James Bond auf den Fersen

Die Rennpappen

Alles gut. Ich sitze drin, der Motor läuft. Und … es bewegt sich! Je öfter ich schalte, desto mehr gewöhne ich mich an die Ganglagen des neuen Gefährts. Dann aber munter drauf los: Geschwindigkeitsrausch bei 40 km/h. Nota bene: Bloß nicht zu früh zu schalten, nicht vor dem rassigen Aufbrausen des Zweitakters!

Wir düsen im Konvoi durch den „wilden“ Osten Berlins – die erste Trabi-Safari meines Lebens. Vor mir im beigen Kombi gibt Stadtführerin Simone ihr Wissen zum Besten. Über Funk redet sie gegen die Motoren- und Verkehrsumgebung an.

Mir dicht auf den Fersen ist „the James-Bond-Car“, eine silbergraue Rennpappe, bestückt mit einem englischsprachigen Männerduo. Ein paar Mal hänge ich die Bond-Männer an der Ampel ab.

Grün passt zum Trabi.

Doch Simone hat alles im Griff, Trabi, Funkgerät, Verkehr und die Koordination unserer Mini-Kolonne. Wie sie das macht, mit nur zwei Augen und zwei Händen, ist mir ein Rätsel. Mein grasgrüner Begleiter der Stunde macht mir schon genug Probleme. Beziehungsweise ich ihm.

Pappfrosch abgewürgt!

An die butterweiche Automatik eines geräuschlosen Hybrids gewöhnt, der schon auf geringste Gaspedalbewegungen reagiert, würge ich den Pappfrosch natürlicherweise ab, vorzugsweise beim Anfahren. Auf die Stadterklärungen kann ich mich schwer konzentrieren, denn Mister Trabi hält mich in Atem.

Oder sagen wir besser: Er nimmt mir davon. Eingehüllt in Schwaden eines selbstgebrauten Benzin-Ölgemischs, kurbel‘ ich eifrig am Fenster. Doch was von der Berliner Verkehrsluft nach innen dringt, macht die Sache nicht frischer.

Der Lärm, der Geruch, das Ruckeln… Unaufhaltsam steigt die Erinnerung hoch, und als ehemals passionierte Entenfahrerin erlebe ich sie doch: wahre Momente des Glücks. Wie das? Ja, es gibt viele Unterschiede. Der Trabi kann nicht so entspannend schaukeln wie ein gut gefederter „Döschwo“, er kann sich nicht so traumwandlerisch sicher in die Kurven legen.

Trabi auf Touren

Doch die raffinierte Krückstockschaltung dieses Froschautos erinnert schon stark an die Revolverschaltung des ebenfalls guten alten 2CV. Und der Trabi kommt schnell auf Touren, ganz so wie einst meine rote „Valentina“.

Innenleben im Trabi

Hier und dort lässt der Frosch ein Geräusch vernehmen, eine gewisse Besorgnis darüber kann ich schwer unterdrücken. Fällt etwas vom Stahlblechgerippe ab? So mitten in der schönsten Fahrt? Gar ein Auspuff? Unbegründet! Währenddessen klärt uns Simone fachmännisch auf – nicht nur über die Architektur der ehemaligen DDR auf, sondern auch über die Eigenarten unserer fahrenden Untersätze.

Die Plastikkarosserie hat durchaus ihre Vorteile: Sie ist gute 600 Kilogramm leicht und flott zu kleben. Es windet ein wenig über den Alexanderplatz, was wir im Pappkameraden massiv zu spüren kriegen. Doch diese enge Bindung zwischen innen und außen lässt mich wieder an meine „Valentina“ zurückdenken.

Jeder hat seine Macken

Warum nicht auch den „Victory“-Gruß unter Trabifahrern einrichten? Oder eine Art Trabi-Vorfahrt aus Respekt vor dem Liebhaberauto? Heute nicht nötig, denn der Streik der Bahner ist vorbei und der Berliner Verkehr hält sich zwischen 10 und 11 Uhr in Maßen.

Ab und an drängelt sich etwas Glattdesigntes zwischen meinen Plastikfrosch und „the James-Bond-Car“ und zerstört das kleine Konvoi-Feeling, dieses Zusammen-sind-wir-stark. Jene Einheit aus lauter Individuen, wie Simone liebevoll die einzelnen Hauptdarsteller des Unternehmens nennt: „Jeder hat seine Macken.“

So sitzt man im Trabi.

Und wer braucht schon eine Tankanzeige? Schließlich hat der Trabi ja einen Reservehahn. Und wenn das Futter mal knapp wird, sollten die letzten Liter bis zur nächsten Tankstelle reichen. Insofern diese überhaupt noch das passende Gemisch anbietet.

Trabi-Diplom

Durch die Berliner Umweltzone düsen die Trabis mit Sondergenehmigung, da sie nicht nachrüstbar sind, und die originelle Trabi-Safari ihre Dienste anderweitig komplett einstellen müsste. Was ein großer Verlust nicht nur für die Touristen wäre.

Simone liebt ihre Trabi-Arbeit und händigt nach einer Stunde mit viel „Römtömtöm“ und blauem Dunst die frisch erworbenen Trabi-Führerscheine an stolz strahlende Fahrer aus.

Es gab auch schon Extremfälle wie ein englisches Ehepaar: Nach der neuen Fahrerfahrung war man dermaßen begeistert, dass sich die beiden selber einen Trabi zugelegt haben. Ich kann das verstehen, die Sehnsucht nach meinem alten 2CV brennt wieder.

Und die Sonne scheint am Checkpoint Charlie, wo sich Touristen aller Nationen mit falschen Grenzbeamten fotografieren lassen. Ich dagegen halte meinen Trabi-Führerschein mit Sandmännchen-Foto in der Hand und lächele. Satt, von innen heraus.

Berlin im Zweitakter – was für eine Dynamik!

Text und Fotos: Elke Weiler

2 thoughts on “James Bond auf den Fersen

  1. Hi Elke
    klasse beschrieben. Trabifahren ist immer ein Erlebnis. Wer damit in den Urlaub gefahren ist, war gut beraten einen Anlasser und eine Lichtmaschine im Gepäck zu haben, natürlich nebst Werkzeugausrüstung. Ansonsten war der Trabi ein unverwüstliches Fahrzeug.
    Viele Grüße
    Peter

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert