Fiaker ohne Radio

Im Café

Hufgetrappel, rhythmisch. Wo kommt das her, steht dem bebrillten Japaner ins Gesicht geschrieben, seine Stirn wirft Falten. Nach allen Seiten sieht er sich um.

„Ist das der Dom?“, fragt er eine Passantin auf Englisch. Besorgt. Die Frau nickt, nur keine Hektik, nicht in Salzburg! Der Dom läuft nicht weg. Aber der Japaner versteht die Welt nicht mehr, waren doch gestern noch die Fiaker hier, auf dem Residenzplatz.

Hölzerne Pferde bevölkern ihn jetzt, und sie werden sich immer im Kreis drehen. Ohne Hufgetrappel, ohne Mistgeruch, ohne Romantik. Bereit für den Kirchtag und die Kinder, die kommen.

Nachdenklich schlendert der Japaner zum Dom. Salzburg ohne Fiaker, das ist ja wie … ist wie Venedig ohne Gondel. Doch dann hört er etwas Verdächtiges. Ein Schnauben, Schnalzlaute, Hufgescharre.

Und unter den Arkaden der barocken Architektur offenbart sich ihm ein Bild der Erlösung. Wegen des nahenden Kirchtags stehen die Fiaker heute direkt vor der heiligen Hauptfassade.

Der Geruch von Pferden und allem, was dazu gehört, dampft über dem alten Pflaster. Gerade erst eingetroffen sind die Kutscher. Mit gewohnten Griffen legen sie passgenaue Decken über die gestriegelten Pferde, die ihren warmen Atem in die frische Morgenluft pusten.

Der Japaner verliebt sich augenblicklich in ein Pferd, er fotografiert es aus allen Blickwinkeln. „That’s Sokol, a‘ Wallach“, erklärt der Kutscher. „Schnippschnapp“, schiebt er nach – mit der dazugehörigen Handbewegung. Mit leichtem Englisch, Singsang und gedehnten Lauten überwindet Ricardo alle Sprachbarrieren.

Nächstes Thema, very important: der Preis. „Forty Euro“, bemüht sich der Kutscher weiter. Auf keinen Fall will er wieder auf die Schnauze fallen, stundenlang diskutieren müssen wie letztes Mal, als der Italiener „niente“ verstehen, und nur „trenta“ geben wollte geben wollte, 30!

Dabei kostet Gondelfahren in Venedig doch auch nicht weniger, im Gegenteil. Und die Gondolieri dürfen noch nicht mal mehr singen. Das hat der ältere Kollege Franz vorgestern erzählt, sein wind- und wettergegerbtes Gesicht wie eine bizarre Landschaft in tiefe Furchen zerlegt.

„Die spinnen heut‘ „, raunzt der Franz jetzt. Nicht die Italiener, nicht die Touristen, sondern seine Pferde. Ricardo unterbricht die Verhandlungen „Salzburg in 20 minutes“ mit dem Japaner und arrangiert die Decke neu, die ein Pferd vom Franz abgeworfen hat.

Aus dem Hintergrund ruft der Huberhans ständig: „Ich bin heut‘ der Erste!“ Bestimmt schon zum siebten Mal. Alle bleiben lässig, denn jeder weiß: Es geht reihum wie in einem ordentlichen Taxiunternehmen, fünf Tage die Woche, acht Stunden am Tag.

Nur dass sie Sightseeing machen, immer die gleiche Route. Abwechslung bringen allein die Gäste.

„Radio?“, fragt Ricardo den Japaner, um die Verhandlungen zu einem Abschluss zu bringen. Verneinung, Verwirrung, Stirnrunzeln. Der Kutscher weiß, was er fragt und warum.

Einmal haben zwei Orientalen ganz laut ihre typische Musik gehört während einer Fiakerfahrt. Peinlich, peinlich. Durch den Alten Markt ging ein Raunen. Umso besser, wenn der Japaner ein ruhiger Zeitgenosse ist.

Da der Huberhans, also der Erste heute, zwei hübsche Mädels in seine Kutsche eingeladen hat, kann Ricardo mit dem ruhigen Japaner lospreschen. „Salzburg in 20 minutes“: Festspielhaus, Münzgasse, Griesgasse, Salzach, Pferdeschwemme, Alter Markt und zurück.

Wenn es Nacht wird in Salzburg

Die Sonne bricht langsam durch die Wolkendecke, malt Licht und Schatten auf die barocken Formen und Fassaden. Ein Hauch von Wehmut und Sehnsucht liegt im Gesicht des Japaners, nachdem der erste Fotorausch ein natürliches Ende gefunden hat. Salzburg ist so romantisch und Hufgetrappel so melodisch.

Ricardo rückt seinen Hut zurecht und lächelt. Das mit dem Radio war doch recht spaßig.

Text und Fotos: Elke Weiler

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