Meine Tage in Madrid

Ich bin umringt von Lametta-Ziegen auf der Plaza Mayor und habe ein Flashback. Seltsam. Nicht wegen des Lamettas, damit können die zweibeinigen Ziegen noch nicht mal Kleinkinder beeindrucken.

Ich war zwar schon einmal in Madrid, doch zur Plaza Mayor hatte ich es bislang nicht geschafft. Trotzdem erscheint mir alles seltsam vertraut. Ja! Es war ein Film, den ich unzählige Male gesehen habe: „Los amantes del círcolo polar“, die Liebenden des Polarkreises von Julio Médem.

Trafen sie sich nicht hier, die Liebenden? Sagte die Frau nicht genau an dieser Stelle: „Ich habe meine Zufälle verbraucht.“ Die Lametta-Ziegen wissen nichts davon, und wir ziehen weiter.

Was macht eine Meerbloggerin überhaupt in Madrid?, fragt mich Bloggerkollegin Christine, die einen kleinen Guide mit Insidertipps fabrizieren will. Es gibt kein Meer in der spanischen Hauptstadt, stimmt. Aber viel Grün. Tapas. Und Churros.

Stoff für Slow Traveller

Was mir zunächst aufgefallen ist: Madrid ist eine Metropole mit überraschend guter Luft. „Das liegt an den Bergen“, meint die Madrilenin Vanessa. „Und an den Parks, dem ganzen Grün. Überall sind Bäume.“

Park-Romantik

Also fange ich meinen Madrid-Marathon im Retiro-Park an, ein trapezförmiges Stück Grün auf dem Stadtplan, mitten in der Stadt. Die Sonne lacht an diesem Freitagmittag, und ein kunterbuntes Gemisch von Menschen flaniert durch den Park.

„¡Mira, cariña!“, sagt eine junge Mutter zu ihrer Zweijährigen, die auf den Teich schaut. Hier am Herzstück des Parks, dem Estanque, will sie ein Selfie machen. Hier spielt das Leben, hier wird der Garten quasi zur Kirmes. Oder besser: zur Vergnügungsoase.

Auf dem rechteckigen Flecken Wasser tummeln sich die Boote. Die Madrider müssen sehr verzweifelt sein, was das Auffinden größerer Wasserflächen angeht, oder sie sind sehr große Romantiker. Richtig losrudern ist auf dem Estanque eher schwierig, zu schnell stößt man an die Grenzen.

Frühlingsfeeling

Ein Saxophonist spielt Jazz, eher Freestyle, zum Glück nichts Abgedroschenes. Die Kostümierten sind auch schon angekommen, allerdings kein Lametta. Eine Schulklasse, komplett behelmt, auf Rädern, Inlineskater, Gassigeher, Zeitungsleser und Angestellte, die ihr Lunch-Sandwich futtern.

Zur Gran Vía

Die Lust, ebenfalls ein Boot zu mieten und auf einem Fischteich zu chillen, kann ich so gerade noch unterdrücken. An windgeschützten Stellen brennt mir die Aprilsonne auf der Haut. Genug der Ruhe. Genug der Katzen, die den Park ebenfalls als Treffpunkt auserkoren haben.

Ich widerstehe noch der Versuchung, mich in eines der Parkcafés zu setzen und stürze mich ins Gewühl. Wo brodelt Madrid am meisten? Wirkt es großstädtisch? Auf der Gran Vía. Deswegen laufe ich sie einmal ganz durch, bis zur Plaza de España. Verrückt, meinen die Füße.

Zweisamkeit im Getümmel

Aber am Ende kann ich Cervantes auf der Plaza kurz Hallo sagen, wie festgefroren hockt er da auf einem Pferd. Ich muss an meinen Trip nach Consuegra denken, nicht weit von hier. Don Quijote und Sancho Panza live und in Farbe.

Bis zum Templo de Debod ist es von der Plaza de España nur ein Katzensprung. Da ich noch nie in Ägypten war, kann ich die Gelegenheit nicht verpassen, einen Altägyptischen Tempel in Spanien zu bewundern. Und ein bisschen Wasser gibt es ebenfalls rundherum – perfekt.

Der ägyptische Tempel

Ursprünglich stand der Tempel am Ufer des Nils. Doch da die Gegend wegen des Staudammprojekts geflutet werden sollte, kam Spanien zu einem schicken Geschenk. Heute sehr beliebt während der Sonnenuntergänge. Zum Lesen, Chillen und Fotografieren.

Siesta

Mein Magen knurrt, sonst wäre ich doch glatt bis zur nächsten Grünanlage gelaufen, dem Parque del Oeste. Stattdessen mache ich einen Satz mit dem Taxi ins Viertel La Latina, das ich tags zuvor kurz kennengelernt hatte.

Der Fahrer kapiert mich ohne große Worte, schließlich ist spanische Lunch Hour, es geht auf drei Uhr zu. So lässt er mich nahe der Plaza de los Carros heraus, wo es vor Lokalen nur so wimmelt.

Zeit für einen wirklich guten Thunfisch-Salat. Zu Touristenpreisen auf der Terrasse, doch es lohnt sich. Die Sonne, die Tomaten, die Leute um mich herum. Madrid.

Da haben wir den Salat.

Hinter mir am Tisch wieder Franzosen. Man trifft sie auf Schritt und Tritt, vermutlich weil Madrid wie von einem Hauch französischen Parfüms umweht wirkt. Das liegt nicht nur an der Architektur. Auch an der freundlichen Höflichkeit der Menschen.

