Das magische Bullauge

Auf der Fähre nach Oslo

Wenn ich durch das enorme Bullauge meiner Kajüte schaue, kommt mir die See unwirtlich, kalt und grau vor. Gibt es Schweinswale da draußen? Es ist Dezember, die Sonne verabschiedet sich schon nach vier Uhr am Nachmittag, zur besten Kaffeezeit. Ich bin auf dem Schiff nach Oslo.

Heute hat sich die Sonne nicht ein Mal hinter dem Wolkenschleier hervorgetraut. Mein Bullauge weist Sprenkel von Salzwasser auf, das der Wind nach Deck 8 hochgepeitscht hat. Seit wir die Kieler Förde verlassen haben, wirkt das Meer rauer, der Himmel düsterer.

Ich kann am Horizont noch schemenhaft einen Streifen Land und einen Leuchtturm erkennen, unser Nordost-Kurs führt an der Insel Langeland vorbei. Doch die sogenannte Dänische Südsee macht ihrem Namen im Winter keine Ehre.

Schiff nach Oslo
Die zugigste Stelle

22 Knoten beträgt unsere Reisegeschwindigkeit, das entspricht etwa 40 Kilometern pro Stunde. Wir bringen 74.500 Tonnen ohne Passagiere auf die Waage und haben maximal sieben Meter Tiefgang auf dem Schiff nach Oslo. Sanft wiegen wir uns in den Wellen, der Seegang ist kaum zu spüren. Vielleicht um Mitternacht am Skagerrak, wo die Meere sich küssen. Da geht es erfahrungsgemäß etwas wilder zu.

Im Bauch des Schiffes

Von alledem kriegen die meisten Gäste an Bord nichts mit. Es ist zu zugig, um wie im Sommer so lange wie möglich auf dem Außendeck zu bleiben und bei Sonnenuntergang gen Horizont zu blinzeln. Teilweise ist das Sonnendeck gar abgesperrt, wenn auch mit Weihnachtsdeko versehen. Die Lichterkette zappelt ordentlich im Fahrtwind, 50 Meter tiefer sprüht und klatscht der weiße Schaum des Fahrwassers.

Die meisten Passagiere hocken im Bauch des Schiffes, ein Mittelding zwischen Shoppingmall, Piazza und Kneipenmeile. Boutiquen, Bier, Eis, Pizza, norwegische Weihnachtsgerichte, Smørbrød, Kuchen. Sogar eine Karikaturistin ist bei der Arbeit.

Für einen Kaufanreiz soll der 20-Prozent-Rabatt auf das Shop-Angebot sorgen, der mit der Bordkarte ausgehändigt wurde. Doch Shoppen reizt mich nicht, ich wende mich ohne Reue den wirklich wichtigen Dingen zu. „Du hast das Leckerste ausgewählt“, meint der Mann hinter der Theke des „Oriental Café“ auf Englisch, als ich bei den dänischen Teilchen zuschlage – rein bildlich natürlich.

Sonnendeck auf dem Schiff nach Oslo
No sun.

Auf dem Schiff ist eigentlich schon Norwegen, ginge es nach den Passagieren. Im Gegensatz zu anderen Fährschiffen hat man sich für den Abend in Schale geworfen. Cruisen ist wie ausgehen auf dem Wasser, man schnackt gerne und viel, auch mit Unbekannten. Später trifft man sich bei der Show oder auf ein Tänzchen. Standard, versteht sich. Das fängt schon in der Mall an: Stimmungsmusik auf Norwegisch. Karneval ohne Kostüme.

Es glitzert im Bauch des „Party“-Schiffes, in den Gesichtern, am Weihnachtsbaum, an den Wänden, in den Körpern der bunten Quallen, die von der Decke der Mall baumeln. Fehlt nur noch das typische Weihnachts-Trallala aus den Lautsprechern und ein bisschen Glühwein – das Schiff nach Oslo wäre ein schwimmender Weihnachtsmarkt.

