Kopenhagen im Februar

Umrundet vom Meer. Wir überqueren den Großen Belt, auf Dänisch Storebælt, und die Ostsee gefällt mir gut.

Ein Frachter in der Ferne, der weiße, so bescheiden wirkende Leuchtturm auf einer Landzunge vor Nyborg. Und der Himmel, der sich schwer und grau auf das Land setzen will. Aufgebrochen nur von einem Streifen Farbe am Horizont, ein Hauch von Rosa und Orange. Bis Kopenhagen noch über ein Stunde.

Wir wollen zum Wondercool Festival, das sich über den ganzen Februar zieht. Mit speziellen Events aus den Bereichen Kunst, Architektur, Design, Mode, Musik und Kulinarik. Ich blättere ein bisschen im Programm, markiere dies und jenes: ägyptischen HipHop, ein interaktives Dinner im Designmuseum, Brunch bei den Architekten.

Doch dann kommen wir an, und alles entwickelt sich ganz anders, als wir denken. Es beginnt mit einem Meerschweinchen. Genauer gesagt, mit einem lustigen Trio, das erwartungsvoll in einem kleinen Schaufenster steht, nebst englischer Queen. Die Königin winkt, die wohlgerundeten Körper der Schweinchen tragen Neonpunkte.

Meerschweinchen-Popos, dekorativ

So ist Kopenhagen, egal ob Wondercool oder nicht: Design, Kunst und schöne Menschen an jeder Ecke. Wir sind zu Fuß in Downtown unterwegs. Kuchenhunger. Man hat uns ein Café empfohlen, direkt neben dem gleichnamigen Tafelporzellan-Laden. Ein Café für eine optische Entdeckungsreise.

The Royal Smushi Café ist dort, wo der König auf dem Gemälde an der Gattin vorbei zur Lampe schaut. Aber wieso klebt eine Herz-König-Karte an der Decke? Die gesamte Einrichtung, eine Spielwiese für große Kinder. Ich bestelle Soufflé mit Heidelbeeren, und probiere auch ein bisschen von der Schokotarte. Natürlich wird uns alles auf blauweißem Royal Copenhagen serviert.

Wir sitzen auf einem roten Sofa unter Pols Potten Gläsern. Hoffentlich hält das Regal. Zu unserer Linken eine Puppe mit Erdbeeren, zur Rechten ein Möhrenmann – das Café ist zugleich auch ein Shop für kuriose Gegenstände und dänisches Design.

Spielkind und Smushi-Erfinder: Rud Christiansen

Erst am nächsten Tag erfahren wir mehr. Rund um den Lustgarten von Schloss Rosenborg stehen Pavillons im klassizistischen Stil, rund zweihundert Jahre später erbaut als der Rest. Sie flankieren die Eingänge, und funktionieren heute zweckenfremdet als Café oder Shop. In einem von ihnen wartet unser Kunst-Meerschwein auf Adoption.

Deswegen frühstücken wir heute bei Rud Christiansen, der gerade seinen Laden öffnet. Auch wenn die professionelle Kaffeemaschine in dem winzigen Gemäuer überdimensioniert wirkt, und die meisten hier nur für einen Coffee-to-go vorbeikommen, machen wir es uns in dem Mini-Café gemütlich. Das liegt auch daran, dass Rud in Plauderlaune ist.

Eigentlich haben wir Glück, denn normalerweise hat er nur in der Saison auf und beschäftigt Studenten. Wir schauen uns um, diesen Spielzeug-Design-Mix kennen wir doch! Richtig, Rud betreibt nämlich auch das Royal Café am Amagertorv und darf sich Erfinder des Smushi nennen. „Was, ihr habt es noch nicht probiert?“, Rud reißt die Augen auf.

The one and only Smushi. Im Royal Café.

Kurzerhand macht er uns ein Programm für den Tag. Am späten Mittag dann ein erneuter Stopp im Royal Café. „Dänisches Smørrebrød ist eigentlich eine große, schwere Angelegenheit. Das haben wir geändert, inspiriert am Sushi, aber mit dänischen Zutaten.“ Natürlich sind wir längst angefixt.

