte mit stoischem Gemüt sein Lieblingsspielzeug ein. Ich fühlte mich tendenziell überflüssig.

Was will Julchens Welpenfreund Buddy von ihr?

Zudem war ich der Meinung, dass sich Buddy gegenüber einer Dame wie Julchen weitaus galanter benehmen konnte. Also zettelte ich die erste Prügelei meines Lebens an. Unter Männern.

Natürlich spielte der Labi in einer anderen Gewichtsklasse. Doch ich profitierte vom Überraschungsmoment. Behände und athletisch wie ein Katertier. Ich hatte eben viel von unserem geliebten Mats gelernt. Und da ausgerechnet… Es war zum Pferdeäpfelpürieren! Unsere Madames pfiffen das Schauspiel tatsächlich ab.

Doch ich hatte Blut geleckt. Husum schien mir die geeignete Arena zu sein. Mit dem Meer im Hintergrund. Am Wochenende stürmten wir noch einmal auf den Dockkoog und lernten Candy kennen. Ein zuckersüßes Baby mit Flauschfell, ganz dunkel mit entzückenden weißen Pfötchen.

Der Name schien gerade sehr en vogue zu sein, zumindest bei Mädels. Auch meine puppige Nichte hieß so. Candy aus Husum entzückte uns alle, und wir sie. Doch dann kam Paul! Da ich mich augenblicklich und vehement an die Hinterpfoten des Zweijährigen heftete, hörte man Madame schon von Stalking reden.

Fühlt sich manchmal missverstanden: der kleine Janni.

Auch Paul schien meine Aufmerksamkeit misszuverstehen, also legte ich mich lieber mal auf den Rücken. Er knurrte äußerst beeindruckend, was diese Sicherheitsmaßnahme notwendig machte. Paul hatte mein Herz erobert. Ein neuer Stern am Himmel.

Wie ich mich freute, als wir uns schon kurz darauf wieder sahen! Überhaupt war das Wochenende eine Wucht. Monsieur zurück aus dem Südlutscherland, die Sonne ebenfalls, Julchen und Madame in bester Stimmung. Als es am Sonntag auch noch schneite, avancierte St. Buddel zum Winterparadies.

Julchen zeigte mir, wie man auf den Eisflächen am Strand schlidderte. Eiskunstlauf nannte sie das. Immer was Neues, meine Süße. Doch mir war ein fester Boden unter den Pfoten lieber als jede noch so künstlerische Darbietung. Außerdem sah es bei Mademoiselle wesentlich graziler aus. Ich hatte einfach nicht die Figur dafür.

Die Kollegen waren weitläufig über den weiß gefleckten Wüstensand verteilt, und ich… ja, ich hielt ein bisschen Ausschau nach Paul. Einmal kam einer, der ihm ähnlich sah… Julchen war genervt, weil sie mich ständig einsammeln musste und zettelte eine entzückende Rauferei an. Besser konnte es gar nicht kommen!

Herrlich! Eine Rauferei mit Julchen!

Natürlich hatte sie nicht die Statur von Buddy, aber für eine Beardine beachtlich viel Kraft. Und dieses unbändige Temperament! Das verlieh ihr eine fast überirdische Power. Besser, sich gleich auf den Rücken zu legen und auf Welpenschutz zu plädieren.

Ich konnte ihr später immer noch eins überbraten, es würde diverse Gelegenheiten geben. Etwa, wenn sie herumtrödelte und nicht vor mir in die Blechhöhle sprang. Rache war zuckersüß!

Ich musste an meiner Stellung im Rudel arbeiten. Immerhin wog ich jetzt 26 Kilos. Breite Schultern, männlicher Typ – so meinte jedenfalls meine liebe Nichte Candy. Was lag da näher, als ab und an mal so richtig auf den Putz zu hauen – mit so einem Figürchen?

Modischer Janni: Schleifchen in der Farbe von Meeres-Accessoires!

Leider steckten sie mir jetzt standardmäßig die Schleife in den Kopfplüsch, weil ich sonst überall vorrannte. Wie das doch meinem neuen Image als harter Kerl schadete!

Es ging sogar so weit, dass ansonsten nette Lutscher mich für ein Mädchen hielten. Für ein Mädchen! Bis ich aus tiefer Brust tönte, dunkel und sonor. Das konnte kein Julchen.

Ich nutzte meine neuen Skills zur effektiven Revierverteidigung. Julchen interessierte sich eh nicht die Bohne dafür, sie flitzte ja lieber durch die Gegend wie Speedy Gonzales. Aber ich nahm diese Sache sehr ernst.

Was interessierten einen noch die Gartenarbeiten, wenn es genügend Paketlutscher gab? Doch Madame et Monsieur, diese Spielverderber, machten mir einen Strich durch die Rechnung. Postlutscher waren tabu? Nicht zu fassen! Sogar der Medizinlutscher hatte letztens meine tollen Beißerchen bewundert – sollte ich sie etwa nur zum Fressen einsetzen?

Julchen und Janni auf Entdeckungskurs in Ording.

Eines war so sicher wie die Schafsköddel auf dem Deich: Wenn ich Freddy, dem Cairn Terroristen meiner Welpenstube, demnächst wieder über den Weg laufen würde… Mein Plüschohr würde er nicht zu fassen kriegen! Nie mehr.

Ich war jetzt groß und voller Tatendrang. Ein Bild von einem Halbstarken. 007? Eine Witznummer dagegen.

Text: Janni (nach Diktat über eine Zehnerkarte fürs Fitnesstudio nachgedacht. So ein bisschen Bodybuilding konnte ja nicht schaden.)

Fotos: Elke Weiler

5 thoughts on “Eisläufer am Strand

  1. Oh Onkel Janni, du hast mich ja in deinem Blogeintrag verewigt!! Danke!!! *schlabber*
    Ich finde deine Geschichten immer toll! Du wirst mehr und mehr zu einem echten Beardie-Brad-Pitt!! Freu mich schon irgendwann mit dir und Julchen zu toben!!
    *knubbelknuuuuuutsch*
    Candy xxxx

    1. Hi Candygirl!

      Danke dir!! ;-)

      Beardie-Brad-Pitt? Ist der nicht blond und so? Vielleicht doch eher Guillaume Canet, Mads Mikkelsen oder Shia LaBeouf?

      Ja, das wäre toll, wenn wir uns irgendwann mal treffen, Süße! Habt ihr Pläne für die Nordroute? ;-)

      Bussi, dein Janni

  2. Ach Onkel Janni,

    ob Blond ob Dunkel – kommt doch nur drauf an, dass er gut ausschaut!! ;-)

    Noch haben wir keine Pläne für eine Nordtour – aber ich bin mir sicher, dass ich mein Frauchen dazu bringen kann. ;-) Vielleicht im Frühjahr/Sommer??? *freu**freu**freu*

    Dicker Knubbelknuuuuuutscher
    Candy xxx

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