Kaffe og kage

16.30 Uhr, und es ist stockdunkel draußen. Der Bauch leuchtet weiter, lockt weiter, mit allen Mitteln. Vielleicht ist es ein bisschen zuviel Glitzer und zu wenig Meer. Vielleicht muss ich an Deck 15 oberhalb der Brücke schweben, das sogenannte Observation Deck – jetzt mit Blick in die Dunkelheit und Fahrstuhlmusik.

Zuerst mal ein Smørbrød mit Lachs auf der Promenade, die typischen norwegischen Adventsgerichte werde ich noch in Oslo testen. Später gehe ich in die Pizzeria. Und die Preise? Verglichen mit den Durchschnittspreisen an deutschen Flughafen wirken sie teilweise noch human.

Vel bekomme!
Vel bekomme!

Für „Kaffe og kage“, also Kaffee und Kuchen, bezahle ich 48 Kronen, etwa 5 Euro. Das Buffet hingegen: schlappe 50 Euro pro Person. Die Klientel ist meist mittleren Alters bis älter und wirkt ganz zufrieden mit sich und der bunten Schiffswelt.

Die sonst auf Fähren üblichen Trucker scheinen andere, kürzere Routen übers Wasser zu bevorzugen, es gibt an diesem Tag nur wenige an Bord der Color Magic. Ist die Strecke wirklich ein Test für alle, die mit einer Kreuzfahrt liebäugeln? Ich denke, dazu geht es dann doch zu schnell.

Kleine Massage

Immerhin wäre Zeit genug, um das Spa oder den Golfsimulator auszuprobieren, zum Friseur oder ins Fitness-Center zu gehen. Oder auf Deck 15 in die sternenlose Nacht zu tanzen. Auf dem Rückweg lasse ich mir Rücken und Nacken massieren (435 Kronen, etwa 60 Euro), passend zum Takt der Wellen zwischen Oslofjord und Skagerrak. Das Auf und Ab entspannt zusätzlich.

Oslo im Winter

Und dann wird sogar der Nikolaus mitsamt Gefolge seine Runden drehen, obwohl sie in Norwegen gar keinen kennen. Aber erst einmal freue ich mich auf Oslo im Winter. Auf Schlittschuhe und Julenissen, Gløgg und Schnee, Munch und Kanelbolle. Und wenn’s nicht kalt genug ist, gehe ich eben in die Ice Bar.

Text und Fotos: Elke Weiler

Mit Dank an Color Line, die meine Schiffsreise nach Oslo unterstützt haben.

13 thoughts on “Das magische Bullauge

  1. *brrr* die Reise hört sich zugig an! Aber ich finde es auch immer wieder spannend etwas „off season“ zu reisen. Noch dazu in den Norden. Das stelle ich mir spannend vor. Über Oslo hinaus, irgendwann über den Wendekreis, wenn es dann im Winter überhaupt nicht mehr richtig hell wird.

    1. Nahtlos von Alpacas zu Rentieren ;)

      Ein sehr schöner Artikel, liebe Elke. Ich bekomme Lust auf eine ähnliche „Kurzcruise“. Die Richtung ist schon gar nicht verkehrt.

  2. Rentiere hüten? Hat da jemand nach mir gerufen? Ich werde! Eines Tages – mag er früher oder später kommen :D Winter in Skandinavien flößt mir gleichzeitig Respekt vor der Kälte und sooo eine Lust auf Nordlichter und Rentierfahrten ein… Haben die Dresscode an Bord der Colorline? Orient Cafe klingt nach „idealer Aufenthaltsraum“ ;)
    LG Claudi

  3. Ich habe gerade bei Gerhard mitgelesen: Genau die richtige Einstellung! Und ich hätte gerne einen Platz im Rentier-Schlitten. Unter dicken Decken versteht sich! Happy 2. Advent, Jutta

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