Ein Gefühl von Freiheit

Ich quietschte vor Freude. Wenn urplötzlich der eigene Bruder vor der Tür stand, war das wie Frühling im Kindergarten der Wollknäuel. Also hüpfte und sprang ich wie ein Lämmchen auf und ab.

Ich wollte Mogli ganz für mich allein. Sollte Janni, der wuchtbrummige Knurrhase, doch das Haus sichern! Wie ich mal wieder feststellte, hatten der kleine Pupser und ich völlig unterschiedliche Auffassungen von Gastfreundschaft. Folglich quiekte ich weiter und zog mein Bruderherz ab – weg aus der Gefahrenzone, hinein in mein Outdoorreich.

Derweil bewirtete Janni die Lutscher mit Kaffee und Kuchen, bespaßte und knutschte Onkel Big. Der klassische Fall von Aufgabenteilung. Und die perfekte Gelegenheit, Mogli in aller Ruhe mein Leid zu klagen. Wie einem der kleine Saubraten doch manchmal auf die Nougatnase gehen konnte! Mein Bruder wäre nicht mein Bruder, hätte er sich meine Worte nicht zu Herzen genommen.

Als wir den Deich stürmten, faltete er Janni erst mal nach allen Regeln der Kunst zusammen. Vermutlich war auch ein Fünkchen Rache im Spiel, die Retourkutsche für Jannis Unfreundlichkeiten im Haus. So überließ ich die Kerle ihren Männerproblemen und ging auf Station. Die Deichkrone war meine, der Wind fegte mir um die Plüschohren und von weitem drang der Rüdenlärm zu mir hoch.

Hund auf der Fähre
Wer? Ich?

Seehund an Bord

Am Ende schienen sich die beiden zusammengerauft zu haben und fegten durch den Schnee, der in weißen Wolken zerstob. Zeit für meinen Einsatz: Ich gesellte mich zu ihnen, tanzte den Vorderpfotentaps mit Janni. Wenigstens das konnte er.

Onkel Bigs und Moglis Blechhöle roch verdächtig nach Urlaub, also hüpfte ich schnell hinein. Doch Madame hatte andere Pläne für uns, und schneller als ich dachte, erfüllte sich mein Traum vom Inselglück. Ich spürte es, ich roch es. Dieses Gefühl von Freiheit, Weite und Meer.

Am nächsten Morgen stürmte ich Strucklahnungshörn und wählte intuitiv das richtige Schiff aus. Wir ließen die guten alten Zeiten aufleben, nur ich und meine Süßen. Janni saß schmollend in der Blechhöhle.

Wo ist der Koffer?

Während Monsieur sich wieder verabschiedete, lagen mir die Lutscher auf Schritt und Tritt zu Pfoten. Schon der Fahrkartenverkäufer in seinem einsamen Häuschen wollte begrüßt und geknutscht werden.

An Bord ging es dann lustig weiter. Der Kapitän wollte wissen, ob ich ein Seehund war. „Wir Beardies sind flexibel“, zwinkerte ich ihm zu. Ich lernte die niedliche Rebekka kennen, die im Fünf-Minuten-Takt bei uns vorbeischaute. Sowie das sympathische Rudel einer anderen Jule, die leider nicht dabei war. Immerhin hatten ihre Lutscher exquisite Leckerlis in der Tasche.

Land in Sicht
Land in Sicht

Vorm Aussteigen inspizierte ich mit der mir eigenen Gründlichkeit das Kofferdepot und schlug Madame vor, ihren eigenen Koffer mitzunehmen. Andere waren zwar größer, doch nur in Madames roch ich mein Bio-Dinner. Rindergulasch. Von glücklichen Kühen.

In der Zielgeraden

Eine aufmerksame Halliglutscherin identifizierte mich als als Blogging Julchen. „Wenn du soweit bist, dass sie dich erkennen, hast du es geschafft!“, dachte ich bei mir. Doch dann stellte sich heraus, dass es sich um Kollegin Jennifer handelte, die über das wilde Halligleben auf Hooge bloggte.

