Heimat bleibt Heimat

Madame war viel zu lange fort, und unsere Tage von dicken Wolken überschattet. Dauerregen, miese Laune. Doch Monsieur versuchte uns mit kulinarischen Feinheiten aufzumuntern. Lammkoteletts, großes Kino! Auf ihn war halt Verlass, meinen besten Freund. Egal, ob Sommer oder Winter, Regen oder Schnee.

Monsieur war da. Und er hielt mir ab und zu einen Flimmerschirm vor die Nase, meist abends. Doch ich wusste, dass Madames Stimme einfach anders klang. Niemand konnte mich so leicht vergackeiern, noch nicht mal ein Huhn. Geschweige denn sprechende Flimmerschirme, die „Janni“ oder „Süßer“ riefen! Eine Zumutung. Sollte Monsieur sich selber damit herumschlagen.

Auch Julchen meinte, sie hätte alle Pfoten voll zu tun, und große Schnackapparate würden nach nix riechen. Früher wäre sie ja mal darauf hereingefallen, aber die Zeiten wären vorbei. Als Madame endlich wieder live vor uns erschien, brachte sie ein großes Windgetöse mit und fror schrecklich. Wir gaben alle unser Bestes, schließlich hatten wir genug davon: Winterplüsch.

Frisch vom Friseur
Frisch vom Friseur

Wir kuschelten, was das Zeug hielt. Bis Herr Sturm sich verabschiedete, und Madame wieder akklimatisiert war. Wie die Schneekönige freuten sich Julchen und ich über den ersten Gruß von Herrn Winter. Er hatte die gute Frau Frost netterweise vorbei geschickt, ein paar Eiszapfen hingen dekorativ vom Reetdach herunter.

Meine Holde schmiss sich auf die erste verfügbare Eisfläche am Boden, auch wenn sie mir recht schmal erschien. Ich hielt mich noch zurück. Ich, den sie „The Body“ nannten. Unter mir wäre das erste zarte Eis zerbrochen.

Die Grashalme unserer Fenne knirschten am Morgen unter jedem Pfotentaps. Sogar in den Gräben schwammen ein paar Schollen. Nein, keine Fische! Die letzten Gänseblümchen hatten sich mit Silberglitzer geschmückt. Fertig für das große Fest.

Wo ist das Eis?
Wo ist das Eis?

Julchen warf sich übermütig ins Gras, sie machte quasi einen Köpper und rieb sich hingebungsvoll. Man könnte fast sagen, Wälzen war eine ihrer bevorzugten Fortbewegungsarten. Ginge es nach meiner Lebenspartnerin, die sich leider nicht mit mir verloben wollte, könnten wir wohl noch weiter nördlich ziehen. So mutmaßte Monsieur jedenfalls.

Zur Krönung des Tages sprangen wir in die Blechhöhle und steuerten Sankt Buddel an. Madame erzählte derweil von paradiesischen Stränden, fetter Wärme und knackenden Kokosnüssen, doch wir gaben alles, um sie gedanklich nach Sankt Buddel zurückzuholen. Hier war es doch am schönsten! Wo man über den Sand tanzen und fegen konnte, sich in rauschhafte Zustände steigernd.

Let's face it!
Let’s face it!

Wo einem weder Kokosnüsse auf den Kopf fielen, noch die Möglichkeit bestand, vor lauter Hitze schwermütig zu werden. Wo einem die Sonne nicht das Hirn zersetzte. Wo man weiter gucken als rasen konnte. Das war es doch, was sich Freiheit nannte. Ich meine, zumindest bis zum nächsten Ruf von Madame oder Monsieur.

Wo man in unbemerkten Momenten einer Möwe hinterher fliegen konnte. Leichtfüßig, mit flatternden Ohren, die quasi zu Segeln wurden. Kurz vor dem Abheben. Heimat war und blieb Heimat. Warum sollte man sie verlassen? Dann war sie doch keine Heimat mehr. Verstehe einer die Lutscher! Taten immer so wichtig, verhielten aber meist inkonsequent.

Einfach mal abheben
Einfach mal abheben

Was einem bodenständigen Rüden nicht passieren konnte. Wenn es Wurst gab, wollte ich Wurst haben. Und wenn die Sonne schräg über Sankt Buddel stand, freute ich mich auf den Winter! Noch am Abend zuvor war ich bei meinem bevorzugten Friseur gewesen, chez Monsieur, und ließ den Plüsch nun frei in sämtliche Richtungen wehen.

Natürlich konnte ich Friseurbesuchen im Allgemeinen wenig abgewinnen, so als Naturbursche. Doch ich musste zugeben, dass ich danach nett aussah. Jedenfalls sagten es alle, und Julchen biss mich noch zärtlicher in die Backe. Als sie aber in Sankt Buddel anderen Hunden schöne Augen machte, war ich stinksauer. So lief das nicht!

Wem macht sie schöne Augen?
Wem macht sie schöne Augen?

Nicht, dass ich eifersüchtig wäre, verdammte Ackergülle! Es ging mehr um die innere und äußere Sicherheit. Man wusste doch nie, was sich diese Zufallsbekanntschaften plötzlich herausnahmen. Meine Holde schien ständig die Welt zu umarmen, doch ich war eben der vorsichtige Typ. Erst mal schnuppern, mit wem man es zu tun hatte. Dann lieber direkt die Grenzen abstecken.

Meine Holde warf mir übertriebenes Sicherheitsdenken und eine konservative Grundhaltung vor. Keinen Schimmer, was sie meinte. Ich würde mir selbst im Weg stehen? Ich sah lediglich, dass uns Zäune im Weg standen. Vor allem, wenn mal wieder Kühe die Straße entlang zogen. Wegen des Winters mussten sie zurück in die Ställe, was wieder auf die seltsame Sicht der Lutscher zurückging.

Heimat ist Heimat.
Heimat ist Heimat.

Mit wem sollte ich nun auf der Fenne kommunizieren? Mit den Wollknäueln etwa? Die entfernten sich meist, wenn wir antanzten, was sicher an unserem Temperament lag. Die Rindviecher taten das genaue Gegenteil, sie rückten an. Und nun verschwanden sie bis zum Frühjahr, Himmelschafundmeer! Jeden Herbst wurde es stiller auf den Fennen.

Dafür waren die lautlosen Wühlmeister in Aktion, auch Maulwürfe genannt. Sie ruinierten unsere Wege, bevor wir es selbst tun konnten. Herbst und Winter galten nämlich als exquisite Buddelzeiten. Man konnte seine Nase nie tief genug in die Erde stecken. Und vielleicht traf man ja am anderen Ende auf Madame, die in der Weltgeschichte unterwegs war.

Allein am Strand
Allein am Strand

Viel zu oft. Während sie ihren Winterplüsch zu Hause ließ!

Text: Janni (nach Diktat sinnierend unter den Küchentisch gelegt. Was wohl zum Dinner auf dem Speiseplan stand?)

Fotos: Elke Weiler

Best friends
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