Das rote Tuch

Beardie Welpe

Husum, Außenhafen: Jetzt reisten die Fans schon im Pulk an! Mit dem Bus! Ein ganze Schulklasse blieb stehen, als sie mich erblickte. Ok, an jenem Tag sah ich besonders süß, putzig, knuffig und hübsch aus: Madame hatte die rote Leine gewählt und passend dazu das rote Fischertuch aus Nordstrand um meinen zarten Hals drappiert.

Sie durfte das, weil es nicht mehr so warm war, und der Ton hervorragend mit meinen vorhandenen Fellfarben harmonierte. Außerdem mochte ich diesen maritimen Touch. Ich war ein Hund des Hafens, zu Hause in den verräucherten Spelunken der Welt.

Scherz beiseite. Natürlich trug ich das Tuch nicht mit einem Holzschuh oder Makrameeknoten, sondern einfach lässig gebunden. Vielleicht zog Madame ja auch die Anschaffung eines weiteren Tuches in Erwägung – mit Totenköpfen? Tief in meinem Innern schlummerte etwas von der wilden Vergangenheit dieser Gegend. Seeräuber, Strandpiraten, Sturmfluten. Das war vor den netten Tourismuszeiten!

Hilft beim Buddeln: das rote Tuch.

Die Lehrerin der Schulklasse fragte nichts Böses ahnend nach meinem Namen und so. Fragen, die artig und wahrheitsgemäß beantwortet wurden. Aber ich fürchte, demnächst brauche ich Autogrammkarten, um den Ansturm zu bewältigen.

Außerdem konnte ich das Bad in der Menge schwerlich mit vier Pfoten bewältigen. Vielleicht sollte ich mittelfristig eine Hilfskraft anfordern? Madame et Monsieur zeigten dafür generell kein Verständnis, denn sie schätzten es nicht, dass ich mich so großzügig um alle Fans und Nichts-Fans kümmerte. Jedenfalls nicht mit der mir eigenen Spontanität.

Wir liefen ein Stück weiter zu einem Fischrestaurant im Hafen. Diese Düfte, du liebe Scholle! In der Nähe der Krabbenkutter, die ich gerne mal höchsthundepersönlich an Bord inspizieren würde, lagen ein paar appetitliche Krabbenbeinchen verstreut am Boden.

Wer warf denn so eine Delikatesse weg? Ich versuchte, sie mit meinen schwindenden Milchzähnchen zu knacken, wurde jedoch mal wieder rüde unterbrochen. Sicher könnt ihr euch denken, von wem!

Da kam plötzlich eine raumgreifende Familie samt Hund auf uns zu. „Ein Beardie“, meinte Monsieur im Brustton der Überzeugung, doch ich war leicht verblüfft. Der Hund wirkte auf mich wie ein geschorenes Schaf. Höflichkeitshalber lief ich zu ihm hin. Nun ja, er roch wie unsereins.

Die Windohr-Tuch-Balance

Obschon ich an dieser Stelle mal einschieben muss: Meine Personal Trainerin zeigte sich letztens schwer angetan von meinem speziellen Kräuterparfüm – eine nur hier erhältliche Salzwiesenmischung. Und sie war bei weitem nicht die Einzige, die meinen Wohlgeruch bemerkte. Ich hielt mich eben ständig an der würzigen Nordseeluft und inmitten leckerer Gräser auf – das blieb im Plüsch hängen. Wie vieles andere auch.

Aber zurück zu meiner Kollegin. Melly war schon etwas betagter und wollte partout nicht mit mir spielen. Vielmehr kam ich mir etwas lästig vor. Flexibel wie ich war, leitete ich meinen Enthusiasmus auf ihr freundliches Rudel um.

Dabei erschreckte ich angeblich ein verschlafenes Mädel. Wobei ich allein schon wegen meines knuffigen Äußeren eine solche Reaktion unangemessen fand. Nun, die Kleine musste sich scheinbar an meine herzliche Art gewöhnen, Melly ging ja eher als dezenter Typ durch.

Aber war das ein Grund für Madame, mich als „Kinderschreck“ zu bezeichnen? Himmelschafundmeer! Ein bisschen beleidigt konnte ich in diesem Fall wohl zu Recht sein. Schließlich ging es hier um nichts anderes als Zuwendung! Mit meinen gut vier Monaten wusste doch längst, dass die Zweibeiner darauf standen. Und ich war prädestiniert, es ihnen zu geben. Mit oder ohne Piratentuch.

Text: Julchen (nach Diktat über eine eigene Tuch-Kollektion nachgedacht)

Fotos: Elke Weiler

2 thoughts on “Das rote Tuch

    1. Hallo Süße!!

      Danke dir ;-)

      Eigentlich war mir das Tuch damals zu groß. Heute würde es viel besser passen. Und wie eine Piratin fühle ich mich immer noch… ;-)

      Du auch?

      Es knutscht dich ganz herzlich

      dein Julchen

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