Der Ruf der Affen

25 Hours Hotel

Rund um das Bikini in Berlin

Morgens um acht ertönt der Ruf der Wildnis: aus der Ferne das Trompeten der Elefanten, dazwischen der Schrei eines Affen. Mehr im Vordergrund ein Chor von Vogelstimmen, ganz ohne Dirigenten. Das Solo eines Papageis.

Bin ich wirklich in Berlin? Letzte Woche war ich in Norwegen, habe in einer samischen Zelthütte genächtigt und Geräusche von tierischen Gästen vernommen, die sich mir nicht vorgestellt haben. Die letzte Nacht habe ich mit einem Affen verbracht, der zwischen Topfpflanzen sitzt. Im übrigen verhält er sich ruhig.

Ich ziehe den Vorhang beiseite und blicke auf das dichte Grün des Berliner Zoos. Erst wenn das Laub im Herbst fällt, kann man die Tiere nicht nur hören, sondern auch sehen, hat mir Carolin verraten, die im 25hours Hotel arbeitet.

Zum Frühstücken tausche ich meinen Jungle Room im vierten Stock gegen den 360-Grad-Blick im luftigen 10. Stock des Bikini. Siegessäule, Gedächtniskirche, Waschmaschine – sprich Kanzleramt, Reichstag, Teufelsberg – ganz Berlin liegt mir zu Füßen.

Das Brot ist frisch, die Marmeladen selbst gemacht, ganz abgesehen von Kräuterquark, Kichererbsen- und Auberginenpüree. Auch wenn der Lachs vermutlich aus Norwegen kommt, legt man doch Wert auf regionale Zutaten, so weit möglich. Der Kaffee der Kreuzberger „Five Elephant“ – wie passend! Und lecker. Einfach zum Reinsetzen der Milchreis mit dem warmen Erdbeerkompott.

Eigentlich könnte ich mich nach dem Frühstück direkt in eine der Hängematten auf der dritten Etage rollen, doch stattdessen stellt man mir ein schickes Fahrrad vor die Nase. Und wie ich bald erstaunt feststelle, gibt es Räder mit automatischer Zwei-Gangschaltung. Im Gegensatz zu meinem Hollandrad ist das schnittige weiße Ding leicht zu lenken und auch zu tragen.

Zum Neuen See

Was in Berlin unbedingt als Vorteil gilt, denn die nächste Treppe kommt bestimmt. Ich fahre zum Tiergarten, mein Ziel: der Neue See, der zwar ein kleiner ist, aber nicht zu klein, um dort vom Bike aufs Boot umzusteigen. Ab einer halben Stunde kannst du rudern, auf dem See schaukeln, entspannen. Ab fünf Euro bist du dabei.

„Und nicht vergessen, das Ruderboot wieder im Karabinerhaken zu verankern! Sonst treibt es auf den See“, gibt man mir mit auf den Weg. Den Rest muss ich allein schaffen, also losmachen, reinhopsen, abschubsen, rudern. Geschafft!

Der Neue See, Berlin
Idylle mitten in Berlin

Aber ich bleibe nicht allein. Schon bald stalken mich zwei Enten, die mir vermutlich klarmachen wollen, dass Wegezoll fällig ist. Ich fotografiere sie. Beweismaterial. Die Sonne lacht dazu vom Himmel, und der Tiergarten nimmt sich als Oase mitten im Großstadtdschungel aus.

An den Ufern sitzen Rentner, junge Leute spielen mit ihren Hunden, irgendjemand hat sogar sein Zelt unter den Bäumen aufgeschlagen. Nur die Inselchen im See stehen unter Naturschutz und gehören allein den Vögeln, von denen die Enten die radikalsten Vertreter sind.

Mit anderen Worten: ein Kontrastprogramm zu meinem gestrigen Abend im wilden Friedrichshain, wo der Bär in den Lokalen und auf den Straßen tobte und mitten in der Nacht wütende Radfahrer mit hupenden Taxistas streiten: „F… dich, du A… !“ Auch das ist Berlin, keine Frage.

Und ab aufs Rad

Ich trainiere meine Armmuskulatur und entdecke die verschlungenen Seitenarme des unbewegten Gewässers. Die Herausforderung bei der Rückkehr: vom wackelnden Boot an Land springen und quasi gleichzeitig nach dem Ding greifen, bevor es abdriftet. Auf den Steg hocken und im Liegen mit dem kurz angebundenen Karabiner verknüpfen.

