Typisch römische Küche

Hier hat die Großstadt echten Dorfcharakter: Testaccio ist eines der urigsten Viertel von Rom. Den Nightlife-Hype hat es mit links weggesteckt und sich seine rustikale Arbeiterviertel-Atmosphäre bewahrt.
Geprägt vom künstlichen Hügel Monte Testaccio, der schon im 19. Jahrhundert die Lokale anzog wie die Motten das Licht. Warum? Er besteht größtenteils aus antiken Tonscherben, die im Innern für gleichbleibende Kühlung sorgen! So bestand und besteht noch heute ein Teil der Räumlichkeiten aus Grotten, die in den Berg hinführen.

Vom guten Klima der antiken Müllhalde profitiert das Traditionsrestaurant „Checchino dal 1887“. Es steht für die Geschichte von Urgroßmutter Ferminia. Niemand anderem als ihr gebührt die Ehre, den Ochsenschwanz zu einem schmackhaften römischen Hauptgericht gemacht zu haben.

Der Berg, der die Weinflaschen kühlt: Testaccio.

Alte Originalrezepte

Ihre Eltern hatten die einstige Weinhandlung in den Grotten des Monte Testaccio gegen Ende des 19. Jahrhunderts in eine „Osteria con cucina“ (Gastwirtschaft mit Küche) verwandelt.

Denn die Arbeiter des im Viertel neu errichteten Schlachthauses brachten einen Teil ihres Lohns hierher: das sogenannte fünfte Viertel des geschlachteten Tieres, die weniger beliebten Innereien und ähnliches.

Wie aber schaffte die kreative Tochter Ferminia es, den stark riechenden Ochsenschwanz wohlschmeckend zu machen? Sie merkte nach einigen Versuchen: Er musste stundenlang gekocht werden.

Schließlich tat Ferminia noch Sellerie hinzu, das brachte den Durchbruch bei ihren Bemühungen. Ihre besondere Verfeinerung und Schlussnote des Gerichts: Bitterschokolade!

Wer heute ins Traditions-Restaurant „Checchino“ geht, kann nach den Originalrezepten der Erfinderin urrömische Küche kosten, etwas verfeinert und für den heutigen Geschmack leichter gemacht.

Wein aus den Castelli

Immer noch ist das Restaurant in der Hand der Familie Mariani – und das seit nunmehr fünf Generationen.
Am Herd steht heute Elio Mariani und er verrät gerne, wie er nach dem Rezept von Urgroßmutter Ferminia den Ochsenschwanz kocht.

Mit Weißwein aus den Castelli Romani, enthäuteten Tomaten, Nelken, Rosinen, Pinienkernen – natürlich nicht ohne den berühmten Sellerie und am Schluss etwas Bitterschokolade.

Traditionslokal

Die Klientel des Restaurants ist gemischt, hat größtenteils die Lebensmitte überschritten und schätzt urrömische Küche ebenso sowie die unendliche Auswahl des immer noch in den Grotten des Monte Testaccio optimal temperierten Weines.

An die 600 Tröpfchen aus allerlei Ländern lagern hier, größtenteils Rotweine, denn das passt am besten zum kräftigen römischen Essen. Neben einigen Flaschen aus Frankreich, Portugal, Spanien, Chile, Australien und den Vereinigten Staaten kommt das Gros der Weine aus Italien.

In dem rustikal-gediegenen Restaurant laufen Heerscharen livrierter Kellner sowie ein Sommelier geschäftig hin und her. An den Wänden hängen Schwarzweißbilder des Roms vergangener Tage.

Kultur im Schlachthaus

Unübersehbar der Stolz des Traditionslokals, der aus jeder Pore der Holzvertäfelung hervorzutreten scheint. Und wenn den Gästen die urrömische Küche einmal zu deftig ist: Es gibt auch leichtere Gerichte wie „Saltimbocca alla romana“, ein großflächiger Hauch von Schnitzel mit Salbei, Schinken und Zitronensoße.

Das passt zu einem römischen Sommerabend, wenn die Gäste am liebsten draußen unter den alten Platanen speisen und das besondere Flair Testaccios genießen.

Früher Schlachthaus, heute Museum.

Der Ochsenschwanz und die anderen Grundlagen kommen heute nicht mehr von gegenüber: Das riesige Areal des ehemaligen Schlachthauses wird heute auf vielfache Weise kulturell genutzt. Als Museum für zeitgenössische Kunst, Konzerte, als Architekturfakultät und viele Nightlife-Events – besonders während des „Estate romana“.

Text und Fotos: Elke Weiler

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