Apfelkuchen auf der Insel

Hundestrand Dikjen Deel

„Miss Piggy ist auch an Bord.“ Das Mädchen mit der Fliegenbrille lächelte mich an: „Ist nett gemeint.“

„Ne, is klar, Miss Megabrummer“, dachte ich und zog den Maulwinkel hoch.

Was war passiert? Madame hatte mich ganz in Rosa gekleidet, und nun hatten wir den Salat. Gerade düsten wir mit der legendären NOB von Klanxbüll nach Westerland. Dort tanzte die ebenfalls legendäre Tante Ju, ebenfalls in Rosa, über den Bahnsteig, um uns knutschend in Empfang zu nehmen.

Sie freute sich wie ein Lamm im Frühling, mich zu sehen. Schon auf der Hummelwiesenparty hatten wir uns wiederentdeckt. Doch ich empfand es als höchst überflüssig, dass sie ihre geschätzte Aufmerksamkeit auch an den Dicken verschenkte, der sich eh nur für meinen Bruder und Konsorten interessierte.

Die reichliche Zuwendung der anwesenden Lutscher, die ihn aus irgendwelchen Gründen zu vergöttern schienen, empfand Janni als Zwangsknuddelei. „Rüdenkram“, dachte ich. Wieso hoben sie die Männer immer in den Himmel? Während wir Frauen für das Wunder des Lebens verantwortlich waren?

Im übrigen war ich nicht der Typ für Großevents, und meine Schwester Missy noch weniger. Dementsprechend schlecht gelaunt zeigte sie sich, briet mir sogar eins über. Nur weil ich mich ein wenig mit ihrer Madame amüsierte, Himmelschafundmeer!

Dieses Mal hatten wir ein paar Kleinigkeiten eingepackt – nicht nur zur Zähmung der Widerspenstigen. Missy machte ihren ersten Urlaub gemeinsam mit ihrem Verlobten, und es war an der Zeit für ein Verlobungsgeschenk.

Verlobung auf Sylt

Ronny, ein stattlicher Typ, übte sich in Zurückhaltung. Doch als die beiden gemeinsam an ihrer neuen Krabbe zogen, schien die Welt in Ordnung zu sein. Ich selber war ja solo und genoss die Zeit ohne Aufpasser in vollen Zügen.

Interessante Beachtypen lungerten am Strand herum, als ich andackelte: Surfersträhnen, entschiedener Blick, bereit zum Buddeln. Mein Schwesterherz hatte wohl einen kurzen Flash: Sie erinnerte sich an unser erstes gemeinsames Toben am Hundestrand Dikjen Deel vor drei Jahren und stürmte entzückt auf mich zu.

Doch dann tauchte sie ab: Es ging nur noch um ihre rosa(!) Wurfscheibe. Am Strand lernte ich den putzigen Muffin sowie einen ansehnlichen Airedale Terrier kennen. Doch vielmehr faszinierte mich das wilde Meer, das mir auf Sylt noch wilder erschien. Ich fühlte in diesem Augenblick, dass es höchste Zeit für eine Fortsetzung meines ersten Buchs „Julchen und das wilde Meer“ war…

Die schöne Sylterin Caro und ihre in rosa(!) gekleidete Madame kannten hier jede Alge, jedes Sandkorn und jeden Fisch. Deswegen hatte ich Caro-Baby einen Fisch mitgebracht, den sie noch nicht kannte. Einen, der quietschte statt zu blubbern.

Treffpunkt Dikjen Deel

Wir tummelten uns am Strand, spielten Frisbee in wechselnden Konstellationen oder warfen uns in den Sand. Mein Schwager war mir sympathisch, weil er sich auch so gern wälzte. Allerdings verstand ich nicht, warum er sich vor den heiligen Titis fürchtete. Die waren doch meist fürchterlich begeistert von unsereins.

Meine Psychoanalytikerin Mademoiselle Julie riet Ronny, beim Buddeln mal richtig Dampf abzulassen. So ein Hundestrand war ja ideal dafür. Doch er sah mich verständnislos an, und ich konnte mich nicht um alles kümmern. Schließlich musste ich für Recht und Ordnung am Dikjen Deel sorgen und mit Madame an der Hundebar Wasser holen.

Tante Ju schien unermüdlich, was das Knuddeln anging, doch natürlich konnte man auch Tante Moni und Tante Antje nicht vernachlässigen, die uns mit Blechhöhlendiensten und Pauschalverpflegung beglückten. Nix zu meckern über die Infrastruktur auf der Insel!

Langsam merkte ich auch, dass meine Arbeit als Streetworkerin Früchte trug, da sowohl Missy als auch Ronny die Höllenmaschinen anpfiffen. Doch warum verbellten sie das unschuldige Lutscher-Trio, das an unserem Kaffeetisch in Caros Garten vorbeizog – zart singend?

Julchen am Dikjen Deel

Madame machte den Urlaubslutschern klar, dass sie ganz entzückend jodelten. Niemand sollte denken, dass Gesang in Nordfriesland verboten war. Ich musste dringend mit Tante Ju schnacken, damit sie Missy öfters mal was vorsang und so langsam an das Jaulen von Lutscherstimmen gewöhnte.

Ich war ja seit meiner Welpenzeit damit konfrontiert worden, da Madame meistens im Auto zu diversen Songs aus aller Welt mitjohlte. Irgendwann gewöhnst du dich an alles. Vor allem, wenn es unvermeidbar ist.

Brüderlich teilte ich mir mit meiner Lieblingstante den Apfelkuchen. Doch ich hatte den Verdacht, dass sie a) mehr abbekam als ich, und b) eine optimale Erreichbarkeit bei ihr gewährleistet war. Während ich auf Reptil mit ellenlanger Zunge machen musste. Aber was tat man nicht alles für drei Krümel!

Den Rest sackten sich die Kaffeelutschertanten selber ein. Dafür schmissen sie ein paar Runden der Geschenkkekse. Mit Labskaus – so schmeckte der Norden. Missy und Ronny würden die Kekse als Wegzehrung dringend brauchen, weil sie schon am nächsten Tag den Strand wieder verlassen und zurück in den Süden düsen mussten.

Apfelkuchen auf Sylt

Ich hoffte natürlich, Madame und ich gönnten uns noch eine Urlaubsnacht in irgendeinem netten Hundehotel – wie zuletzt auf Nordstrand. Aber Ackergülle! Zurück im Zug wurde ich ausgiebig von ein paar kraulwütigen Titis bewundert, fixierte mich aber lieber auf die Tasche der hinter uns sitzenden Lutscherin.

Es gab Wurst und Brot darin, doch sie wollte mir partout nichts abgeben. Dabei hatte ich einschlägige Erfahrungen mit prall gefüllten Lutscherinnentaschen gesammelt. Wenn sie offen in Maulreichweite standen, galt das quasi als Einladung.

Nach einem schönen Tag landeten wir wieder vor der heimischen Hütte, wo Janni sich vor Freude überschlug. Ich briet ihm eins über. So lange waren wir doch gar nicht weg gewesen! Er suchte nach seinem Apfelkuchen, den wir komplett vergessen hatten. Zum Ausgleich wollte er mein Dinner futtern.

Aber das ging ja gar nicht. Wieder nur Stress mit dem Dicken! Madame und Monsieur versprachen schließlich, dass wir demnächst mal eine Komplettrudelreise auf die Insel unternehmen würden. Für mich war alles ok, so lange es Kuchen gab. Apfelkuchen. Mit Sahne!

Text: Julchen (nach Diktat überlegt, ob sie nicht mal wieder ihren Ex-Verlobten kontaktieren sollte…)

Fotos: Elke Weiler

11 thoughts on “Apfelkuchen auf der Insel

  1. Hey Sis‘!
    War wie immer Hammer, Dich wieder zu sehen….kleine Gegendarstellung:
    Ich habe dir doch gar keine übergebraten, bin nur kurz gucken
    gekommen, habe dabei vielleicht etwas lauter ausgeatmet und Dich zart geschubst.
    Ich schwööööre! :-)
    Ich hoffe, Du lieferst sehr bald einen Bericht aus der schwäbischen Toskana!

    Cheers from here,
    Missy

  2. Missy, altes Haus,

    jetzt red‘ dich nicht raus! :-)

    Ich weiß, was ich weiß. Du warst eifersüchtig – das passiert in den besten Rudeln und bei den coolsten Tieren. Brauchst du eine Konsultation bei Mademoiselle Julie?

    Dann schauen wir mal, wann ich euch besuche und mit wem. Der Dicke baggert ja gerade in Richtung Norden…

    Und Madame plant eh immer viel zu viele Solo-Reisen. Geht gar nicht!!

    Gut buddeln, Baby, und bis bald!!

    Dein Julchen

    1. Gib alles, Jule!

      Sag Deiner Madame, wir wohnen jetzt auch am Wasser… :-) :-)
      Den Termin bei Mademoiselle Julie nehme ich, eventuell gleich 3
      hintereinander?
      Ich habe schließlich einiges zu verarbeiten, so als Friesenprinzessin
      im schwäbischen Exil!
      Knutsch den Dicken, nicht dass der zu kurz kommt, so ohne Tante Ju ;-)

      Always yours,
      Missy

      1. Danke, ich bin knutschtechnisch reichlich versorgt. Aber ich komm‘ gerne mit an die Côte de Schwab!!!

        Bussi,

        der Dicke

        P.S.: Schon wegen der Maultäschle. ;-)

  3. Missy-Hase,

    drei Termine hintereinander bei Mademoiselle Julie dürften kein Problem sein. Und in Maultaschen lässt sie sich, so viel ich weiß, auch gerne bezahlen… :-)

    Bussi mit Salzgeschmack – auch an Tante Ju!

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