Tanz der Flammen

In Schobüll

Doch … es wird Frühling. Die Tage sind länger, das Dämmerlicht erhellt noch den Horizont rund um die gegenüberliegende Halbinsel Nordstrand.

Dort zuckt schon das Feuer am Süderhafen auf; die Nordstrander beginnen ihr Biikebrennen etwa eine halbe Stunde früher. In Schobüll beschwört die Bürgervorsteherin die uralten Traditionen herauf, erzählt vom Austreiben des Winters, während die Nachbarschaft am Zelt lauscht.

Die Kinder, die den Biikehaufen aus trockenen Ästen und ausrangierten Tannenbäumen entzünden dürfen, halten ihre schwarzen Fackeln ungeduldig in der Hand. Natürlich hat die Feuerwehr ein Auge auf das Geschehen.

Ein Kinderchor stimmt ein Seefahrerlied an, und das kommt nicht von ungefähr. Denn in den vergangenen Jahrhunderten verdingten sich die Nordfriesen nicht selten als Seeleute, zunächst beim Heringsfang um Helgoland, später beim Walfang im Nordmeer.

Zeit zum Zündeln
Zeit zum Zündeln

Der dänische Pers Awten

Noch heute brennen auch im dänischen Südwestjütland am „Pers Awten“ (Vorabend des Petertages) wie hier die Feuerhaufen. Die Biike- Tradition teilen sich nur Südwestjütland und das angrenzende Nordfriesland.

Noch ein Gedicht auf Platt, vorgetragen von einem Mädchen, es ist fast Viertel nach sechs, und alle laufen vom Zelt zum Holzhaufen. Bei minus fünf Grad rückt man eng zusammen und dicht an die auflodernden Flammen heran.

Was für ein Schauspiel! Von mehreren Stellen umschlingen die Feuerzungen das Astwerk, Funken Sprühen in die Höhe. Fasziniert sieht Alt und Jung in das Knistern, Knacken, Flackern und Zischen. Die Feuerhitze wärmt die Gesichter, nur von den Beinen herauf macht sich der Winter noch bemerkbar.

Und an meiner rechten Hand, die schutzlos wieder und wieder auf den Auslöser der Kamera drückt, bis die Fingerkuppen vor Kälte schmerzen.

Jetzt nur noch rein ins Getümmel und das Spektakel genießen! Inzwischen ist es stockdunkel über dem Meer, nur die Husumer und Nordstrander Biiken glühen am Horizont auf. Eigentlich reden wir Sylter Friesisch, wenn wir von „Biike“ sprechen, das Wort für „Feuerzeichen“.

So wird's warm!
So wird’s warm!

Das Frühlingsfest war einmal ein Fastnachtsfeuer: Tänze und Spiele gehörten an der Küste dazu, wurden jedoch im 18. Jahrhundert von der Obrigkeit nicht mehr geduldet. So fiel auch die Maskerade weg beim einstigen Fruchtbarkeitsfest im Februar, dem der heutige rheinländische Karneval wohl näher kommt.

Früher nur Strohhaufen

Das Biikebrennen konnte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit Strohhaufen gefeiert werden. An einigen Orten krönen heute noch Strohpuppen die Biike – den Winter symbolisierend und meist als Letztes den Flammen zum Opfer fallend.

Bevor unsere Schobüller Biike zu schwächeln beginnt, lodert sie noch einmal mit aller Kraft auf und wärmt die begeisterten Zuschauer. Irgendwo sucht jemand laut rufend eine Helga, Andere vermissen ihre Kinder, die sich teilweise zum Schliddern an einem zugefrorenen Teich versammelt haben.

Ein akzentfrei Deutsch sprechender Ägypter aus Alexandria lässt sich mit der Flagge seines Landes vor dem Feuer fotografieren. Soviel Bezugnahme auf das aktuelle politische Geschehen in der Welt hätte man in Schobüll nicht erwartet!

Die Windrichtung ist günstig und bläst die enormen Rauchschwaden der Küstenbiiken weg übers Meer, Richtung Nordwest. Man plaudert noch ein wenig mit Nachbarn und Freunden, doch selbst den Glühweintrinkern wird’s irgendwann zu kalt.

Langsam leert sich der Platz ums Feuer, die letzten Scheite glühen auf, und die Feiernden freuen sich auf die warmen Lokale, wo der Grünkohl schon dampft.

Wie bei jeder schönen Sache im Leben geht auch das Biikebrennen viel zu schnell vorbei. Wenigstens dauert der rheinische Karneval ein paar Tage länger.

Text und Fotos: Elke Weiler

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