Als ausgewiesene Naturfreundin und Kennerin sämtlicher Piepmatzsorten trug sie ein Profi-Guckglas um den Hals. Wir hatten dasselbe Ziel. Endlich Amrum, Natur pur und viel Sand! Ich wollte testen, ob die Gegebenheiten mit denen meines geliebten St. Buddels vergleichbar waren. Die Qualität des Sandkorns.

Hotelhund Chilli
Chilli chillt.

Ein freundlicher Fahrlutscher lud das Gepäck, Madame und mich in eine Komfort-Blechhöhle mit bestem Rundblick. Ich fühlte mich gleich wie zu Hause und bot meine Dienste an. Pflichtbewusst meinte ich, dem guten Mann ein wenig unter die Arme greifen zu müssen. Fahrradlutscher behinderten den Verkehrsfluss, und ich erteilte lautstarke Verweise. Lachte der Chauffeur über mich?

Der Hotelhund

Im Lutscherferienhaus „Seeblick“ lernte ich die lässige Berner Sennerin Chilli kennen. Es war nicht einfach, mit der Hotelhündin ins Gespräch zu kommen, doch schließlich plauderte sie ein wenig aus der Keksdose.

Amrum kulinarisch. Ich notierte: Früher hatte sie sich ihr tägliches Hörnchen an der Eisdiele gegenüber abgeholt. Leider wechselte der Italo-Lutscher irgendwann, und nun war Chilli auf Diät. Wollte sie sich deswegen nicht mit mir fotografieren lassen? Sie chillte lieber.

Nix wie an den Strand!
Nix wie an den Strand!

Ich brauchte mir um die optimale Beach-Figur keine Sorgen zu machen und freute mich über das Willkommens-Würstchen im Zimmer, eine kleine Aufmerksamkeit des Hauses. Ja, ich hatte hier sogar mein eigene Ecke, ausgestattet mit Näpfen und Kuscheldecke. Wasser stand ebenfalls parat, und nach der ganzen Verkehrregelei hatte ich Durst.

Es fegt der Ostwind

Überall begrüßte man mich wie eine alte Bekannte, egal ob Zimmer-, Rezeptionslutscherin oder Chillis Madame. Sogar ins Restaurant sollte ich mitkommen, doch Madame wollte natürlich wieder alles allein futtern, was die Kochlutscher so an Leckereien für sie kreierten. Himmelschafundmeer!

In Entdeckerlaune
In Entdeckerlaune

Als ich endlich meine Pfoten auf den berühmten Amrumer Kniepsand setzen konnte, fegte der Ostwind uns in Richtung Meer. Auf dem Rückwind peitschte er mir die feinen Körner um die Schnauze, und ich suchte Schutz in Madames Windschatten.

Doch als ich sah, dass die freche Fegeluft einem kleinen Mädchen den Handschuh geklaut hatte, griff ich unverzüglich ein und beteiligte mich an der Rettungsaktion. Ihre Mama, sie und ich wurden Freunde fürs Leben. Immer wieder lief ich zu ihnen und bellte ihnen aufmunternd zu: „Passt gut auf eure Pfotenwärmer auf!“

Die Kaninchen sind los

Zurück im Hotel hatte ich mir ein bisschen Wellness verdient, doch Madame ging allein zur Massage. Wenigstens kraulte sie mich ausführlich, als sie zurückkam. Derweil hatte ich unsere Hotelhöhle nach allen Regeln der Kunst gehütet: Sie befand sich quasi im Originalzustand, und Madame schien hochzufrieden.

Im Naturschutzgebiet
Im Naturschutzgebiet

Aber am nächsten Morgen war der Teufel los im beschaulichen Norddorf. Genauer gesagt: die Kaninchen! Wir trabten zum Naturschutzgebiet in den Dünen, als ich die ersten Osterhasen herumflitzen sah. „Ihr seid zu früh“, schrie ich ihnen hinterher. Immer wieder. Madame meinte, ich hätte nun auch den letzten Langschläfer im Ort geweckt.

Abgesehen von den Nageflitzern schien die Insel ein wahres Paradies für Piepmätze zu sein, doch Madame verbat sich genauere Recherchen meinerseits. So konnte ich nicht arbeiten! Den ganzen Weg zur Aussichtsdüne an der Leine? Ein echter Beschiss!

Missing Janni

Trotzdem, dieses Amrum war eine Wucht. Egal, ob in den Dünen, im Hotel oder am Strand. Ich genoss die Zeit an Madames Seite in vollen Zügen. Und das Tolle am Reisen war: Man traf lauter nette Lutscher. Titis, die sich nach mir umdrehten und in mir einen „niedlichen Teddy“ sahen. Mit Schleife. Erwachsene Zweibeiner, die meine Augen bewunderten oder mich schlichtweg schön fanden.

Zurück in Schobüll
Zurück in Schobüll

Und da war noch etwas. Nach der Rückkehr schmiss ich gemeinsam mit Janni eine Party. Wie die Irren tobten wir durch den letzten Schnee im guten alten Schobüll. Erinnerungen an meine glückliche Welpenzeit in und um Husum wurden wach. Und ich merkte, wie wunderbar es war, mit dem kleinen Pupser spielen zu können.

Vermutlich hatte ich ihn vermisst, ohne es zu merken. Jetzt war die Freude umso größer, und ich wälzte mich in einem fort. Endlich wusste ich, was das Pummelschwein mir bedeutete. Ich liebte ihn. So ein Kurzurlaub konnte wahre Wunder bewirken.

Wann fahren wir wieder nach Amrum?

Text: Julchen (nach Diktat den nächsten Recherchetrip geplant. Mal etwas weiter vielleicht. Grönland?)

Fotos: Elke Weiler

Mit Dank an das Genuss & Spa Resort Seeblick auf Amrum, das zu Höhle und Wurst eingeladen hat.

17 thoughts on “Ein Gefühl von Freiheit

  1. Das hast Du mal wieder ganz toll geschrieben, Schwesterherz! Ich könnte auf der Stelle kehrt machen und wieder zu Euch an die Nordsee kommen :)
    Amrum gemeinsam rocken – ein Traum! Vielleicht sogar mit Janni und Balou?
    Bis dahin, halt die Nase schön am Wind – wir sind in Gedanken bei Euch und freuen uns über jede neue Geschichte ♥
    Wuff, Dein Mogli

    1. Danke, lieber Bruder!

      Ich glaube, Janni und Balou und dir würde es auch super gefallen dort! Ganz abgesehen von unseren Lutschern. Habe von Emma, einer sympathischen Hamburger Beardine, erfahren, dass sich die Beardie-Rudel vor allem Silvester immer dort treffen! Überlege gerade, ein Basislager auf Amrum aufzuschlagen. Monsieur will auch. ;-)

      Dein Julchen

      P.S.: Knutschis an alle!

  2. Beardie eben … sogar als Kolumnistin immer mitten drin. Was für eine tolle Geschichte und wieder tolle Fotos … Beardie Liebe pur. Danke Elke!
    Liebe Grüsse sendet Daniela

  3. Toll Julchen, ich bin ganz begeistert von deinem super Bericht (und deinem süßen blauen Schleifchen im Haar). Dein Frauchen hat übrigens wunderschöne Fotos von euch gemacht, wow! Vielleicht sehen wir beide uns ja auch in Hamburg? Ich würde mich freuen :-) LG Martina

    1. Danke dir, liebe Martina!!!

      Ich fürchte, Madame will allein nach Hamburg fahren. Ehrlich gesagt bin ich nicht so der Typ für die City. Brauche Sand unter der Pfoten, und die Höllenmaschinen regen mich so auf. Aber vielleicht lernen wir uns bei einer anderen Gelegenheit kennen? Ich zeige dir gerne mein St. Buddel!

      Dein Julchen

  4. Julchen, du bist nicht nur zuckersüß, sondern auch eine talentierte Texterin! Ein wunderbar charmanter Post, der mich mehrfach schmunzeln ließ!

    Liebe Grüße
    Jessi

    1. Danke für alles!! Wir hatten wirklich eine schöne Zeit, und Julchen würde am liebsten gleich wieder den Koffer packen… Wenn wir mal wieder auf der Insel sind, schauen wir vorbei! Liebe Grüße und schöne Ostertage an Chilli und die Seeblicker!!! :-)

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