Die Jagd nach dem Polarlicht

Jón Baldur, unser isländischer Begleiter, verkündet es geradezu feierlich: So ein Spektakel sei nur selten angekündigt wurden. Der Himmel ist klar, die Sonne fast untergegangen. Jetzt müssen wir nur noch warten. Gerd, der Fotograf, kann sein Abendessen in Langaholt gar nicht genießen, nervös rennt er zwischen draußen und drinnen hin und her. Die Jagd nach dem Polarlicht hat begonnen.

Ich weiß, dass es viele Besucher vor allem deswegen im Winter nach Island zieht: einmal im Leben die Nordlichter zu sehen. Ich weiß, dass dieses Lichtspektakel am Himmel auf den Fotos meist schillernd türkisgrün aussieht, gemischt mit weißen und roten bis lilafarbenen Schlieren. Mehr weiß ich nicht.

Langaholt vor Einbruch der Nacht
Langaholt vor Einbruch der Nacht

Doch die Kollegin Ingrid aus München klärt mich auf: Um einen Sonnensturm handele es sich bei der Aurora borealis. Dabei würden geladene Teilchen ins Weltall geschleudert. Normalerweise ist das dabei entstehende Lichtspektakel von Alaska bis Finnland zu sehen, doch dieses Mal ist der Sonnensturm besonders intensiv – sogar bis Österreich sollen sich die Auswirkungen zeigen.

Wir sind im Westen von Island auf der Halbinsel Snæfellsnes, und heute Nacht soll es passieren. Ich werde Polarlichter live erleben. Wir stellen uns also unter den isländischen Sternenhimmel, die ersten hellen Lichtstreifen sind schon über dem Horizont zu erkennen.

Am Strand von Langaholt
Wir wohnen am Meer.

Aber das war’s erst einmal, keine Spur vom grünblauen Mega-Event. Also setzen wir uns gemütlich zurück an den Tisch und lassen uns von den Fischgerichten des Kochs Keli einnehmen, der mit seinem schwarzen Hut wie ein Zauberer in der Küche agiert. Fast hätte ich die Polarlichter vergessen, wäre nicht Gerd, der Fotograf, ab und an aufgetaucht.

Halb erfroren vom Warten und Fotografieren in der nächtlichen Kälte. Nur, um kurz den nächsten Gang zu vertilgen und sich dann wieder auf die Lauer zu legen. Richtig zufrieden wirkt er bislang nicht. Etwas Farbe fehlt.

Als ich zu Bett gehe, habe ich die Vorhänge weit aufgezogen und werde unterm Sternenhimmel einschlafen. Schön ist das, denke ich noch. Islands exotische Landschaft ist sein eigentlicher Schatz, diese Wildheit der Natur, diese Lebhaftigkeit. Und wenn ich die Polarlichter dieses Mal trotz bester Prognose nicht sehe, dann eben beim nächsten Besuch.

Foto oder Realität – was ist schöner?
Foto oder Realität – was ist schöner?

Sehr nordisch gedacht, die Nordfriesen mit ihrem Spruch „Dann ist es eben so“ üben schließlich seit fünf Jahren Einfluss auf mich aus. Das bleibt nicht ohne Spuren. Und doch kann ich nicht einschlafen. Irgendwann um Mitternacht herum, ich sehe nachts nie auf die Uhr, muss ich staunen.

Die Nordlichter tanzen am Himmel, ein wahrer Lichtregen zeigt sich am Himmelszelt. Als würden die Sterne nicht reichen, präsentiert sich eine Illumination, die ihre Choreografie alle paar Sekunden wechselt. Helle Lichtduschen, die von oben regnen. Ellipsen, schwebend wie eine Art Himmelsarena. Ein göttliches Spektakel, ganz große Kunst. Nie war der Himmel so plastisch.

Die große Lightshow
Die große Lightshow

Ein Wunder, wunderbar, doch eindeutig einfarbig. Hell und strahlend schön. Das Türkis mag sich anderswo zeigen, wenn überhaupt. Ich zücke die Kamera, zweifelnd, ob ich diese Plastizität überhaupt einfangen kann. Mein Stativ habe ich zu Hause vergessen, doch immerhin kann ich den Apparat auf die Fensterbank legen und am hervorspringenden Rahmen leicht nach oben ausrichten.

Ich teste die Funktion Nachtaufnahme meiner relativ neuen Kamera, weil alles andere noch kein beglückendes Ergebnis gebracht hat. Und jetzt wird es interessant. Meine Kamera macht mehrere Langzeitaufnahmen hintereinander, rechnet die Ergebnisse zusammen und macht das ganze Spektakel sichtbar. In Bunt.

