Die Kinder der Insel

Carla hatte diesen Ort entdeckt. Auf einer Anhöhe inmitten flirrenden Grüns, jenes magische, dichte Grün der Insel. Nun lebt die 70-jährige Italienerin in der Abgeschiedenheit, wenn sie aus dem quirligen Europa zurückkommt. Aber es ist nicht nur das.

Schon als Carla Pescini vor sechs Jahren zum ersten Mal nach Saint Lucia kam, sah sie hinter der schönen touristischen Fassade auch die Probleme des Landes. Und jedes Mal, wenn sie zu ihrem schwer erreichbaren Kleinod unterwegs war, musste sie ein Dorf passieren: Aux Leon. Sie bemerkte die Kinder auf der Straße. Sie sah Trübsal in ihren Augen.

Rainbow Bridge Project Saint Lucia
Die Kinder

Ein Platz musste gefunden werden, damit die Kinder nach der Schule nicht in schlechter Gesellschaft waren. Gemeinsam mit drei Insulanerinnen, Monica, Sybil und Janelle, rief sie „The Rainbow Bridge Project“ auf Non-Profit-Basis ins Leben.

Die Frauen konnten ein Gebäude günstig mieten und die Kinder von der Straße hierher bringen, um die Zeit zwischen Unterrichtsende und Abendessen sinnvoll zu gestalten. Es wurden immer mehr. Sie tanzen gemeinsam, singen, basteln, malen, spielen Theater und machen sich auf ausrangierten PCs mit der Welt des Internets vertraut. Andere Mütter konnten Vertrauen in das Projekt gewinnen und sich einbringen.

Die Kreativität fördern

Als wir mit Rastafari David durch den Norden Saint Lucias touren, kehren wir bei Carla und ihren Schützlingen ein. Alle warten schon gespannt auf uns, sie haben etwas vorbereitet. Einen Willkommensgruß, Saft und Kuchen. Sie singen, wir tanzen mit ihnen.

Die Projektfrauen
Die Projektfrauen

Carla zeigt uns die Räumlichkeiten, es gibt auch ein kleines Zimmer mit Ethno-Möbeln für einen Volunteer. Das ist Carlas Stil, sie hat die Einrichtung gestiftet. Würde ich ein Weilchen bleiben und mit den Kindern arbeiten wollen? Ihre Kreativität fördern, ihren immensen Wissensdurst stillen, wenigstens ein bisschen?

Man sieht Carla ihr Alter nicht an, spürt jedoch ihre Menschenkenntnis. Sie kann von Gesichtern ablesen. Sie weiß, was in mir vorgeht und freut sich schon über eine neue Anwärterin.

„Die Kinder haben so viel Potential“, weiß Carla. Allein an Selbstbewusstsein mangele es. An der Chance, ihr Leben nach dem Ende der Schule so zu gestalten, dass es nicht zu Arbeitslosigkeit und Frust führe. Carla denkt, dass jeder Freiwillige, der sich in Aux Leon einbringen würde, auf seine Weise helfen könne, egal ob ein Student mit Englischkenntnissen oder ein Rentner mit technischen Skills.

Als Freiwilliger in Aux Leon

Vielleicht auch jemand, egal welchen Alters, der gut nähen kann. Monica, Sybil, Janelle und Carla haben nun ein Fundraising-Projekt gestartet, um ihre Unterkunft, ihre Arbeit auf eine sichere Basis zu stellen. Es soll ihnen zudem den Erwerb von Nähmaschinen ermöglichen, mit denen die Mütter der Kinder eigenständig werden können.

Ein Modedesigner aus der Inselhauptstadt Castries hat bereits Interesse signalisiert, mit den Frauen von Aux Leon zusammenarbeiten. Nun warten sie hochmotiviert darauf, loslegen zu können. Übrigens: Wer gerne als Freiwilliger in Aux Leon arbeiten will, kann eine E-Mail an info@rainbowbridgeproject.org schreiben.

Text & Fotos: Elke Weiler

Mit Dank an das Saint Lucia Tourist Board, das zu dieser Reise eingeladen hat.

7 thoughts on “Die Kinder der Insel

  1. Ein wirkich toller Bericht. Ich werde auf meiner Reise versuchen dort hinzukommen! Die Facebook-Seite wird auch geteilt und ich bewundere Menschen mit einer solchen Ambition. Merci!! Liebe Grüße, Alex

  2. Supertoll, dass sich mal jemand um die Einheimischen kümmert und nicht immer nur über weisse Strände und Hotels schreibt. Die Kinder von St. Lucia danken es dir.

    Liebe Grüße
    Patricia

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert