Unterwegs in Sansibar

Die feuchte Hitze legt sich wie ein Film über die Haut, sie hüllt den Körper komplett ein, nirgends kann man ihr entrinnen. Doch die tropischen Pflanzen lieben das: Etwa die Kapok-Bäume, deren weiße Hohlfasern wie Wattebäusche an den Zweigen hängen.

„Sehr nützlich als Füllung für Matratzen“, meint Juma zum Kapok. Er ist heute unser Augenöffner und weist als nächstes auf die Indischen Mandelbäume mit ihren rosaroten Früchten hin. Ideale Schattenspender, mit so dichtem Laub.

Beindruckende Baobabs mit mächtigen Stämmen, die mehrere hundert Jahre alt werden können. Ein Baum wie ein Mythos, vielfach genutzt und geachtet. „Wer kinderlos ist, geht zum Baum mit Honig oder Halwa und betet zu Gott“, sagt unser Begleiter.

Kapokbaum auf Sansibar
Der Wattebausch-Baum

Kokospalmen säumen die Strände, ragen aus den Gewürzplantagen hervor. Überhaupt, die Aromen. „Ingwer, Zimt, Kardamom, Zitronengras, Kurkuma kommen aus Sansibar“, weiß der junge Mann aus Stone Town, der eigentlich Fischer ist. Juma will uns die Welt auf Sansibar erklären, insofern das an einem Tag möglich ist.

„Nelken wurden einst aus Indonesien importiert“, fährt er fort. Wir merken schnell: Gewürze sind nicht nur fundamental für die Insel vor Ostafrikas Küste, auf ihren Spuren lässt sich schon einiges von der multikulturellen Geschichte Sansibars erfahren.

Alle hinterließen Spuren

So lag die Insel strategisch günstig auf der Handelsroute arabischer, persischer und indischer Seefahrer. Doch auch die Portugiesen und Briten kamen nach Sansibar und sie alle hinterließen ihre Spuren. In den Gesichtern, der Architektur und Kultur.

In Stone Town
In den Gassen Stone Towns

Taarab-Klänge schallen aus einem Mini-Geschäft auf die Straße, Sansibars Musik mit afrikanisch-arabisch-indischen Wurzeln. Juma zeigt uns spontan, wie er mit seinem „Baby“ dazu tanzt. Der gut gelaunte Endzwanziger ist nämlich verheiratet und stolzer Vater eines 16 Monate alten Sohnes.

Eigentlich kümmert sich „Baba“ auf Sansibar um die Braut seines Sohnes, doch in Jumas Fall handelt es sich um eine echte Liebesheirat. Bezahlen muss aber der Vater. „Und wenn ‚Baba‘ nicht will, passiert nichts!“ Jumas Spezialität ist sein schallendes Lachen, das er nicht selten zum Besten gibt.

Vielehen mit mehreren Frauen seien auf Sansibar ebenfalls möglich, klärt der junge Mann uns weiter auf. „Aber ich bin müde genug von meiner!“ Wieder explodiert er vor Lachen.

Juma und die Tücher aus Sansibar
Auf dem Laufsteg

Die Dinge sind im Fluss, alles ändert sich, und die Jungen suchen sich ihre Partner lieber selber aus. Dann sagen die Eltern: „Bist du soweit? Dann zeig‘ uns deine Auserwählte!“ Juma kichert. Das sei immerhin besser als seine Zukünftige fragen zu müssen: „Oh, bist du meine Frau?“

Die Story von Salme

Überhaupt mag Juma Liebesgeschichten. Mit heller Begeisterung erzählt er die Story von Salme, einer omanisch-sansibarischen Prinzessin, die sich 1866 in den Deutschen Heinrich Ruete verliebte. Im vierten Monat schwanger floh sie von Sansibar, da die Sultansfamilie eine Ehe mit einem Christen ebenso wenig duldete wie ein uneheliches Kind.