Jenes Grün, das für das menschliche Auge scheinbar kaum erkennbar ist. Das Rot, das Lila. Natürlich kann die Kamera die Dreidimensionalität des Geschehens nicht wiedergeben, die muss in meiner Erinnerung bleiben.

Jede Sekunde ein anderes Bild.
Jede Sekunde wechselt das Bild.

Ich staune also zwei Mal: zuerst über die Bewegung am Himmel, die ich selber sehe, und dann über die bunte Lightshow, die das Kameraauge wiedergibt. Es ist der helle Wahnsinn. Am nächsten Tag werden meine Aufnahmen bewundert, und ich lasse mir von den Isländern versichern, dass diese Diskrepanz zwischen menschlichem Auge und Kamera normal ist.

Ich mag die Energie, die tanzenden Teilchen am Himmel und möchte das Alles am liebsten gar nicht physikalisch aufdröseln. Ich möchte auch nicht wissen, warum die Kamera so viel Farbe aus dem Weiß zaubert, während sie normalerweise recht farbgetreu arbeitet. Zweifach beschenkt, freue ich mich auch doppelt. Wie ein Kind.

Allein die Sonne weiß Bescheid, und ich habe in Island wirklich Schwein gehabt. Aber das ist eine andere Geschichte…

Text und Fotos: Elke Weiler

Mit Dank an die Veranstalter Isafold Travel, Icelandic Farm Holidays, Elding und Icelandair, die diese Reise ermöglicht haben.

28 thoughts on “Die Jagd nach dem Polarlicht

  1. Ich würde zu gerne einmal ein Polarlicht sehen. Das stelle ich mir wunderschön und magisch vor. Allein die Bilder sind schon der Wahnsinn. Atemberaubend. :)

    Lg aus Olang

  2. Hi hi, ja, Schwein gehabt! Es geistert ja so einiges durchs Netz, was die Lichter betrifft : ) Es ist halt ein Naturphänomen, dass niemals gleich ist. Inzwischen habe ich zehn-, zwölfmal Nordlichter gesehen, wobei Formen, Farben und INTENSITÄT – und die ist es letztendlich, die das Sehen mit dem bloßen Auge ermöglich oder eben nur mit der Kamera – immer völlig verschieden waren. Am 27. Februar 2014 gab es ein ähnlich intensives Lichtspektakel über Island wie unlängst im März. Und jeder konnte mehrfarbige Coronas mit bloßem Auge erkennen. Ein paar Bilder gibt es davon in meinem allerersten Blogpost über Nordlichter. Und dann kommt es natürlich darauf an, ob man wirklich in absoluter Dunkelheit ist oder ob es in der Nähe andere Lichtquellen gibt, zum Beispiel beleuchtete Häuser : ) Nicht zu vergessen die Rot-Grün-Sehschwäche… Arme Nordlichter, werden von so vielen zu Unrecht auf Grau reduziert : ) Ich finde sie immer schön – und ja, du hast wirklich Schwein gehabt! Sonnige Grüße, Jutta

    1. So oft, du Glückliche!!! :-) Ja, da hast du recht, wobei die Intensität dieses Mal hätte ausreichen sollen, auch bei einer kleineren Lichtquelle links unten, oder? Angeblich war es die höchste Intensität seit 10 Jahren! Egal, mir haben die tanzenden Lichter auch in Weiß sehr gut gefallen. Und so plastisch wie sie am Himmel leuchten, kriegt das keine Kamera hin. Eigentlich ist es schön, ein zweifaches Erlebnis zu haben. Einige der Kollegen meinten ja auch einen blassen Grünschimmer zu erkennen. :-) Ich freue mich jedenfalls schon auf den nächsten Island-Besuch – mit oder ohne Lightshow! Liebe Grüße zurück!!!

      1. Bei meiner allerersten Nordlicht-Jagd (eine organisierte Tour) gab es nur einen weißen Schimmer am Himmel. Das Licht war schwach, niemand wusste, wonach er Ausschau halten sollte. Lediglich eine Italienerin, die mit ihrer Kamera umzugehen wusste, hat damals einen schönen grünen Schimmer eingefangen (übrigens waren die Lichter in jener Nacht an anderer Stelle durchaus stärker, unsere „Tour“ hat uns an keine geeignete Stelle geführt). Der Rest der Gruppe war frustriert. Die Crux ist doch: Wenige machen sich klar, dass es eine Laune der Natur ist. Einen Garant für leuchtende Farben gibt es nicht. Trotzdem ist es auch nicht so, dass die Lichter mit bloßem Auge GAR NICHT erkennbar und alle Fotos, die man sieht, MASSIV aufgehübscht wären. Es gibt eben soviel zwischen Schwarz und Weiß oder eben Grün und Rot : ) Ja, intensiv genug war es in „deiner Nordlichtnacht“ sicher, aber da sind wir dann alle nur Mensch und jeder nimmt anders wahr. Ich finde es übrigens genauso schön, den „Beweis“ auf einem Foto zu haben. Wenn wir fließendes Wasser im Foto in einzelne Tropfen auflösen, machen wir auch nur das sichtbar, was unser Auge nicht leisten kann. Und wir bewundern das Ergebnis trotzdem, nicht wahr? Und jetzt bin ich gespannt auf die Story mit dem Schweinchen! LG, Jutta

        1. Das ist absolut richtig, liebe Jutta! Aber es ist auch nicht verkehrt, dazu zu sagen, dass die Lichter für das menschliche Auge meist nicht so grün bzw. farbig zu sehen sind. Sonst geht der geneigte Leser mit einer übertriebenen Erwartung auf Polarlicht-Jagd. :-) Es ist ein Geschenk, so wie ein toller Sternenhimmel oder eine Waffel am Nachmittag (so weit ist es mit mir schon gekommen ;-) ). Und Island ist auch ohne Nordlichter ein Augenschmaus! Ganz abgesehen von seiner Energie, die ja eher fühlbar ist. Liebe Grüße!!! P.S.: Na klar, die Tierchen, das wird wild!!! :-)

    2. Wo ich deine Erfahrungen zu Nordlichtern lese, stellt sich bei mir eine Art Erleichterung ein. In den letzten Tagen habe ich oft gelesen, dass so viele Nordlichter als grau beschreiben und das Grün für einen Mythos halten, den man nur mit Hilfe von Kameras wahrnehmen kann, dass ich schon an meiner eigenen Wahrnehmung gezweifelt habe (À la: Das kann ich mir doch nicht nur eingebildet und so falsch gemerkt haben.).
      Bisher habe ich Nordlichter 3x gesehen und jedes Mal wirkten sie auf mich wie ein tanzender Regenbogen am Nachthimmel mit sehr intensivem Grün. Dazu kommt noch, dass mir bis vor Kurzem auch gar nicht bewusst war, dass Nordlichter nicht immer grün sind. ;)

      Liebe Grüße
      Silja

        1. Das kann man wohl sagen. :D Übrigens war das auch auf Snæfellsnes. Allerdings im Oktober und November 2013.
          Nur Fotos konnte ich leider keine mache. Aber immerhin habe ich die Erinnerung ;)

  3. Das habe ich schon so oft von Leuten gehört, die in Island oder Finnland waren, dass diese Polarlichter häufig angekündigt werden. Zum sichtbaren Vorschein kommen sie dann aber leider nur in den seltensten Fällen. Da freut man sich, dass es endlich so weit ist und am Ende geht man doch wieder Heim und setzt sich wartend an den Tisch zurück. Schade, dass die Natur ihre Schönheit so oft für sich behalten will.

    Liebe Grüße,
    Iza

    1. Die Isländer haben eine Website und wissen, wann die Aktivität hoch sein wird. Natürlich muss auch das Wetter mitspielen! Am höchsten soll die Wahrscheinlichkeit im Nordosten der Insel sein. Ich denke, ich habe wirklich Glück gehabt, da ich nur ein paar Tage auf Island war! Liebe Grüße zurück! Elke

  4. ICH WILL AUCH!!!! :D

    Tolles Erlebnis! Da werde ich gleich richtig neidisch ;) Polarlichter will ich auch unbedingt mal sehen. Hast du noch einen Tipp, wie man die beste Reisezeit und das beste Reiseziel zum Polarlicht-gucken herausfindet?

    1. Auf jeden Fall im hohen Norden und während der Wintermonate. Angeblich ist die Wahrscheinlichkeit September, Oktober sowie März bis Anfang April am höchsten. Dann am besten Lappland oder Island. Ich wünsche dir viel Glück!!!

  5. Die Polarlichter will ich auch unbedingt mal sehen! Ja gut… wer will das nicht? Die Bilder sind wirklich klasse und machen mich echt total eifersüchtig! Ich hoffe ich habe eines Tages auch so viel Glück wie du! Gerade bin ich mit meinem Freund im Urlaub in Sölden, aber vielleicht klappt es ja nächstes Jahr bei mir. Weiter so Elke! – Grüße von Bella

  6. Tolle Aufnahmen!!!
    Ich bin aus Murmansk und habe leider die tollen Polarlichter nicht so oft gesehen. In der Stadt ist es eher unwahrscheinlich.
    Jetz wohne ich in München und plane eine Polarlichtjagd-Reise :)

    Danke für die Inspiration!!!

    LG,
    Tatiana

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