Sommer auf Nordstrand

Nordstrand! Wie ich es geliebt hatte, damals mit Buddy in Fuhlehörn. Als wir übers Watt flogen und in Pfützen plumpsten, die das Meer hinterlassen hatte.

Wer auf der Insel vor Husum nicht fliegen lernt, schafft es nirgendwo.

Julchen

Praktischerweise konnte man mit der Blechhöhle übersetzen, was sonst bei Landflecken im Wasser unüblich war. Ähnlich wie Pellworm galt auch Nordstrand als Hochburg der Occupybewegung. Doch als Hund konntest du hier quasi Gleichberechtigung mit dem Schaf erfahren. Denn auf der Insel gab es Hundestrände, die eingezäunt auf dem Deich lagen.

Sie sind überall.

Sie waren komfortabel möbliert und mit eigenen Wasserquellen ausgestattet. Zwar hatten die Wollknäuel wesentlich mehr Fläche für sich, doch keinen einzigen Strandkorb, den sie ihr eigen nannten. Klar, die Schafe mussten arbeiten und die Grasnarbe kurz halten. Für Deicharbeit war unsereins eher nicht geeignet, außer wenn es sich um Hütejobs handelte.

Es gab nur wenige Hunde, die wie Janni nicht wussten, ob sie eine Kreuzung zwischen Nager, Krokodil und Wiederkäuer waren. Beim Dicken lag das teilweise am Umgang. Wobei die Rennplüsche ihre zarten Pfötchen in Unschuld wuschen: Gras fraßen sie lieber selber! Die Sache blieb also ein Rätsel, zumal der Dicke sonst wie ein relativ normaler Hund wirkte.

Es war schon eine ganze Weile her, dass ich zuletzt auf Nordstrand war. Auf den ersten Blick hatte sich nicht viel verändert, sah man mal von Norderhafen ab. Dort gingen wir traditionell mit den Pfingstlutschern hin, weil sie die Aussicht liebten. Nichts als Himmel, Meer und Halligen am Horizont.

Nordstrand ist eben nice.

Nun schaufelten hier die Bagger, um den Deich zu erhöhen. Das Meer wurde immer impertinenter. Ich hatte es schon lange nicht mehr zurechtgewiesen, denn im Sommer machte es einen auf lieb und nett. Aber wehe, der Herbst kam!

In meiner Welpenzeit hatte ich mal kurz als Blumen-Dekorateurin auf Nordstrand gejobbt. Damals machte ich eine ausgesprochene Peace-Phase durch, und im Café gab es so hübsche Blümchen. Mit anderen Worten: Ich kannte die Insel wie meine Westentasche, besser gesagt, wie den Achselplüsch.

Als Madame mir kundtat: „Wir müssen zum Pharisäerhof“, wusste ich, dass der Pfannkuchen- und Eis-Hotspot in der Inselmitte gemeint war. Seit einem Jahr konnte man dort als Hund urlauben, und wir wollten die Sache präzise recherchieren. Außerdem freute ich mich, allein mit Madame vor die Tür zu kommen. So ganz offiziell.

Professionelle Zimmerinspektion.

Nach meinen bisherigen Erfahrungen war der Service im Hundehotel meist 1A. Schon auf Amrum hatte ich mich beardiewohl gefühlt. Auf Nordstrand schien sich die Sache fortzusetzen: Die Empfangslutscherin lag mir zu Pfoten, und einer der Hofhunde, die betagte Olivia, sagte freundlich-routiniert Hallo.

Im Zimmer das nächste Highlight: einer der Näpfe war mit Begrüßungsleckerlis gefüllt – sehr passend zur Lunchtime. Für Lutscher nichts, doch Madame schlug mein Angebot ab, von den Röllchen zu kosten. Was kein Problem war, denn in Nullkommanix hatte ich sie inhaliert.

