Upgecycelt auf Amrum

Strandhütte

Die Strandhütten auf dem Kniepsand

Ganz legal ist das nicht. Aber solange eine Strandhütte aus Treibgut gebaut wurde, dulden die Amrumer Behörden sie. Hier, in den endlosen Weiten des Kniepsands wirkt jene gelungene Komposition aus Kreativität und Anarchie wie das I-Tüpfelchen dieser Welt aus Sand, Muscheln, Meer und Wolken. Wie eine Strandgeburt.

Wie etwas, das erfunden werden müsste, gäbe es die fleißigen bis verrückten Menschen nicht, die ihre Strandhütte jeden Herbst im Sand verscharren, um sie vor den Winterstürmen zu schützen. Um sie jedes Frühjahr durch Kreuzpeilung wiederzufinden und neu aufzubauen. Um die Herzen zahlreicher Strandspaziergänger zu erfreuen, denen die Hütten Schutz vor Regen und Wind oder einfach einen ungewöhnlichen Ort für eine Pause bieten.

Es gibt keine Wege und keine Wegweiser zu diesen Hütten. Man stößt per Zufall auf sie oder übersieht sie.

Noch vor dem Amrumer Leuchtturm bin ich links abgebogen, habe die Dünen überquert und schon von weitem etwas gesichtet, dass sich aus dem Sand aufrichtet. Ein Kiosk? Nein. Rundherum ist nichts. Eine Strandaufsicht? Nein. Keine Strandkörbe, keine Badenden. Das muss eine von jenen Hütten sein. Eine halblegale.

Hütte in Sicht?

Die Sonne brennt auf der Haut, es ist einer der kostbaren Sommertage eines Sommers, der sich rar macht. Barfuß, immer nur barfuß möchtest du laufen. In einer Hütte am Strand wohnen. Ich erreiche den schiefen Holzbau fast gleichzeitig mit einer anderen Frau, die sich vor der Hütte niederlässt. Ob sie zu den Architekten zählt?

Hängematte aus Überresten

„Strandhotel Kümmel“ steht auf der Hütte, doch ich muss an Tom Sawer und Huckleberry Finn denken, Anti-Helden meiner Kindheit. Das ganze Arrangement, die Hängematte, die offene Tür. Ich hätte mich gar getraut, einfach so einzutreten, doch die Frau aus Hannover kennt sich aus. Jedes Jahr verbringt sie ihren Urlaub auf der Insel. Und sie meint, jeder dürfe die Buden betreten.

Strandhotel Kümmel

Sie löst den Hebel, ein querstehendes Hölzchen, und wir schreiten nacheinander durch den schmalen Eingang. Staunend sehe ich mich um. Nicht nur von außen ist das „Strandhotel Kümmel“ ein Meisterwerk aus Treibholz, auch im Innern überzeugt es sowohl von der Konstruktion als auch in den Details. Die Frau steuert zielstrebig auf einen Eckschrank zu und zieht eine Art Buch hervor.

Während ich das Interior Design bewundere, liest sie laut aus dem Buch vor. Gästeeinträge. Restlose Begeisterung. Wir erfahren, dass Annette und Uwe das Konstrukt erbaut haben. Chapeau! Die Frau trägt sich ins Gästebuch ein, und auch ich bedanke mich für die Gastfreundschaft an diesem wunderbaren Ort.

Für die Gäste

Ob hier auch schon mal jemand nächtigt? Etwa 100 Meter entfernt existiert sogar eine Strandtoilette, die aber nicht aus Treibgut erbaut zu sein scheint. Auch im Strandhotel finde ich diverse Accessoires, die ein Bad im Meer wohl nicht in dieser Form überlebt hätten. Aber wer weiß.

Einfach mal schaukeln

Im Meer baden und sich im Sand trocknen, könnte ein Bewohner der Strandhütte. Mir fällt eine andere, weit entfernte Insel ein, La Réunion. Dort hatte ich vor Jahren einmal einen Arbeitslosen am Strand getroffen, der in einer Höhle lebte. Keine Ahnung, ob er immer noch dort wohnt. Er fand es schwierig eine potentielle Partnerin von dieser Lebensweise zu überzeugen.

Mit Liebe zum Detail

Ich teste die Hängematte aus. Nie im Leben habe ich in einer schöneren an einem schöneren Ort geschaukelt. Und Sie reden hier mit einer Expertin! Keine Hängematte ist sicher vor mir. Ich neige dazu, sie zu horten. Schließlich verabschiede ich mich von der Hannoveranerin, doch da ist schon der nächste Neugierige im Anmarsch. „Störe ich?“, fragt er höflich, und wir heißen ihn willkommen.

Wenn diese Strandhütten keine Epizentren des sozialen Lebens am Strand sind! Wildfremde Menschen kommen hier augenblicklich ins Gespräch und erfreuen sich an dem Bauwerk. Sie sind glücklich in Hängematten oder lesend auf der Bank vorm Haus. Ich wünsche den beiden noch eine schöne Zeit.

Der falsche Austernfischer

Und es dauert nicht lang, da entdecke ich eine zweite Hütte, besser gesagt, eine Ruine. Ein Sturm muss an ihr genagt haben, und man hat sie nicht wiederaufgebaut. Wie lange bräuchte es wohl, sie wieder funktionstüchtig zu machen – nur mit Strandgut? An wen müsste ich mich wenden? Mir erscheinen diese Überreste wie das Rungholt des Kniepsands.

Früher war mehr Treibholz

Die Hannoveranerin hatte mir verraten, dass sich nördlich des Nebler Strandabschnitts weitere Hütten befinden. Weniger als früher allerdings. Sind die Hochzeiten der Treibholzhütten vorbei? Wird heute nur noch Plastik angespült? Schon vor Jahrhunderten haben die Amrumer das Strandgut auf dem Kniepsand gesammelt, ja es gab sogar Zeiten, da führten sie vorbeifahrende Schiffe in die Irre, damit diese vor der Küste kenterten.

Überreste

Ich schaue mich ein wenig nach Holz um, finde jedoch nur eine große Plastikflasche, eine Pricke und ein paar kleinere Hölzer. Da! Ein skulptural anmutendes Stück, nicht zu groß und recht hübsch. Ich werde es aufbewahren. In Ehren halten. Und vielleicht wird es mal der Grundstein meiner Strandhütte auf Amrum werden.

Text und Fotos: Elke Weiler

Was draußen ist, darf auch drinnen sein.

Noch mehr Upcycling? Ich kenne ein Hotel aus Containern in Warnemünde an der Ostsee…

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