Im Viertel Lavapiés

Gewiss eine Spur konservativer im Gesamtbild – vor allem im Vergleich zum flippigen Barcelona. Wo ist das multikulturelle Madrid? Im Viertel Lavapiés, hat man mir gesagt. Also ziehe ich los, so weit mich die Füße tragen.

Die Plaza de Santa Ana ist voller Tische und Menschen. Vor einem Lokal tanzen ein paar Andalusier ihre Sevillañas, einfach so, ganz spontan. Über die Plaza del Angel ziehe ich weiter südlich, hier beginnt Lavapiés.

Lavapiés – das andere Madrid

Die Häuser sind niedriger, nicht so erhaben, hübsch. Das ganze Barrio strahlt einen gemütlichen bis dörflichen Charme aus. Die Mischung auf den Straßen ist tatsächlich bunter als im Rest des Zentrums, ethnisch wie sozial.

Es gibt Verrückte, Anarchisten, Obdachlose neben Bohemians und Rentnerinnen. Ich mag diese Viertel mit Ecken und Kanten. Wären da nicht die Kameras und die Polizeipräsenz. Muss ich mir Sorgen machen?

Bildung on the road

Irgendwie lande ich auf der Calle Huertas im angrenzenden Literatenviertel. Hier habe ich zuletzt nahe des Prado gewohnt und dem Museum an einem grauen Novembertag einen Besuch abgestattet. Im Gegensatz zur Calle Lavapiés steppt der Bär am frühen Abend in Huertas.

Die magische Plaza

Ich versuche die Zitate der Dichter auf dem Boden zu lesen. Bildung on the road sozusagen. Und dann auch noch auf Spanisch. Doch eine der bekanntesten spanischen Vokabel finde ich nicht auf dem Boden. Also zieht es mich zurück zur Plaza Mayor.

Meine Zufälle haben sich anscheinend noch nicht verbraucht. Wie von Geisterhand geleitet, lande ich während meiner Streifzüge durch Madrid immer wieder bei den Lametta-Ziegen. Und vor den erleuchteten Fenstern der Markthalle „Mercado de San Miguel“. Ein Traum aus Eisen, Holz und Glas. Und vor allem: Tapas.

Mercado de San Miguel

Auf die Pappteller kommen endemische Arten wie Tortilla und diverse Sorten von Paella. Natürlich meine heiß geliebten Pimientos de Padrón und die typischen Patatas bravas der Madrilenen. Exquisiter gegrillter Sepia. Etwas Vergleichbares habe ich bislang nur in Dubrovnik genossen.

Auf dem Mercado ist man kreativ, so gibt es auch nicht-endemische Tapas: unzählige Varianten mit italienischem Mozzarella und jene Gulas, die wie helle Würmchen aussehen und aus Surimi hergestellt werden. Eine nette Spielerei, doch nichts für Puristen, nichts für Pimientos-Fans!

Italienisch-spanische Fusion

Von süßen Dingen ganz zu schweigen. Denn Churros con chocolate dürfen in Madrid nie fehlen – laut Insidern. In diesem Sinne: ¡Buen provecho!

Text & Fotos: Elke Weiler

Mit Dank an das Spanische Fremdenverkehrsamt, das zu dieser Reise eingeladen hat.

9 thoughts on “Meine Tage in Madrid

  1. Hallo :)
    Ich war vor 3 Wochen mit meinen Eltern in Madrid. Mein Vater hatte aus Zeitschriften ein paar Hotspots herausgesucht, meine Mutter mit einem Reiseführer. Und ich, ich hatte deine Tips. Wir waren 3 Tage dort und haben alles gemacht, wovon du hier berichtest! Die Markthalle war zum Glück direkt um die Ecke, da waren wir also öfters. Den Tempel fand ich sonst, nach der Markthalle, am tollsten! Die Atmosphäre auf dem Berg war grandios.
    Danke für die Tips!
    Olivia von livichen.blogspot.de

  2. Toller Beitrag für mich zur Einstimmung auf meinen Städtetrip nach Madrid mit meinen Reisefreundinnen . In die Markthalle wollen wir auch.
    Gespannt bin ich noch auf die Architektur in Madrid.

  3. Liebe Elke,

    ich habe ein Jahr in Madrid gelebt und freue ich immer, was über meine Herzensstadt zu lesen. Ich bin froh, dass du es noch nach Lavapies geschafft hast…ein wunderbarer Flecken in dieser Stadt. Klar, mittlerweile auch nicht von der Gentrifizierung verschont, aber das ist wohl der unvermeidliche Lauf der Dinge.
    Im Madrid der 80ger Jahre hätte ich gerne gelebt, zur Zeit der Movida – damals war Madrid eindeutig flippiger als Barcelona :)
    Liebe Grüße,
    Sandra

    1. Liebe Sandra, danke dir!
      Am schönsten ist es ja immer, mit einem Einheimischen durch die Stadt zu laufen. Oder mit einem Bewohner auf Zeit. Vermutlich fährst du noch regelmäßig hin? Ich habe es lange Zeit mit Rom so gehalten, wo ich auch ein Jahr lebte. Und am liebsten dort geblieben wäre. Ich finde es spannend, wie die Städte sich danach verändern. Und im Kern doch das bleiben, was wir kennen- und lieben gelernt haben. Liebe Grüße von der Nordsee! Elke

      1. Liebe Elke,

        genau, ich versuche, einmal pro Jahr nach Madrid zu fahren, einfach damit ich mich nie wirklich als Tourist fühle, sondern mich immer so „wie damals“ fühle. Klappt nicht immer, aber meistens ;).
        Und während ich diese Zeilen schreibe überkommt mich schon wieder die ganz große Sehnsucht…!

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