Madame verteilte unsere Dinge mit System im Raum, während ich Position vor der Terrassentür bezog. Der Kontrollfreak. Wie immer hatte ich alles im Griff und kommentierte das Kommen und Gehen.

Schicke Hütte.

Unser erster Ausflug führte naturgemäß an den Deich. Die Wollknäuel waren dort gut verteilt, doch wir ließen sie links liegen. Am Holmer Siel traf ich auf diverse Kollegen, die teilweise nicht so gut drauf waren wie ich. Der pure Neid, so vermutete ich, denn ich zog die Komplimente der Lutscher an wie der Pferdeapfel die Fliegen.

„Was für ein schöner Hund!“, tönte es von allen Seiten. Auch am Hundestrand drehten sich alle nach mir um. Spontan schloss ich Freundschaft mit little Jack und seinem Rudel. Ihr Strandkorb spendete Schatten, der Napf war stets mit Wasser gefüllt – eine Oase!

Doch was tat Madame da? Sie lief zum Wasser? Ungenehmigt? Natürlich wollte, musste ich hinterher, wurde jedoch von Jacks zuckersüßer Mademoiselle daran gehindert. Das Mädel versuchte mich zu bespaßen. Nett gemeint, doch ich hatte gerade andere Pläne, irgendwer musste Madame dringend vorm Ertrinken retten! Oder wenigstens das Meer anschnauzen, damit es lieb zu ihr war!

Die große Schnupperei.

Keine Chance, die Tür blieb zu. Aus zehn Beardielängen Entfernung konnte ich erkennen, dass Madame obenauf trieb. Also legte ich mich zu meinem neuen Freund Jack, der mir ein Bussi gab. Auch sonst war mein Typ gefragt am Hundestrand.

Es gab immer irgendwo Zoff, und ich nahm die Schlichterrolle sehr ernst – trotz der tropischen Hitze. Als Madame nett gekühlt wieder zurückkam, nahm ich sie als leckeres Salzbonbon wahr. Doch natürlich musste ich die neuen Kontakte pflegen und lief mal hierhin, mal dorthin, meistens zu Jack.

Auf dem Rückweg versuchte ich Madame zur Einkehr in die Strandlocation zu bewegen. Sie war mir in bester Erinnerung geblieben, hatte ich hier doch mal einen Stuhl umgeschissen, um Madame auf die Toilette folgen zu können. Heute machte ich auf erwachsen und wartete brav davor, ohne auch nur einen Mucks von mir zu geben.

Und abends mit Beleuchtung.

Dieser Kurzurlaub mit Madame tat mir einfach gut. Nach dem Dinner im Hundehotel fuhren wir zum Sunset in den Hafen von Strucklahnungshörn. Ich gönnte mir ein paar Dessertköddel, feinste Delikatessen der Wollknäuel, die selber unauffindbar waren.

An diesem windstillen Abend war mir romantisch zumute. Ich blickte aufs Meer, in dem sich der große Feuerball spiegelte. Bis Pellworm konnte man sehen. Pellworm! Auf der Fähre zwischen Nordstrand und der fluffigen Schafsinsel hatte ich seinerzeit Popeye kennengelernt. Der schmucke Spaniel, der mich in südamerikanischer Manier und ohne eine Sekunde zu verlieren, zum Tango aufgefordert hatte. In seinen Pfoten fing mein Blut an zu kochen. Zum ersten Mal in meinem Leben war ich verliebt.

Einfach mal auf brav machen.

Auf Nordstrand begegnete ich alle Nase lang einem urlaubenden Kollegen und genoss es in vollen Zügen, ohne Aufpasser unterwegs zu sein. Normalerweise versaute Janni mir die Tour. Obwohl ein Jahr jünger, spielte er sich als großer Bruder auf. Und immer wieder tönte er: „Das Rudel ist heilig!“

So ein Mädelstrip mit Madame war also purer Urlaub, auch wenn wir arbeiten mussten. Eine Herrlichkeit, mit ihr zusammen Eis zu schlecken! Unsere Gastgeber waren nämlich die einzigen auf der ganzen Insel, die so etwas köstlich Kühles fabrizierten. Und dann auch noch 50 Sorten, von denen aktuell 14 im Angebot waren. Ok, wir schafften sie nicht alle.