Das Gute an solch ungewohnten Stellungen ist, dass man neue Perspektiven entdeckt. Und wenig später gefragt wird, warum man denn die Boote so wild fotografiert. Ich mache auf normale Touristin im Fotorausch. Alles Tarnung.

Berlin mit dem Rad

Gemütlich und planlos radele ich durch die Gegend. Aber möglichst nicht zu weit aus den grünen Bereichen heraus. Denn trotz zahlreichen Fahrradwegen gilt Berlin genau wie Wien, das ich diesbezüglich umfangreicher getestet habe, nicht gerade als Fahrradstadt. Um das Level eines Kopenhagen zu erreichen, braucht es vermutlich Jahrzehnte. Wenn nicht noch länger.

Der wahre Berliner bewegt sich aus seinem Kiez kaum heraus. Was als lebenserhaltende Maßnahme gelten darf, allein um die Nerven zu schonen. Mein krassestes Erlebnis: Ein wilde Horde halb verkleideter, Eierlikör trinkender Touristen, die beim Singen schlimmster Schlager die richtigen Töne kaum treffen.

Aber gut drauf, alle verdammt gut drauf. Auf meine Frage, ob sie an der nächsten Haltestelle immer noch nicht aussteigen, wird mir ein Eierlikör angeboten. Unter höchster Konzentration macht man mir den Weg zur Tür frei und rät mir, doch lieber mitzufeiern. Nein, ich bleibe im Kiez.

Alles neu

Welcher eigentlich? Ein ehemaliger Schmuddelkiez, bekannt auch durch das Buch „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“. Seitdem hat sich viel getan: keine Fixerszene mehr, viele Sanierungen. Der renovierte Zoo-Palast und auch das Bikini-Haus aus den 50er Jahren erleben derzeit eine Renaissance.

Einst haben die Berliner das Haus so getauft, weil sie in seiner Form mit dem Luftgeschoss in der Mitte eben ein Gebäude mit Bikini-Figur sahen: „Oben was, unten was, in der Mitte nischt.“ Heute ist das mittlere Geschoss rundum komplett verglast, um an jene Urform zu erinnern.

25 Hours Hotel im Bikini
Blick auf den Zoo

Eine etwas andere Shoppingmall entstand, und in das dazugehörige Ex-Bürogebäude ist ein Hotel eingezogen, mein Hotel. Baulich hängt alles über diverse Ebenen zusammen, das Kino, die Passage, das Hotel. So laufe ich von der Rezeption im dritten Stock des Hotels über Treppen auf die mittlere Ebene des Bikini-Komplexes – ein Gründach, unterbrochen von Glasflächen, die zu Mall und Zoo-Palast gehören.

Im Concept-Café „Gestalten“ sitzen die Leute mit Blick auf den Zoo. So auch ich bei Cappuccino und Avocado-Stulle. Die Paviane laufen im Kreis, immer die gleiche Richtung. Man sitzt mit oder ohne Kind da, futtert, unterhält sich, kreischt mal. Hüben wie drüben. Ich kreische auch manchmal – wegen periodischer Wespen-Angriffe.

In der Shoppingmall gibt es neben den normalen Geschäften auch Boxen in der Mitte, die als Popup-Stores fungieren. Junge Designer wie alteingesessene Firmen können sie auf Zeit mieten. Es gibt Smoothies, italienisches Eis und ein Guckloch zu den Affen, sehr beliebt bei Groß und Klein.

Ein Affe fehlt mir noch, bevor ich zu „meinem“ Affen zwischen den Topfpflanzen zurückkehre. Und zwar eine Bar, die angesagte Monkey Bar. 10. Stock im Bikini-Hotel, zwischen acht und neun Uhr abends. Es ist brechend voll, jetzt schon. Das Publikum gemischt, schick bis normal, Berliner und Hotelgäste, mal jünger, mal älter.

Neben mir diskutiert ein Pärchen mit dem netten Kellner über die Preise, die höher als in Friedrichshain sind, hier im 10. Stock, bei dieser Aussicht über ganz Berlin. Bei Auberginen- und Kichererbsenpüree, bei einem Gläschen Rosé, der wirklich gut ist. Die Sonne geht immer noch nicht unter, ich habe auf der „Urban“-Side noch einen Platz bekommen.

Die Affen höre ich ja später wieder. Vielleicht auch nur einen.

Morgens um acht, mitten in Berlin.

Text und Fotos: Elke Weiler

Mit Dank an das 25hours Hotel in Berlin für die Nächte am Zoo.

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