Sonne am Wursthimmel

Eigentlich war Julchen meine Sonne, doch wenn es tagelang regnete, konnte sie leicht zum Herbststurm werden. Als Foodblogger und Genusshund hält man es da mit den Lutschern, die sich kulinarisch aufzumuntern wissen.

Als Julchen siehst du melancholische Wollknäuel im Regen. Und Kühe, die sich auf einer Brücke zusammendrängen, um nicht mit den Hufen im See auf den Fennen einzusinken. Unsere schöne Halbinsel schien langsam unterzugehen, also blieb meiner Julischka nichts anderes, als entgegen ihrer natürlichen Veranlagung das Haus zu hüten.

Das brachte übernatürliche Spannungen mit sich. So schaffte ich es immer seltener, meinen angestammten Platz unterm Esstisch zu belegen, manchmal musste ich gar die Küche aus dem fernen Sofazimmer observieren. Für einen Foodblogger war das eine Zumutung. Es ging mir nicht nur ums Fressen, ich musste scannen und lernen.

Jannis Gespür für Sonne
Ein Hund mit Kuschelaura

Monsieur nannte meine Nase ein Chemielabor, und er hatte verdammt recht. Kam Madame von einer Reise zurück, checkte ich sie von Kopf bis Fuß. Beim letzten Mal hatte sie nach Lachs, Pralinen, Meer und Moltebeeren gerochen.

Außerdem war ich grundsätzlich der erste, der eine neue Frisur oder ein Kleidungsstück bemerkte. Ich machte Madame et Monsieur voller Enthusiasmus klar, wenn sie besonders gut aussahen, doch sie missverstanden meine Worte oft.

Ich wusste viel, auch wenn ich nicht überall hinreiste. Ich checkte, wann Madame et Monsieur auf dem Bratwurstmarkt gewesen waren, und dass Monsieur Schaschlik konsumiert hatte. Natürlich wollte ich mich ebenfalls gerne vorweihnachtlich einstimmen. Mit Currywurst zum Beispiel.

Here comes the sun!
Here comes the sun!

Aber warum entfernte Monsieur unseren Weihnachtsbaum? Das ganze Jahr über hatte ich ihn mit Liebe gegossen. Keine Ahnung, warum er trotzdem ein bisschen braun geworden war. Ich hatte jedenfalls mein Bestes gegeben. Den neuen Weihnachtsbaum stellten sie unverständlicherweise nach drinnen, wo absolutes Pinkelverbot herrschte. So konnte ich nicht arbeiten.

Plötzlich stand die liebe Frau Sonne auf der Matte, und die Welt schien wieder in Ordnung zu sein. Julchen kümmerte sich um ihren Garten, während ich Madame et Monsieur drinnen unter die Arme griff, beziehungsweise den Kopf drunter schob, vor allem bei den Mahlzeiten.

Zwar brachte es nicht die gewünschte Wirkung, doch langfristig erhöhte es die Aufmerksamkeit und Sensibilität für den „armen Hund“. Ein nicht unwesentlicher Faktor war auch das Fiepen. Julchen fand es blöd und unmännlich, wenn ich wegen jedem Krimskrams jaulte, doch die hohen Töne erzeugten Mitleid, und Mitleid war die Eingangspforte zur Welt der Lutscher.

Schau mir in die Augen, Kleines!
Schau mir in die Augen, Kleines!

„Der arme Hund!“, sagten sie, sahen mir in die olivfarbenen Augen und waren meist bemüht, mir meine Wünsche abzulesen. Als Hund musst du einfach wissen, wie du deine Lutscher packst. Früher hatte ich einfach angefangen zu bellen, wenn ich Lust hatte, etwas zu unternehmen, doch das kam nicht gut an.

Mit der neuen Masche war die Erfolgsquote ungewöhnlich hoch, sie standen immer kurz davor, den Medizinlutscher zu rufen. Oder sie hatten Angst, dass ich den Tierschutz bemühte. Eine Mail an PETA schrieb, um sie auf Missstände aufmerksam zu machen.