Doch als Madame mit den beiden nach dem Frühstück schnackte, durfte ich frei in der Gegend herumlaufen. Ich fühlte mich ganz wie zu Hause, checkte den Garten, die aktuelle Lage an der Rezeption und gesellte mich zu den beiden Eisessern auf der Terrasse. Sie wirkten zwar amüsiert, gaben mir jedoch nichts ab.

Der Hammer!

Madame schnackte immer noch. Ok, dann legte ich mich unter den freigewordenen Stuhl. Als die Chefin des Hauses zurückkam, schaffte sie es, sich so niederzulassen, dass ich in meiner Morgenruhe nicht gestört wurde. Ich hatte wirklich den Eindruck, dass man mich mochte. Und ein Leben als Café-Restaurant-Hotel-Hund erschien mir höchst angenehm.

Olivia machte jedenfalls einen zufriedenen Eindruck. In den Sphären über mir redeten sie von einem halben Hektar Blümchenwiese, die nach Kamille duftete. Hatte ich doch längst gecheckt am Morgen! Sie wollten dort eine Art Hundespielplatz mit Holzgadgets errichten – das kam ja immer besser.

Dass ich das bereits existierende Badehäuschen für Hunde nicht ausprobiert hatte, passte schon. Die Zeiten als Schlickschwein waren vorbei, zumindest an diesem Wochenende wirkte mein Fell relativ sauber, sah man von ein paar Kletten ab.

Auch das Wasser schmeckt.

Vielleicht nahm ich den Dicken nächstes Mal mit nach Nordstrand und lud ihn zum Eis ein. Ein bisschen fehlte er mir schon, doch ich war noch nicht fertig. Ein prüfender Gang durch Küche und Frühstückszimmer, wo es lecker noch Wurst roch. Foodblogger Janni wäre vor Freude im Dreieck gesprungen! Madame pfiff mich zurück, obwohl ich anwesende Lutscher zum Lächeln brachte.

Als routinierter Businesshund folgte ich Madame. Eine Pfote wusch die andere. Und ich freute mich jetzt schon auf meinen nächsten Hotelcheck! Ob es dort auch wieder so viele Kollegen zum Erfahrungsaustausch geben würde? Hier kamen sie sogar aus fremden Ländern, so wie der Schweizer, der meinem Ex-Freund Emil ein bisschen ähnlich sah.

Text: Julchen (nach Diktat ihren Terminkalender mit dem von Madame verglichen. Hm…)

Fotos: Elke Weiler

Zu Leckerlis und Hütte wurden wir vom Pharisäerhof auf Nordstrand eingeladen – danke dafür!

13 thoughts on “Sommer auf Nordstrand

  1. Das ist wieder sooooooooooo schön geschrieben, ich könnte sie verschlingen, diese Geschichten…. Liebe Grüße von Luna, einer Mini-Bearded-Hündin

