Ratzeburg in Pumphosen

(Bezahlte Pressereise) Mit Ratzen hätte es rein gar nichts zu tun, klärt mich die Stadtwache auf. Denn verschnarcht wären die Ratzeburger nun nicht. Schade, denke ich, die Kunst der Selbstironie im Namen einer Stadt – das wär’s gewesen. Doch wie meist ist der historische Background schuld, auch für die Figur der Stadtwache.

Mit bürgerlichem Namen Florian Baier und geschichtlich mächtig auf Zack. In Gewänder gepackt, die entfernt etwas Pfauenhaftes haben, eine wilde Mischung aus BVB-Farben, Filz und Federn. Nicht gerade der letzte Schrei, obgleich er genau diesen mit seinem Anblick entlockt. Bei den Kindern nämlich.

Die Kleinen sind da grundsätzlich hemmungsloser als unsereins. Und ans Ratzen würden sie bei der Frage nach dem Ursprung des Stadtnamens auch gleich denken. Wir stehen im Grünen auf einer Insel, der sogenannten Dominsel. Doch nicht ganz Ratzeburg ist eine Insel. Zwar gilt das Herzogtum Lauenburg als wunderbar wasserreich dank seiner mehr als 40 Seen, und ich fühlte mich fast wie in Finnland, wäre die Landschaft nicht hügelig.

Auch in Ratzeburg muss man das Wasser nicht suchen, vielmehr begegnet es uns auf Schritt und Tritt. Den Küchensee haben wir während des Mittagessens schon vom Hotel & Restaurant Seehof bewundert. Und uns bei einem Lauenburger Teller mit Gemüse und Fleisch aus der Gegend gefragt, ob Küchensee von Küche kommt, guter Küche. So ähnlich.

Vermutlich hängt es mit der Versorgung zusammen, die einst übers Wasser sichergestellt wurde. Dann wären da noch der Domsee und der Ratzeburger See, die gemeinsam mit dem Küchensee die Altstadt umzingeln. Bevor ich die Gelegenheit habe, die aktuelle Wassertemperatur von 20 Grad Celsius an der „Ratzeburger Riviera“ auszutesten, also dem Strand des Seehofs, steht die Stadtwache mahnend vor der Tür.

Der Mann mit dem Schwert zögert nicht. Mehr noch, er will uns zu den Ursprüngen zurückführen, quasi als Verpflichtung an sein Äußeres, oder umgekehrt. Ein slawischer Fürst mit dem klangvollen Namen Ratibor, kurz Ratze, wäre im Stadtnamen verewigt, so die Wache. Zwar sieht man weit und breit nichts mehr von seiner hölzernen Burg und auch nicht von ihrem steinernen Nachfolger, doch der Name allein reicht.

Die Stadtwache wartet schon.
Die Stadtwache wartet schon.

Die Stadtwache beginnt, uns neben dem Outfit auch die typische Landsknecht-Bewaffnung zu erklären. Wir kommen nicht umhin, das angeblich drei Kilo schwere Schwert einmal live auszutesten, ein sogenannter Bidenhänder, den man unbedingt mit beiden Händen benutzen sollte. Fühlt sich ungefähr wie zehn Kilo an!

Sinn der Übung ist, sich von der Stadtwache die Tricks und Kniffe demonstrieren zu lassen und beim „Fechten“ eine gute Figur zu machen. Von wegen Taktik und Fertigkeit! Allein das nötige Muskelspiel fehlt. Selbst, wenn wir sportlicher wären: Die Lebensdauer der Landsknechte war begrenzt, so Florian Baier. Scharfe Klamotten hin oder her.

Und da stehen sie auch schon, die Kinder, stehen einfach so auf Plastikkisten in der Gegend herum, als wir vorbeirauschen. Während ich noch mutmaße, dass es sich dabei um eine Übung zur Hervorhebung von Individualität handelt, ruft Kind 1: „Ist das echt?“ Und die Stadtwache bejaht. Kind 2 daraufhin: „Ich will das haben!“

Es geht wieder mal ums Schwert, und ich sinniere darüber, welche ungeheure Anziehungskraft so eine Waffe auf die Kleinen hat. Mir fällt ein, dass ich zu Karnevalszeiten als Cowgirl verkleidet auch eine Pistole hatte und mächtig damit herumgeballert habe. Das kindliche Gemüt eben. Eigentlich war ich ja lieber Indianerin, aber das ist ein anderes Thema.

Und den Bidenhänder wollte ich ja auch einmal in den Händen halten. Aus historischen Gründen! Geschichte will erlebt werden. Muss ich mich überhaupt rechtfertigen? Wir folgen einfach Florian Baier in seinen putzigen Pumphosen über die Dominsel, erfahren diverse Geschichten aus diversen Jahrhunderten. Von dänischen Eroberern, olympischen Kanus und einem aktuellen Verbot.

Mit seinem historischen Outfit darf der junge Mann nämlich nicht den Dom betreten. Ich verstehe das. Bewaffnet ins Gotteshaus, das geht gar nicht! Außerdem bin ich innerhalb von architektonisch ansprechenden Gemäuern auch gerne mal allein unterwegs und mag Führungen in Kirchen generell nicht. Dort ist mir entweder Stille oder Musik lieber.

Der spätromanische Bau wirkt so ganz anders als die romanischen Kirchen, die ich kenne und liebe. Diese bauchigen, urigen Gebäude, die eine geradezu himmlische Gelassenheit ausstrahlen. Der Ratzeburger Dom hingegen wirkt licht und geräumig, als wäre er schon von gotischer Strahlkraft durchdrungen, ruhe aber dennoch in breiten Backsteinmauern.

Wunderbar auch der gotische Kreuzgang des angegliederten Klosters, wo jedes Jahr im Dezember ein Weihnachtsmarkt stattfindet. Leider hat das nette Café im gegenüberliegenden Gebäude geschlossen, der ebenfalls mittelalterlichen Bischofsherberge. Was bleibt vom historisch beleuchteten Tage? Vielleicht am Ufer des Küchensees ein wenig im Strandkorb zu ratiboren, äh ratzen.

Oder das beste Eis der Gegend taktisch klug zu schlecken. En garde!

Eis von Pelz!
Eis von Pelz!

Text und Fotos: Elke Weiler

Diese Reise entstand in Kooperation mit der Tourismus-Agentur Schleswig-Holstein und führt ins Glückswachstumsgebiet.

10 thoughts on “Ratzeburg in Pumphosen

  1. Hallo Elke, sehr toller Blog. Auch wenn das mit Ratzen (finde ich schade wie du, nix zu tun hat) ist der Ort den du besucht hast doch sehr schick, zumindest vermitteln das deine Bilder. Bitte schreibe weiterhin so tolle Beiträge.

    LG Sascha

  2. Yeiasou kai Kalimera apo Rhodos!
    Liebe Elke,
    Da ich irgendwie in deinem folgenden Beitrag nicht kommentieren kann, schreibe ich hier.
    Ich fliege seit Jahren nach Griechenland in den Urlaub, war aber noch nie auf dem Festland.
    Zur Zeit bin ich auf Rhodos und bin gespannt auf deine Berichte!
    Kalimera oli mera, Suse

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