Rud expandiert gerade mit der Idee nach Japan und erzählt, dass sie Smushi dort nicht aussprechen können. Denn zwei Konsonanten hintereinander – das geht gar nicht. Bei Interesse würde er auch in deutschen Städten Franchise-Cafés eröffnen wollen. Ich sage ihm, dass ich mir das unglaublich gut in der Stadt der Genießer vorstellen könnte. Die mit der drittgrößten japanischen Gemeinde Europas: Düsseldorf.

Wir schnacken über dies und das. Darüber, dass diese Pavillons am Garten vor zweihundert Jahren vielköpfigen, armen Familien als Unterkunft zur Verfügung gestellt wurden. Und dann schimpft Rud darüber, dass halb Kopenhagen aufgerissen wird, weil man gleichzeitig die Metro ausbaut und neue Fahrradwege schafft. „Schlimm für die Einzelhändler, dieses Chaos“, meint er.

Bicycles first!

Doch ich gebe zu bedenken, dass Kopenhagen am Ende der Bauphase in Verkehrsdingen die wahrscheinlich modernste und ökologischste Stadt Europas sein wird. Heute schon radeln 35 Prozent aller Verkehrsteilnehmer durch die Metropole. Unverdrossen, selbst im Winter.

Am Ende kommen wir natürlich auf die Meerschweinchen im Schaufenster zu sprechen. Und noch eine Überraschung: Rud ist nämlich Freizeitkünstler. Sein Name steht auch unter dem blau gepunkteten Kunstwerk, das wir ihm abkaufen. Warum er ausgerechnet Meerschweinchen erschafft – eine Gattung, die in der internationalen Kunstgeschichte sonst eher zu kurz kommt?

„Ich hatte als Kind immer Meerschweinchen, und meine Kinder auch. Tolle Tiere.“ Rud wird mir immer sympathischer. Wir bringen unseren neuen Schatz ins Hotel und schlagen Ruds Route durch die Mitte Kopenhagens ein. Und wir probieren sein Smushi in allen Variationen, selbstredend. Royal Café, Amagertorv, die Zweite.

Tage im Café

Mit den herkömmlichen Butterbroten hat es in der Tat herzlich wenig zu tun. Kleine Kunstwerke aus bekannten Zutaten wie Lachs, rote Beete, Räucherkäse, Rogen, Hering – serviert auf Roggenbrot und royalem Porzellan. Die Leichtigkeit des Seins.

Und wieder Blueberry Soufflé zum Nachtisch? Die Auswahl ist zu verlockend. So wird es dann ein Stück von der luftig leichten Geburtstagstorte. Hauptzutat: Sahne! Ein Rücken voller Kokosflocken. Das I-Tüpfelchen: Blüten. Irgendwo zwischen Pink und Blaubeer.

Doch wir entdecken auf Ruds Route auch noch überraschende Seiten in der Stadt. Etwa den Komplex aus rauchgelb gestrichenen Reihenhäusern. Ziemlich genau zwischen der Rosenborg-Anlage und dem Kastell.

Nyboder, ein Wohnquartier aus dem 17. Jahrhundert für Seeleute der königliche Marine, wirkt wie ein Dorf in der Stadt. Damals autark, mit eigenem Krankenhaus, Schulen etc. Ein Wunder, dass Nyboder so lange überlebt hat und immer noch bewohnt ist.

Wo einst die Seeleute hausten.

Fast haben wir vergessen, dass wir eigentlich wegen des Wondercool Festivals gekommen sind. Tickets für die Veranstaltungen oder Reservierungen sollte man auch nicht auf den letzten Drücker anfordern, wie wir feststellen. Aber schlimm ist das nicht. Denn wir finden Kopenhagen an diesem Wochenende sowieso wondercool.

Frisch, bunt, lecker und ziemlich wundervoll.

Text und Fotos: Elke Weiler

11 thoughts on “Kopenhagen im Februar

  1. Oh mein Gooooott, ich habe mal das Soufflé mit Himbeeren dort gegessen und hätte das Ding am liebsten geheiratet! Sehr netter Bericht, weiter so ;-)

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