Das norwegische Friluftsliv

Wegen der Trolle hatte ich mir nie Gedanken gemacht. Gab es welche? Und was trieben sie so? Vermutlich würden sie mich für einen von ihnen halten. Nur, dass ich die Haare anders hatte.

Ich vermutete stark, dass ich in Dänemark einem Troll begegnet war. Der Pink Hair Gnom war trotz mangelnder Temperaturen nur mit einer Bermudashorts bekleidet und klebte quasi auf einem Surfbrett. Aber das schien dort Usus zu sein.

Jedenfalls war der Surftroll crazy und locker, und wir hatten uns nett unterhalten. Beach talk – so lange Wind und Wellen es zuließen. Nach dieser Erfahrung konnte ich Trollen in Norwegen also relaxed gegenübertreten.

Sorgen machte ich mir, wenn überhaupt, wegen der Elche. Auf keinen Fall hatte ich vor, einen zu knutschen. Wer kam überhaupt auf die absurde Idee, so einem massigen Tier nahezutreten?

Trolle und Typen gab’s auch in Norwegen.

Wie sich relativ schnell herausstellte, war die Wahrscheinlichkeit größer, bei Outdooraktivitäten von einem Stein erschlagen zu werden, als einem Riesenhirsch zu begegnen. Jedenfalls tauchte ich gleich bei unserem ersten Stopp mitten in der Landschaft in ein Meer aus Steinen ein. Die Hardangervidda, wow!

Mit jeder Minute, jeder Stunde, jedem Tag, den ich länger in Fjordnorwegen verweilte, verschärfte sich der Eindruck, dass es aus Landschaften und Naturspektakeln bestand. Was bedeutete: Ein Wow folgte dem nächsten. Sie jagten sich in atemberaubender Weise.

Dementsprechend hielten sich all people am liebsten, und so oft es nur ging, im Freien auf. Wir auch. Drohte mir etwa der Frischluftkoller? Die Luft, so klar und rein… Ich summte ein Lied von Big Bob vor mich hin: „Three little birds“

Hammer!

Es passte. Ich fand den Rhythmus, auch hier im hohen Norden, wo man selbst im Sommer Mützen trug. Ich rückte mein Rainbow-Beanie zurecht, gewappnet für alle Eventualitäten. Luis, der Outdoor-Freak! Für die Norweger bedeutete dieses sogenannte „Friluftsliv“, das Leben an der frischen Luft, das In-der-Natur-sein, ja quasi alles. Mal schauen, wie es sich auf meine Gesundheit auswirkte.

Die Hänge waren steil, uuuhh, my heartbeat! Konnte sich die Chefin bei der Klettertour, die sie Wandern nannte, überhaupt auf den Beinen halten? Untrainiert, wie sie war? Mit diesen funkelnagelneuen Wanderschuhen? Als abhängig Reisender überlegte ich, in einen anderen Rucksack umzusteigen.

Aber… ist Luis nicht ein Veganer?

Doch dann legte sie mir die norwegische Keksschokolade vor die Nase. Genau meine Farben! Am besten schaute ich gar nicht nach, ob das Ding auch vegan war. Hauptsache, es zeigte Wirkung! Doch schon bevor ich einen Bissen zu mir nahm, durchströmte mich ein Glücksgefühl.

Ich hörte die Vöglein zwitschern, nahm das flirrende Licht in den Blättern der Bäume wahr und dieses wohlige Gefühl, das sich in meinem wohlgerundeten Bauch ausbreitete und bis in die Plüschspitzen vordrang.

Die Wirkung von schweißtreibenden Aktivitäten auf Körper und Seele, es war wie ein Flash, es war wie … No way. Bevor ich zensiert wurde, verkniff ich mir so was. Doch ich fing Feuer. Norway, you make me crazy!

Glücklicherweise blieb Zeit, auf Fähren zu chillen.

Während die Chefin längst mit Ziegen am Wegesrand schäkerte und sich in ein Dorf am Fjord namens Undredal verliebte, fand auch ich Gefallen am Leben in der Natur. Echte Traveller mussten Chamäleons sein, das wurde mir schlagartig klar.

Zwischen der ganzen Action blieb wenigstens ein bisschen Zeit, um auf Fähren zu chillen. Nur musste man höllisch aufpassen, nicht mit offenem Maul beim nächsten Wow in den Fjord zu plumpsen. Glücklicherweise waren wir von netten Kollegen umgeben, und man achtete aufeinander und auf das komische kleine Rastaschaf. So, feel good!

Wenn ich wirklich etwas nicht mochte, dann war es Baden. Freiwillig bekam mich also niemand ins Wasser. Auch ungern in eine schwimmende Nussschale, doch leider stand die Chefin total auf Kajaking. Und die Norweger auch.

Luis im Kajak: Wird er überleben?

So schien es unvermeidlich, dass wir uns an einem ohnehin schon feuchten Tag auch noch aufs Wasser begaben. Zwar steckten sie mich zunächst in eine Plastiktüte mit dem vertrauenserweckenden Namen „Floating Bag“. Doch mittendrin packte die Chefin mich aus und klemmte mich mitten aufs Kajak.

Gefahr und Regen ignorierend versuchte ich an etwas Schönes zu denken, an mein Mädel, meine Liebe in Hamburg, damit mir das Lächeln nicht verrutschte wie das Kajak-Gummi über den Klauen.

Dann schrien alle: „Ein Schweinswal!“ Und wirkten wie trunken. Sie hatten diesen runden Wow-Blick und paddelten noch verrückter als zuvor. Schweinswale schienen ja das Größte überhaupt zu sein. Da kam ein stinknormales Rastaschaf nicht gegen an.

Mit Chefinnen-Sonnenbrille wie ein überdimensionierte Schmeißfliege.

Nach der Schweinswal-Surprise-Safari tropften alle außer mir und mussten sich umziehen. Noch am Tag zuvor hatten wir ganz gemütlich am Aurlandsfjord gechillt, und alles war im Fluss. Die Chefin lieh mir ihre Sonnenbrille und sagte, ich wirkte wie eine überdimensionierte Schmeißfliege.

So what? Ich summte vor mich hin. Come on, you crazy sheep! Eigentlich kein schlechter Songtitel. Vielleicht war es an der Zeit, unter die Songwriter zu gehen. Cool stuff inspirierte mich überall auf meinen Reisen.

In einem Punkt konnte ich beruhigt sein: Den Elchen begegneten wir nur in ausgestopfter Form. Oft pappten ihre Köpfe an den Wänden – und zwar mit einem entrückten Dauergrinsen. Als wir in einer besonders urigen Hütte in Flåm landeten, die reichlich wikingermäßig rüberkam, überraschte mich das Leben.

Auf den Elch gekommen

Vergorener Malzsaft in sämtlichen Sorten! Vor Ort gebrautes Bier, serviert auf übereinander gestapelten Holztabletts. Die Norweger kleckerten nicht, sie klotzten. Der berühmte scandinavian lifestyle, vielleicht war das genau mein Ding.

Stay tuned, my friends,

see you soon!

Besos,

euer Outdoor-Freak Luis

Fotos: Elke Weiler

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert