Bei den Waldfeen

Café Schweizer Haus

Im Hochdorfer Garten

Als waschechter Nordseehund kannte ich einen Wald nur vom Hörensagen. Würde ich dort Feen, Elfen, Trolle und Gnome treffen? Ich traute mich nicht, Madame et Monsieur danach zu fragen. Als wir loszogen, um den Wald zu entdecken, schloss sich uns die süße Lola spontan an, mein ehemals blütenweißes Schäflein. Monsieur hatte mich zuvor sonntagsfein gebürstet, aber Lola leider nicht. Sie könnte ein Bad vertragen, doch dazu hatten wir jetzt keine Zeit. Egal, sie würde sich schon ins Waldbild einfügen.

In dem Tatinger Café am Hochdorfer Garten sonnten sich Lutscher in Hülle und Fülle. Schon beim Eintreten bewunderte man mein duftiges Fell. Obwohl verschiedene Kollegen unter den Kaffeetischen herumlungerten, richtete sich alle Aufmerksamkeit auf mich.

Man kannte das ja. Vielleicht sollte ich überdenken, demnächst inkognito zu den Kuchenstellen zu laufen, getarnt als Agentin mit Trenchcoat, Schlapphut und Sonnenbrille. Eine verlockende Vorstellung, aber sicher nur das halbe Vergnügen.

Ich lernte Klara, eine zweijährige Schäferhündin, mitsamt Rudel kennen. Ein ausgeglichener Typ, der meine stürmischen Avancen mit stoischem Gemüt hinnahm. Ein Fels in der Brandung. Sie roch gut und ihr schwarzes Fell glänzte wie das Meer in der Sonne. Gerne hätte ich mich länger mit ihr unterhalten, einfach so, ohne Lutscher, Leinen und das ganze Drumherum. Bestimmt hätten wir einen gemeinsamen Nenner gefunden.

Julchen im Hochdorfer Garten
Im Reich der Feen?

Aufbruch! Endlich zogen wir in Richtung Wald. Sonnenstrahlen fielen durch das Dickicht, um mich herum flirrte, piepste und raschelte es. Mittendrin stand ich, verloren mein Geist. In welche Richtung sollte ich ziehen?

Monsieur wollte immer auf dem schmalen Weg bleiben. Das war tendenziell langweilig, wo doch alles so verlockend duftete und jedes Gebüsch, jeder Dschungel aus Farnen und Unterholz genau unter die Lupe genommen werden musste. Ich wollte gründlich sein. Mit der Penibilität und der Verantwortung einer Landvermesserin jeden Quadratzentimeter erfassen.

Doch dann passierte es… Plötzlich hatten wir Madame verloren! Ich läutete sogleich Alarm, doch Monsieur machte keinen Mucks. Wollte er Madame etwa den Trollen, Gnomen, Feen und Elfen überlassen?

Ihr Trolle!

Ich stimmte dagegen. Spätestens zu Hause würde ich sie vermissen. Ihre Finger schmeckten einfach besser als die von Monsieur. Ihre Haare, ihre fantastische Hautcreme. Und niemand konnte so gut massieren wie sie!

Langsam keimte in mir der Verdacht, dass auch Monsieur nicht ohne sie klarkam. Also kletterten wir auf einen Hügel neben einer komischen Ruine und versuchten uns einen Überblick zu verschaffen.

„Komm‘ zurück!“, bellte ich verzweifelt. Und mich an die Trolle wendend: „Rückt sie sofort wieder heraus, ihr dreisten Lümmel!“

Ich war wild entschlossen, sie mit Gewalt zu befreien und fletschte die Zähne. Gleichzeitig beschloss ich, bei der nächsten Gelegenheit meine wöchentliche Trainingseinheit auf Verteidigungsmaßnahmen zu erweitern. Ein bisschen Kung Fu konnte nicht schaden!

Besonders in diesem Wald, der sich zwischenzeitlich stark verdunkelt hatte. Wir verließen unseren Spähplatz und begannen das Dickicht abzusuchen, als ich Madame fotografierend vor einem Baum entdeckte. Himmelschafundmeer!

Ich war kurz davor, die Polizei zu rufen, und diese Superreporterin trödelte hier mit aller Zeit der Welt vor irgendwelchen Bäumen herum? Mir reichte es langsam! Außerdem hatte ich den Waldwesen Unrecht getan.

Während ich eine Kanone vor einem Haubarg bewunderte und mich sehnsuchtsvoll an mein Piratendasein und das Meer erinnerte, liefen wir erneut meiner neuen Bekannten Klara in die Arme.

So nannte ich diese Anhäufung von Botanik den „Wald, in dem man sich immer zwei Mal trifft“. Bestimmt gab es dafür einen ultracoolen indianischen Ausdruck, den mir irgendwann irgendjemand verraten würde.

Leider fing es an zu regnen, und ich hasste Wasser, das von oben kam. Also widmete ich den Trollen, Gnomen und Elfen einen letzten Gruß, bevor ich in die schützende Blechhöhle sprang.

Tschüss, ihr Waldfeen! Macht meinetwegen, was ihr wollt.

Text: Julchen (nach Diktat eingepennt. Leichte Schnarchgeräusche.)

Fotos: Elke Weiler

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