Un gelato al mare

Die Großblättrige Feige gehört zu den Maulbeergewächsen, erzählen sie. Ursprünglich kommt sie aus Australien, aber das muss schon länger her sein. Vor dem alten Landgut im Südosten Siziliens stehen nämlich zwei fast 200jährige Prachtexemplare dieser Gattung. Raumgreifend und voller Fruchtknospen schon im April.

Kein Wunder, wir haben Sommerwetter. Wir schwingen uns auf die Resort-Räder, Tina, Ariane und ich, um die Gegend zu erkunden. Einmal rund ums Gelände, dann Richtung Castello di Donnafugata, die Burg der geflohenen Frau also.

Ein bisschen entflohen fühlen wir uns dabei auch: dem Alltag, dem Regen zu Hause, aber auch dem Golftreiben rund ums Resort. Das Haar flattert im Wind, wenn wir uns die Hügel hinabrollen lassen. Ab und an brummt ein Insekt dicht an meinem Ohr vorbei oder klatscht mir ohne Umweg auf die Sonnenbrille.

Es duftet nach Kräutern und Orangenblüten, nach Frühling auf Sizilien. Ohne Gangschaltung kämpfen wir uns die Hügel hinauf, es gibt kaum Verkehr auf den schmalen Straßen. Kein Mensch weit und breit. Nur wir und die Johannisbrotbäume, knorrig wie die Olivenbäume.

Nur wir und die Weinreben. Cerasuolo und Nero d’Avola heißen sie hier, die Weine der Gegend. Wobei der Cerasuolo aus den Rebsorten Frappato und Nero d’Avola verschnitten wird. Den Frappato gibt es auch pur. Jung und frisch schmeckt er daher, der ideale Sommerwein. Hellrot und leicht nach Himbeere schmeckend, wobei ich diese Vergleiche meist müßig finde.

Apropos. Wir kehren zur „Ora dell’aperitivo“ zurück zum Resort, was in Italien zwischen 18 und 20 Uhr bedeutet. Die Aperitif-Stunde ist eine Art kulinarisches Vorspiel, ein geselliger Auftakt zum Abendessen, der mit jener Fülle an kleinen Schweinereien von Oliven bis zu frittierten Artischocken eigentlich schon sättigt.

Antipasti: Fisch, Bresaolo, Caponata
Antipasti: Fisch, Bresaolo, Caponata

Aktuell probieren wir Prosecco mit Erdbeerpüree gemixt. Chillen in den mit Designermöbeln aufgepeppten Gemäuern des ehemaligen Landguts. Danach stehen Antipasti, Pasta, Schwertfisch und in Nero d’avola geschmortes Rind zur Auswahl. Wir fliehen also in die Genusswelt, für einige Tage.

Le donne fugate. Von wegen Legenden ranken sich um diesen Ort! Immer wieder werden Frauen flüchtig. Und wenn es sich „nur“ um Wellness handelt. Die Massage, gepriesen als Wiedergeburt. Körper und Geist sollen unter Expertenhänden „erwachen“.

Dafür ist Mary verantwortlich, klein, zierlich und voller Kraft, dunkle Locken, sanfte Stimme. Wobei sie konzentriert arbeitet und daher meist nichts sagt. Außer den üblichen Anweisungen am Anfang und zwischendurch ein „Bitte wenden!“.

Im Spa der Donnafugata
Im Spa

Ich entspanne mich, ich bin entspannt. Und nach einer Dreiviertelstunde sanften Drückens, Knetens bis hin zum Klopfen fühle ich mich auch irgendwie entflohen aus dem Hier und Jetzt. Den Ausgang des Spas suchend lande ich beim Gym, wo ein Mann strampelt und schwitzt. Eine Mitarbeiterin lotst mich zurück und lächelt verständnisvoll: „Das ist die Massage!“

Während sich einige aus der Gruppe mehr oder weniger erfolgreich im Probegolfen versuchen, greifen Tina und ich als ausgewiesene Nicht-Golfer erneut zu den „biciclette“, beziehungsweise „bicis“, wie man die Räder in Italien gemeinhin nennt.

Mit dem Rad nach Scoglitti

Dieses Mal wollen wir zur Küste radeln, denn eine Insel ohne Meer ist nur eine Fata Morgana. Zwar haben wir am Vortag schon einen Abstecher ins Naturschutzgebiet von Randello unternommen und festgestellt, dass das Mittelmeer durchaus Badetemperatur hat.

Aber ein Mal ist kein Mal. Scoglitti liegt etwa sieben Kilometer vom Resort entfernt, was in diesem Fall bedeutet: Hügel rauf, Hügel runter. Normaler Verkehr, pralle Sonne. Hupende, grinsende und rufende Sizilianer in den vorbeisausenden Autos.

Komplimente mag ich schon, doch das hier würde selbst eine Schildkröte nervös machen. So kann ich mich gerade noch beherrschen, wenig ladylike und gestenreich zu antworten. Bei jedem Hupen vor mich hin fluchend.

Die Landschaft hingegen – ein Traum in Grün und Gelb. Ginster, Mimosen, Zitrusbäume. Nach einigem Auf und Ab landen wir am Stadtrand von Scoglitti und suchen den Stadtstrand. Mäandern durch einen gähnend leeren Wohnbezirk, bis ich einen jungen Handwerker entdecke, der seine Mittagspause in der Gesellschaft eines Smartphones verbringt.

Die Palmen von Scoglitti
Scoglitti

In fließendem Sizilianisch erklärt er uns, wie wir ins Zentrum gelangen. Da der 3400-Seelen-Ort eigentlich übersichtlich ist, kann nichts mehr schiefgehen. Wir landen mitten im Herzen von Scoglitti, halb verdurstet und eisverhungert. Selbst der niedliche Hafen mit seinen Fischerbooten wirkt an diesem Samstagmorgen eher verwaist.

Kein Fisch auf dem Tisch

Nur ein paar Väter und Großväter gehen mit Kleinkindern spazieren. Einer sagt zu seinem Sohn: „Il mare, il pesce… Oggi il pesce non c’è.“ Nein, die Fischstände sind leer, die Boote schaukeln unbemannt in der Sonne. Vermutlich kommt heute Pasta auf die Teller der Einwohner.

Wir finden eine Gelateria, das Glück hat einen Namen. Und meine Tage auf Sizilien könnten unter dem Motto „Nie ohne Gelato“ laufen. Wenn sich in Italien nur schwer eine schlechte Eisdiele finden lässt, nach oben gibt es kein Limit. So schlemme ich glücklich mein Vormittags-Gelato, Fior di panna und Bacio, und ahne noch nicht, was mich am Nachmittag erwartet.

Wir genießen Scoglitti. Sitzen einfach in dieser Bar, blicken aufs Meer, auf den kleinen Hafen, auf die knallbunten Luftballons, die mit dem Windhauch in Zeitlupe hin und her schlenkern. Wir reden über Gott und die Welt, vor allem über Männer.

Am Ufer sitzen Männer auf der Mauer, reden über Gott und die Welt, vermutlich über Frauen. Ich überlege, meinem Patenkind ein aufblasbares Schweinchen mitzubringen und die Wirtschaft in Scoglitti ein wenig anzukurbeln, entscheide mich aber dagegen. Leider werden Patenkinder überraschend schnell älter und entwachsen dem Plastikschwein goutierenden Alter.

Was uns bleibt, ist ein letztes Mal die Füße ins angewärmte Mittelmeer zu tauchen. Bevor wir aufbrechen zu neuen Genüssen, Barockstädten, Eis im Brioche und sizilianischen Topfklopfern.

Im Hafen von Scoglitti
Fortsetzung folgt.

Text und Fotos: Elke Weiler

4 thoughts on “Un gelato al mare

  1. Ich versteh‘ dich gut. Italienisches Eis ist einfach der Wahnsinn. Am liebsten mag ich Schokolade mit Chili. Oder Bacio Bianco, ich könnte deswegen auswandern. :-)

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