Ein echtes Drama. Und die spätere Frau Ruete hat ein Buch über ihre Erlebnisse als Prinzessin geschrieben: „Leben im Sultanspalast“. Wenn Juma so eine Geschichte erzählt, wird ein Theaterstück mit allen Höhen und Tiefen daraus – ein Drama und gleichzeitig eine Komödie.

Als uns der Hunger überfällt, kaufen wir Cashewnüsse und Maniok-Chili-Chips von den Straßenverkäufern. Mit den Gewürzkäufen sollten wir lieber noch warten, da uns ja noch ein Plantagenbesuch bevorstünde, meint Juma.

Denkmal der Sklaverei, Sansibar
Mahnmal der Geschichte

Derweil sind wir vor der anglikanischen Kirche in Stone Town gelandet, die im 19. Jahrhundert aus Korallenstein gebaut wurde, und von außen stark angegraut ist. Eine wichtige Station für ein dunkles Kapitel der Insel, denn die internationalen Händler vertickten auf Sansibar nicht nur Gewürze.

Die Insel im Indischen Ozean war Umschlagplatz für Sklaven, und der entsprechende Markt just an dieser Stelle. Darum sind heute unter der Kirche Kellerräume zu besichtigen, in denen Männer und Frauen auf engstem Raum eingesperrt waren. Die Luft steht, es ist bedrückend. Juma erzählt von dem Wasser, das bei Flut einströmte, und wir wollen alle so schnell wie möglich wieder hinaus.

„Hakuna matata“, macht euch keine Sorgen, meint unser Guide, als wir uns auf den Weg zur Gewürzplantage machen. Das tun wir auch nicht, schließlich sind wir mit ihm unterwegs, und der Tag läuft rund. Aber langsam sind wir am Ende unserer Kräfte angelangt, die Bauchmuskeln arg strapaziert. Und die Gewürztour beginnt erst: Juma zeigt uns frische Kaffeebohnen.

Die Gewürze

Wir erfahren, dass die Vanille ursprünglich aus Mexiko und mit den Portugiesen nach Sansibar kam, das Muskat hingegen von den arabischen Händlern aus Indien eingeführt wurde. Und im großen Garten Sansibar wächst und gedeiht alles.

Kaffeebohnen in Jumas Hand

Das Lemongras sei hier kürzer und aromatischer als in Asien. „Und hilft bei Bluthochdruck und dicken Füßen“, Juma doziert unermüdlich, jetzt auch in medizinischer Richtung. „Nelken sind unser wichtigstes Gewürz – sie wirken übrigens entzündungshemmend.“

Und erst die Avocados – auf Sansibar so groß wie Mangos! Macht man daraus eine leckere Guacamole, sei das nicht nur nährreich, „sondern auch gut für den Mann“. Jumas berühmter Lacher. Nicht, dass wir aus der Übung kommen. Langsam schwirren uns sämtliche Begriffe aus dem Pflanzenreich wie Moskitos bei Sonnenuntergang um den Kopf.

Wir lassen uns von den Jungs, die durch die Plantage streifen mit Armbändern und Ringen aus Blättern beschenken, obwohl wir genau wissen, dass hinter dem Spaß mit dem albernen Foto im Dschungellook auch noch ein Preis steht.

Kakaofrucht, Sansibar
Frischer Kakao

Für heute wünschen wir uns nur noch eins: ein gut gewürztes Dinner in unserer Logde am Meer. Und ein freundliches Lächeln mit der Frage: „How are you, Dada?“ Wie geht es dir, Schwester?

Danke, gut! „And how are you?“ Das „Kaka“ für Bruder kommt mir aus gegebenen Gründen nicht leicht über die Lippen. Aber ich übe, denn Swahili ist eine lustige Sprache, Kaka.

Text und Fotos: Elke Weiler

Mit Dank an die Matemwe Lodge und Ethiopian Airlines für die Unterstützung dieser Reise.

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