Piepmätze im Tiefflug

Gab es Gerechtigkeit auf der Welt? Wieso hatte Bloggerkollege Luis einen Praktikanten und ich nicht?

Die beiden Plüschwänste brüteten gerade über einem Buch – das Ganze lief unter dem Titel „Einarbeitung“ – als ich kurz „mitarbeitete“. Und diesen Neuen bat, mich mal zu begleiten. Angeblich kam er aus Peru.

Aus reiner Höflichkeit, so vermute ich, sagte Pablito nicht Nein, als ich seinen Bauch zwischen die Beißerchen klemmte. Wenn ich schon keinen eigenen Praktikanten bekam, musste ich dieses rare Exemplar halt ausleihen.

Das putzige Bärchen mit der Wollmütze sollte schließlich die raue Wirklichkeit im Norden kennenlernen. Von wegen Bücher lesen! Besser, wenn Pablito gleich am eigenen Leib zu spüren bekam, wie sich das pralle Leben am Meer ausnahm.

Ich würde ihm die Deiche, die impertinenten Wollknäuel und Piepmätze, die ewige Wüste und das kapriziöse Meer zeigen – wenn sich Pablito nicht allzu blöd anstellte. Danach konnte er selber entscheiden, ob er weiter mit dem Rastaschaf im Büro langweilige Bücher wälzen wollte!

Auch bei meinen Produzenten, den Rennplüschen, standen Veränderungen an. Sie zogen in eine neue Komfortwohnung auf Stelzen. Ähnlich der Pfahlbauten in St. Buddel und in der Ordinger Wüste.

In diesem Zusammenhang fragte ich mich: Hatten Meerschweinchen generell Angst vor Überschwemmung? Sie galten als extrem wasserscheu, doch bis zu uns kam das Meer normalerweise nicht. Nur vor unendlich vielen Monden, bei einer Sturmflut, hatte sich das Wasser auch einmal auf unserer schönen Halbinsel ausgebreitet.

Schau' Pablito: So macht man eine Siesta!

So war es mir jedenfalls zu Plüschohren gekommen: Die Wollknäuel von der Occupy-Bewegung hatten es von ihren Urahnen erfahren. Viele von ihnen waren damals in die ewigen Jagdgründe gesegelt.

Ich überlegte. Aus meiner Sicht schadete es absolut nicht, wenn man, wenigstens hier und da, das Meer vernünftig anbellte und in seine Schranken verwies.

Der Frühling war da, und bei 14 Grad plus kam ich beim Managen des Verkehrs ziemlich schnell aus der Puste. Dann lief mir auch noch Mats zwischen die Pfoten! Mister Kater hatte als schlaksiger Teenager vor allem eins im Sinn: Fresserchen. Doch auf die Idee, sich draußen etwas zu jagen, kam die verwöhnte Samtpfote im Leben nicht!

Wenn ich mich recht erinnerte, war er zwecks Mäusevertreibens eingestellt worden. Seine Bilanz nahm sich verdammt mager aus: Lediglich eine Motte hatte er bislang im Haus erledigt und vertilgt. Himmelschafundmeer! Wenn ich da nur an meine Welpenzeit dachte und die ganzen Fliegen, die ich im letzten Sommer …

Mal wieder mussten wir Madame am Bahnhof abholen, und ich sprang und hüpfte und knutschte in einem fort. Vor lauter Wiedersehensfreude! Am liebsten hätte ich alle aussteigenden Lutscher und die ganze Welt umarmt, doch Madame hatte einen gewissen Vorrang.

Am nächsten Tag lag ich ihr und Monsieur wegen der Wildgänse-Exkursion im Katinger Watt in den Ohren. Das Einzelhund-Dasein hatte gewisse Vorteile: So mussten die beiden nicht noch tausend andere Wünsche erfüllen.

Darf ich mit den Wildgänsen spielen? Nur ein bisschen?

In der Nähe der Eidermündung liefen wir über einen Deich, rechts und links zuckersüße Lämmchen und ihre Muttertiere. Mir fiel unangenehm auf, dass die Wollknäuel mich nicht die Bohne leiden mochten.

Warum nur wollten die Lämmer nicht spielen? Im Schafkindergarten ging es doch so lustig zu. Als ich die Schafe in gesittetem Ton darauf ansprach, suchten sie sofort das Weite. Wie sollte ich unter diesen extremen Bedingungen jemals Lammkönigin der Herzen werden?

Als ziemlicher Beschiss entpuppten sich auch die Wildgänse. Für meinen Geschmack waren die Vogelviecher zu weit weg und zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Auch schnackten sie zu viel. Rotzfrech düsten einige im Tiefflug über unsere Köpfe hinweg.

Zu Hunderten rasteten sie an den Teichen auf den Fennen. Was für eine Massenveranstaltung! Fast wie beim Husumer Krokusblütenfest, wo die Lutscher leckere Würstchen und andere Spezialitäten verkimmelten und währenddessen den lila Teppich vor dem Schloss bewunderten.

Auf einer vogelfreien Fenne hoppelten sogar zwei Hasen vergnügt in der Frühlingssonne. Ausnahmsweise ließ ich sie in Ruhe, schließlich befanden sie sich ja nicht auf meinem Hoheitsgebiet. Und ich war überrascht. Die beiden hatten vermutlich erst kürzlich einen Kurs in Standardtänzen belegt – wie Emil und ich.

Julchen wartet am Everschop: Emil, wo bist du?

Apropos mein Verlobter! Wann würde ich ihn wiedersehen? Seitdem die Occupy-Bewegung unseren Everschopsiel besetzt hatte, und der Platz vom romantischen zum politischen mutiert war, wartete ich vergeblich auf meinen Schatz.

Lediglich unsere gemeinsamen Bekannten Paddy und Terry traf man dort. Aber sie hatten auch keine Ahnung, wo sich Emil herumtrieb, und interessierten sich nur für Monsieurs Leckerlies.

Emil, wenn du das hier liest, gib‘ mir ein Zeichen! Ich mache mich sofort auf den Weg! Und keine Sorge: Ich will gar nicht heiraten! Aber wir müssen dringend tanzen.

Text: Julchen (nach Diktat vor dem Telefon Stellung bezogen)
Fotos: Elke Weiler

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