Kaffeeklatsch in Kristiansand

Der Wind fegte mir um die Nase, der Sand kroch in den Plüsch. Ganz oben, auf der höchsten Düne, die ich je betreten hatte. Rubjerg Knude war mehr als eine Wanderdüne. Sagen wir, eine Wunderdüne. Und ich hatte einen neuen Job: Als Hund des Leuchtturms konnte ich den ganzen Tag auf der Düne liegen, ab und zu buddeln sowie ankommende Lutscher und Kollegen begrüßen, hochoffiziell.

Ich konnte die Bewegung des umtriebigen Sands am Plüsch vermessen. Konnte präzise voraussagen, wie stark die Düne wanderte. Falls das einer wissen wollte. Vor allem konnte ich auf ihrem höchsten Punkt liegen und aufs Meer schauen. Stundenlang. Auf die Küste, auf Nordjütland, Norwegen, Kristiansand, die ganze Welt.

Pionierin mit EU-Ausweis

Als ich aufwachte, tapste ich in Madames Arme. Sie schien sich ziemlich zu freuen, dass es mir gut ging. Na, bei dem coolen Job! Nicht der Sand hatte sich unter mir bewegt, sondern das Meer. „Wir sind in Norwegen“, meinte Madame, und mit einem Mal fühlte ich mich leicht und klar. Der Traum war weg, fort mit den Wellen. Norwegen.

Rubjerg Knude Fyr
Träume von gestern

Ich fühlte ich mich quasi wie eine Pionierin, denn viele meiner Bekannten und Verwandten waren noch nie so weit nördlich gewesen. „Zeig‘ dem süßen Zolllutscher meinen EU-Auweis“, säuselte ich Madame ins Ohr. Doch wie so oft, hatte ich mich in der Lautstärke vergriffen. Prompt wollte der Typ das Papier sehen, er winkte uns aus der Reihe.

Als Hund von Welt und größter Fan von Pippi Langstrumpf gab ich einen Pfifferling auf Formalitäten. Aber alle sollten wissen, wie legal ich war! Also posaunte ich es in alle Richtungen. „Go, Emilia, go!“, fügte ich hinzu. Ich war scharf auf die erste richtige Stadt unseres Mädels-Roadtrips. Schiff klar zum Entern, let’s rock this city: Kristiansand.

Zunächst bezogen wir unser Quartier für die Nacht. Ich verstand mich auf Anhieb mit dem Empfangslutscher, doch musste Madame mich wirklich mit ihm allein lassen? Ok, sie wollte nur unsere Tonnen von Gepäck ausladen, so lange konnte ich warten. Gerade noch! Dann öffneten wir die Zimmertür, simsalabim…

Wald im Zimmer

Nett, kuschelig und Wald an der Wand. Wir zwei Hübschen passten so gerade hinein. Aber die Tonnen von Gepäck? Ich checkte die Oberetage. Doch Madame schien not amused und wies mich in meine Grenzen. Scheinbar durfte man als Hund nicht in Oberetagen. Ja, hatten wir etwa ein Kastensystem mitten in Europa?

Eis in Sicht
Eis in Sicht

Statt die Sache auszudiskutieren, warfen wir uns ins urbane Getümmel. Spazierten durch die Stadt zum Meer, denn Madame hatte ja dieses Faible für Wasser in allen Varianten. Wir stoppten hier und dort für ein Shooting. Bei den Kunstpferden von Kristiansand lernten wir lustige Asienlutscherinnen kennen, die voll auf mich abfuhren. Das ging so weit, dass ich für ihre Selfies posen sollte. Plüsch is starring.

Dann meinte Madame plötzlich, wir hätten ein offizielles Date. Dafür ließen wir uns im Hafen nieder. Das Softeis teilten wir schwesterlich, das meiste aß sie. Fiftyfifty schien ein Fremdwort für Lutscher zu sein. Bevor wir die Sache geklärt hatten, erschien unser Date auf der Bildfläche. Rein beruflich, klar.

Fiskebrygga in Kristiansand
Treffpunkt Fiskebrygga

Neue Freunde, alte Freunde

Bei Wikingerlutscher Erik handelte es sich um einen Einheimischen, der uns seine Stadt zu Pfoten legen wollte. Also führte ich die beiden hierhin und dorthin, zeigte ihnen hübsche Ecken und entdeckte sogar einen Beach. Unser neuer Bekannter wunderte sich, dass wir scheinbar die halbe Stadt kannten. Jedenfalls grüßten uns die Asienlutscherinnen von der Selfie-Session wie alte Freunde.

Madame näherte sich begeistert einer, wie sie meinte, schicken Architektur am Kai von Kristiansand. Doch im Café des Kilden wurden gerade die Tische gedeckt, da verwehrten sie mir doch glatt den Eintritt. Aus Solidarität blieb unser neuer Bekannter mit mir vor der Tür, daher fiel mein Protest milde aus. Hauptsache, Madame verzettelte sich nicht in diesem Superteil aus Holz und Glas.

Am Ende der ersten Stadttour ließ man sich vor einem großen Sprühwasser im Park nieder. Mich überließ man wilden Titis, die sich zunächst mit Wasserpistolen vor mir aufbauten, mich schließlich aber streicheln wollten. Ja, waren wir denn im Zoo? Ich galt gemeinhin als gutmütiger Hund, doch auch ein Sonnenschein wie ich hatte seine Grenzen!

Kaffeeklatsch ohne Kaffee

Langsam wurde mir dieser Kaffeeklatsch ohne Kaffee zu bunt, denn die Lutscher hingen über langweiligen Karten, um irgendwelche Routen auszutüfteln. Dabei wusste Emilia immer noch am besten, wo es langging! Außerdem war klar wie Kloßbrühe, dass wir zu den Elchen wollten. Ich hielt es daher für sinnvoll einzugreifen.

Hippie-Julchen
Hippie-Julchen

Jetzt oder nie. Als sich der Vater der Titis noch dazugesellte und das Sit-In in einen unendlichen Schnack ausuferte, versuchte ich die Bank zu entern. Ich drängte mich geschickt zwischen Madame und unseren Begleiter. Mit Erfolg! Langsam spürte ich den leeren Magen, das Häppchen Softeis hielt nicht lange vor.

Man verabredete sich für den nächsten Tag. Für mich gab’s Dinner im Hotel, doch was machten wir mit Madame? Streetfood! Frische Falafel, die vorzüglich dufteten. Meine Gute schien gestärkt für weitere Eskapaden. Doch auf dem Weg entlang einer gut befahrenen Straße, der angeblich zu einem Konzert im Wald führte, war alles zu spät. Ich streikte.

Häuser-Check in Posebyen
Häuser-Check in Posebyen

Wer sittet wen?

Am nächsten Morgen wollte Madame mich schon wieder in diese Richtung lotsen, fatal! Dabei hatten wir wirklich schönere, ruhigere Ecken von Kristiansand entdeckt. Außerdem stand da noch dieser Termin auf dem Programm. Wir wollten doch ins Museum. Nach dem Frühstück spazierten wir durch die Stadt, als ich mal ganz dringend musste.

Diese ganze Aufregung! Roadtrips waren phänomenal, aber anstrengend. Madame besorgte ein paar feuchte Tücher, um mich wieder in Schuss zu bringen. Schließlich trafen wir Erik vor dem Sørlandets Kunstmuseum. Eigentlich wollte ich die Ausstellung von Pipilotti Rist sehen – allein wegen des genialen Namens, doch ihr ahnt es schon: Ich hatte alle Pfoten voll zu tun.

Erik trank nämlich draußen Kaffee, ich also in Habachtstellung. Wie es im urbanen Raum leider üblich ist, sausten einige von diesen Krachmachern durch die Gegend, auch Höllenmaschinen genannt. Ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, dass ein paar davon immer wieder die selben Runden knatterten. „Verpisst euch!“, rief ich lautstark aus der leicht erhöhten Position im Café.

Die Elche rufen

Doch man ignorierte mich. Ein Glück, dass Madame wieder zum Vorschein kam, und ich den Job als Wikingersitter aufgeben konnte. Wir setzten unseren Rundgang durch Kristiansand fort, latschten und latschten und latschten. Immer wieder unterbrochen von diesem Rumgeknattere. War das den beiden nicht zuviel? Sie guckten mich an, als wäre ich der Störfaktor und nicht die Höllenmaschinen!

Tschüss, Kristiansand!
Tschüss, Kristiansand!

Als wir Erik verabschiedeten, tat es mir schon leid, nicht effektiver gegen die Lärmbelästigung vorgegangen zu sein. Aber was sollte man machen? Die Elche riefen! Also packten wir Emilia bis zum Anschlag voll und fuhren das erste Mal seit Tagen weg von der Küste. Unser Ziel hieß Byglandsfjord…

Text: Julchen (nach Diktat verreist)

Fotos: Elke Weiler

Mit Dank an Visit Southern Norway, die diesen Teil unseres Roadtrips unterstützt haben. Und an Erik fürs Dogsitting!

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