  2. Hallo Julchen, sag, bist Du ins Wasser gelaufen, um Madame zu retten? Ich frage das, weil ich selbst in dieser verzwackten Situation war – etwas weiter östlich und im Norden auf Bornholm. Da gingen Herrchen und Frauchen in die Ostsee. Weil sie „publau“ war, sagte Herrchen. Der ist da sonst eher zurückhaltend. Weisst Du, ich bin ein Stadthund, ursprünglich eine Griechin vom Festland, und als die Wellen den Sand unter meinen Pfoten wegspülten, war es mit meinem Mut nicht weit her. Knietief mit nassen Bauchzotteln konnte ich gerade noch verantworten. Mehr nicht – auch nicht nach 14 Tagen. Da bin ich Terrier-eigen. Mein Hütetrieb hat mich aber gut beschäftigt. Denn einfach im Schatten der Strandmupfel liegen zu bleiben, ging gar nicht, wenn meine komplette Familie in die unendlichen blauen Fluten springt. Wenn Du also mal genug von Cafe-Restaurant-Hotel-Hund-Testerin hast und Madame überreden kannst, dann ziehe sie mit der großen Blechbüchse nach Bornholm. Hier kann man Hund sein!!! Eis testen geht auch, und Bornholmer. So nennen die Lutscher hier die über Erlenholz geräucherten Heringe: Erst silber, dann gold. So hat Frauchen das Kapitel in ihrem Bornholm-Reiseführer genannt. Diesmal haben wir U_R_L_A_U_B gemacht! Bis bald, mal so von Hündin zu Hündin geschwänzelt und gewufft… freu mich auf meer von Dir Tonja vom Redaktionsbüro Schwartz aus Berlin (ach nee, und Frauchen hat nicht mal ein Foto von mir)

  3. Hallo liebe Tonja,

    freut mich sehr dich kennenzulernen, wenn auch so virtuell. Kann ich mir vorstellen, dass Bornholm eine tolle Insel ist, ich bin ja ein großer Dänemark-Fan, genau wie Madame!
    Leider war sie allein in Berlin, ist aber zum Glück eben zurückgekommen. Ich mag ja so ungenehmigte Abwesenheiten nicht! Du bestimmt auch nicht, oder? Am besten, das Rudel macht als zusammen. ;-)

    Freu mich, wieder von dir zu hören! Und wer weiß, vielleicht trifft man sich auch mal live!

    Einen Schmatzer von Julchen

  4. Ihr seid ja flotte Globetrotter. Uns hat’s ja auch grad nach Nordstrand verschlagen, Frauchen und Herrchen und diese Großen, die sie Kinder nennen, wollten sich treffen, weil’s immer schön gewesen sei.- Stimmt! Für uns ist das aber sehr aufregend, und weil wir wilde Gesellen seien, wie Frauchen sagt, vermisst sie was Eingezäuntes für uns am Strand, hier laufen die Schafe durch den Hundestrand und unten gibt’s vieeeele Vögel. Bestimmt seid ihr mit eurer Madame eun bisschen glücklicher erzogen, sagt sie, aber dann wandern wir eben das schöne Watt entlang, gefällt auch allen … Ein paar wilde Beller-Grüße von Fulehörn! Tekergö und Kalle

    1. Hallo Kalle & Tekergö!

      Also wenn man Madame und Monsieur so glauben mag, sind Janni und ich mindestens genauso wild, wenn nicht noch schlimmer! :-D Auf Nordstrand haben sie die Zäune wegen der Nebensaison schon weggeräumt. Warum fahrt ihr nicht mal nach St. Buddel (Madame meint gerade, ich soll St. Peter-Ording dazu sagen)? Dort gibt es jetzt zwei hübsche Auslaufgebiete für unsereins, siehe auch: https://meerblog.de/hundeauslaufgebiete-st-peter-ording-nordfriesland/ Da könnt ihr richtig rasen, buddeln, tanzen! Liebe Grüße, Julchen

  5. Jo, grade über’s Eidersperrwerk und jetzt durch den Windpark zurück in den Süden! Frauchen ist auch bisschen traurig; Kalle macht wieder sein Rennfahrerbiberle-Gesicht und ich schlafe. Frauchen (das ist einfach Herrchens Lieblingswort!) meint, es sei ein Glück, dass bei uns nur die Meesieurs und Madamen diese Blechdose fahren. Danke aber für den Tipp mit St Buddel (leider wollen meine Leute an der See immer nur wandern und nicht fahren!)

    Gut buddel!
    (Hier in Nordstrand haben wir sogar extra die Deiche verschont!)

    Tekergö mit Kalle

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