Also hatte ich alles ganz gut im Griff, nur mit Julchen ging es nicht so richtig voran. Sie widerstand meiner Kuschelaura, der sonst die gesamte Verwandtschaft, allen voran Tante Ju, sowie selbst Medizinlutscher unterlagen. Vor Kontrollchecks wurde ich gerne umarmt.

Was ich sagen wollte: Das bevorstehende Fest der Liebe wäre eine Bombengelegenheit für eine Verlobung. Ich war jetzt zweieinhalb und sprühte vor Bindungslust. Julchen wurde bald vier, also war sie die ideale Kandidatin. Ich musste sie vor der ersten Midlifecrisis bewahren.

In the mood for Verlobung
In the mood for Verlobung

Auch aus anderen Gründen natürlich. Ich vergötterte sie, seitdem ich das erste Mal an ihrer Seite laufen durfte. Damals hielt ich sie für eine Göttin. Doch Monsieur meinte, man sollte Frauen nicht vergöttern. Warum eigentlich nicht? Wenn die Auserwählte doch gut roch?! Und Julchen war mit Abstand das wildeste Ding unter der Sonne.

Daher ergänzten wir uns optimal, denn ich galt eher als der ruhige Typ. Außer bei Müllautos, Postlutschern und wenn Monsieur im Bad war. Er ging nämlich immer vor dem Gassi ins Bad, und jedes Mal dachte ich, er käme nicht wieder heraus. Wenn ich in Gassi-Modus war, musste es schnell gehen!

Gassi now!
Gassi now!

Madame meinte, ich hätte keine Geduld, auch bei den Wurstspielchen. Dabei war ich einfach nur der Meinung, dass man mit Fressen nicht spielen sollte. Geduld – das Unwort des Jahres! Was brachte es denn, stundenlang irgendwo Sitz zu machen und wie ein Fisch auf Madame zu starren? Auf ihr OK wie ein Irrer loszustürmen, nur für ein winziges Stück Wurst?

Aber ich schweife von meinem Lieblingsthema ab: Julchen. Wenn wir so miteinander spielten, uns zärtlich in die Backen bissen und an den Plüschohren knabberten, hatte ich den Eindruck, dass sie ziemlich auf mich stand.

Ich hielt ihr den Rücken frei, komische Typen vom Hals und säuberte ihren Napf. Was wollte sie mehr? Ich brachte sie zur Räson, wenn sie etwas Unüberlegtes tat. Zum Beispiel sollte sie am Deich keine Blechhöhlen jagen, Madame, Monsieur und ich mochten das nicht. Doch Juli hasste mich, wenn ich sie einhütete.

Das wildeste Ding unter der Sonne
Das wildeste Ding unter der Sonne

„Hüte niemals einen Hütehund!“, keifte sie mich an und zeigte mir die Zähne. Aber ich liebte einfach alles an ihr. Letztendlich hatte ich Erfolg, ich konnte ziemlich schnell rennen, wenn es sein musste. Und es musste sein.

In meinen Augen war Gassigehen eine heilige Rudelveranstaltung, da sollte es keine Extrawürste für den Einzelnen geben. Obwohl, so eine extra Wurst war grundsätzlich ganz nett, es kam halt auf die Form an.

Zum Fest der Liebe erwarteten wir Grandmadame – die ideale Gelegenheit für eine Verlobung also. Vielleicht konnte ich Julchen vorher mit einem netten Geburtstagsgeschenk überraschen? Und wenn alle Stricke reißen sollten, konnte ich mich auf die hübsche Maggie freuen, die uns mit ihrem Rudel zum Jahreswechsel besuchen wollte.

Zu zweit ist's am schönsten.
Zweisamkeit

Text: Janni (nach Diktat eine Traumreise für seine Liebste als Geschenk ins Auge gefasst. Doch wohin bloß?)

Fotos: Elke Weiler

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