Comeback mit Frau Wu

Madame war eine Stadtpflanze, nach wie vor. Sie fand es lässig, mit mir an der einen und einem Pappbecher heißen Gesöffs in der anderen Hand herumzulaufen.

Wir waren in Tönning, was gemeinhin nicht als Stadt durchging. Aber egal. Für unsereins stellte sich in Städten immer das Problem des korrekten Kackens. In Lutscherkreisen nicht so das Thema, weil es spezielle Örtlichkeiten dafür gab.

Auch Jannimänner sahen sich nicht im Konflikt mit irgendwas, ignorierten Schilder mit durchgestrichenen Hunden in eindeutiger Position oder ähnliches. Das Schlumpfbäckchen platzierte sich strategisch günstig, wo der Lutschersteig übers Eck ging, und tat, wie sein Körper ihm befahl.

Ich hingegen machte mir einen Kopf. Ich kackte lieber frei und mittig – aus Tradition. Also ging ich auf der Straße in Stellung, was Madame et Monsieur nicht gerade Jubelrufe entlockte. „Du bist ein Pferd“, konstatierte Madame.

Zeit zu zweit mit Madame am Deich.

Ich guckte ihr in die süßen Augen. Was dachte sie denn? Dass mich meine Husumer Welpentage zwischen den Pferden auf der Fenne nicht geprägt hätten? Meine frühe Leidenschaft für wilde Rennen und Pferdeäpfel zum Dessert?

Bekanntlich waren Kindheitserfahrungen bis ins hohe Alter wirksam. Und man musste sie hegen und pflegen wie seinen Plüsch. Auch bei Monsieur schien vieles nachzuwirken. Oder trieb das Landleben seltsame Blüten?

Neuerdings fanden wir ihn auf einer Leiter wieder. Er pflückte Baumfrüchte und packte sie in Gläser. Vermutlich rechnete er mit einem harten Winter. Und bei jeder Abwesenheit von Madame zückte er den Pinsel und machte die Bude weißer.

Die Deichkönigin hat alles im Griff.

Jeder hatte so seine Art, mit der Situation fertig zu werden. Ich arbeitete an der Erziehung des Pummelschweins, am Ende sollte ein ansprechendes Produkt dabei herauskommen. Willfährig und nett. Er sollte nicht die Pfote gegen Gäste erheben, Madame nicht in den Hintern beißen und Monsieur nicht von der Leiter schubsen.

Schwieriger war, ihm diese Jammertour abzugewöhnen. Wähnte er sich einsam mitten in der Nacht, suchte er mich manchmal auf. Da mir die Nachtruhe heilig war, briet ich ihm eins über.

Meistens kam er nicht zu mir, sondern stellte sich direkt unter die Treppe und jammerte nach Madame et Monsieur. Dann kam der Tag, als Monsieur ihn morgens wegbrachte. Innerlich frohlockte ich, ließ mir aber nichts anmerken.

Janni mit Monsieur in den Dünen.

Endlich hatten sie also ein Einsehen und setzten das Monster vermutlich zurück auf Königinmuttis Schoß, die all ihre Pappenheimer abgöttisch liebte. Ich genoss den Tag mit Madame et Monsieur in vollen Zügen, wir gingen Shoppen und Kaffeetrinken in Husum.

Alle Lutscher liebten mich, und ich sie. Doch was war das? Der Dicke stand abends wieder auf der Matte. Himmelschafundmeer… mit einem Heiligenschein! Von allen Seiten wurde er gehätschelt, Janni-Mäuschen hier, Schlumpfbäckchen da. Es war zum Pferdeäpfelpürieren!

Natürlich stieß er mit dem Helm überall an, und ich flippte jedes Mal aus, wenn er mir in die Quere kam. Es hätte doch alles so schön sein können! Stattdessen quälte er mich, Tag für Tag. Mit ungebrochenem Appetit lechzte er nach meinem Frühstück.

Endlich wieder in St. Buddel!

Aber wenigstens war das Rudel zusammen. Madame und ich stahlen uns schöne Momente allein am Deich, und ich lebte wieder auf. Wer brauchte schon ein erziehungsresistentes Pummelschwein am Rockzipfel?

Manchmal spazierten wir über den Hausdeich, ich durfte mich frei bewegen, Janni natürlich nicht. Dann nutzte ich die Gelegenheit, meinen neuen Freund, den Hasen, zu daten. Unser Erkennungszeichen: der Hasenhüpfer.

Leider kam es zu Missverständnissen, und der Hase haute ab. Ich wartete ein bisschen vor seiner Haustür, doch Madame zog weiter. Anderntags trafen wir einen netten Bauernlutscher auf dem Fahrrad, und Jannino überraschte mich. Gegen seine Überzeugung wollte er ihn nicht vom Rad ziehen. Halleluja, das Pummelschwein blieb locker.

Alle Pfoten voll zu tun: Das Pummelschwein ist zurück.

Ich behielt die Situation im Auge. Auf dem Rückweg checkte ich blitzschnell, dass der Ackerlutscher sich auf die Fenne begeben hatte. Er schuftete dort, umzingelt von neugierigem Rindvieh. Das ging natürlich gar nicht.

Also zögerte ich keine Sekunde, nutzte einen schmalen Spalt am Tor, den er vermutlich für genau diesen Zweck aufgelassen hatte, und fegte wie der Blitz über die Wiese. Die Jungbullen, die impertinenten, sollten gefälligst das Weite suchen. Ok, da war ein Graben zwischen ihnen und dem Bauern.

Aber man konnte nie wissen. Der Lutscher arbeitete ungerührt weiter, Madame war verschwunden. Da hier anscheinend niemand meine Arbeit zu würdigen wusste, suchte und fand ich mein Rudel. Madame mit strenger Miene, not amused. Trotz allem, tief in mir drin spürte ich es. Ein wohliges Gefühl der Zufriedenheit.

Janni und Frau Wu, ein chinesisches Eichhörnchen.

Als sich der Dicke endlich wieder von seinem Helm trennte, hatte ich das Gefühl, erziehungstechnisch bei Null anzufangen. Er roch anders, wirkte aber immer noch aufsässig und tolpatschig. Und dafür schenkten sie ihm auch noch ein chinesisches Eichhörnchen namens Frau Wu? Ja, Himmelschafundmeer!

Ich musste raus. Weg. Dringend. Endlich stürmten wir über die Weiten von St. Buddel – wie hatte ich es vermisst! Unser Spiel war wild, wüst und laut, ich brauchte das wie nie zuvor. Irgendwie freute ich mich, dass Janni mir wieder hundertprozentig zur Verfügung stand. Das dicke Monster mit seiner Frau Wu.

Text: Julchen (nach Diktat im Telefonbuch nach Ganztagsschulen für Schlumpfbacken gesucht)

Fotos: Elke Weiler

8 thoughts on “Comeback mit Frau Wu

  1. Super, Maddy! Meinen herzlichsten Glückwunsch!
    Das muss ich mir gleich mal anschauen. Welchen Verlag hast du denn?
    Ich bin auch schon ganz aufgeregt deswegen…
    Bussi,
    Julchen

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