Cape Reinga, ein heiliger Ort

Es geht weiter mit Meerblogs neuer Serie „Mein Lieblingsplatz am Meer“. Nach Peter Pfänder mit seiner Vorliebe für den Ammersee habe ich nun Ilona Schäkel aus Berlin gefragt. Die Kommunikationsfachfrau hat ein sehr spezielles Reisekonzept…

„Mein Lieblingsplatz am Meer? Liegt gleich um die Ecke in meiner Erinnerung!

Wenn ich die Augen schließe, bin ich da. Ich schmecke das Salz auf den Lippen, schlucke einen Kloß im Hals herunter und stemme mich gegen den Wind.

Grantige Böen zerren an meinen Haaren und die Brandung dröhnt auf meinem Trommelfell. Gut so: Ich mag das Meer am liebsten, wenn es laut ist.

Wochenlang habe ich Neuseeland von Süd nach Nord durchradelt. Jetzt bin ich endlich am nordwestlichen Zipfel der Inseln, am Ziel meiner Reise angelangt. Vor mir auf der schmalen Landzunge thront ein weiß getünchter Leuchtturm wie eine vergessene Spielfigur.

Neuseeland mit dem Fahrrad: der Ninety Mile Beach ©Ilona Schäkel
Neuseeland mit dem Fahrrad: der Ninety Mile Beach ©Ilona Schäkel

Dahinter öffnet sich ein postkartentaugliches Panorama: Der Himmel spannt sich über das kabbelige Meer, das am Horizont mit den Wolken zu einem milchigen Streifen verschmilzt. Die Wellen tragen Schaumkronen, wälzen sich über den menschenleeren Strand und werfen sich voller Inbrunst gegen die Klippen.

Cape Reinga. Vor der Spitze der Halbinsel Aupouri im hohen Norden Aotearoas treffen der Pazifische Ozean und die Tasmansee aufeinander, kein Wunder, dass es rau zugeht.

Nicht weit von hier ging 1642 der niederländische Seefahrer Abel Tasman vor Anker, um das Neuland zu vermessen. Von Bord traute sich der Entdecker nicht. Schließlich hatten ihm die Maori, die polynesischen Ureinwohner Neuseelands, gerade erst auf der Südinsel einen wenig freundlichen Empfang bereitet.

Ilona Schäkel, Kommunikationsfachfrau & Bloggerin aus Berlin
Ilona Schäkel, Kommunikationsfachfrau & Bloggerin aus Berlin

Für die Maori ist Cape Reinga ein heiliger Ort. Der Legende nach liegt hier der Eingang zur Unterwelt. Die Erzählung besagt, dass die Seelen der Verstorbenen am Kap das Land verlassen und an den Wurzeln eines 800 Jahre alten Pohutukwa-Baums hinabklettern, um nach Hawaiki, ins Land ihrer Vorfahren zu pilgern.

Auf einer Felsnase, die ins aufgewühlte Meer ragt, trotzt tatsächlich ein zerzaustes Bäumchen dem Seewind. Meine australische Reisepartnerin winkt ab. Doch auch wer nichts mit Spiritualität am Hut hat, kann sich der Magie des Ortes kaum entziehen. Ich bleibe, bis sich der Augenblick eingeprägt hat.

Mein einziger Besuch am Cape Reinga liegt mehr als elf Jahre zurück. So geht es mir oft: Ich mache einen Bogen um Orte, die mich begeistert haben. Aus Sorge, der zweite Eindruck könnte die Erinnerung überschreiben. Aber in Gedanken kehre ich immer wieder zurück.

An meinen Lieblingsplatz am Meer. Im Land der Erinnerung.“

Ilona Schäkel

Lebt seit der Jahrtausendwende in Berlin. Sie ist freiberufliche Kommunikationsfachfrau, Redakteurin, Bloggerin. Wenn ihr die Großstadt zu laut, zu voll und zu anstrengend wird, flüchtet sie ins Grüne. Und bloggt darüber unter „Kleine Fluchten Berlin“.

Ganz herzlichen Dank fürs Mitmachen!

8 thoughts on “Cape Reinga, ein heiliger Ort

  1. Ohja, Cape Reinga ist ein wirklich tolles Ende der Welt und sehr schön hier beschrieben :)
    Hab mir die Geschichte von der Rückkehr der Verstorbenen von einem Maori dort erzählen lassen, der mich sogar einen kleinen Pohutukwa pflanzen ließ (für den Fall, dass der alte Zausel da mal abstürzt).
    LG Claudi

      1. Mhhh, ich glaube, der Baum ist auch in anderen Maori-Legenden mit dem Tod verbunden; wenn ich mich richtig erinnere, war da noch etwas mit einem Krieger, der vom Himmel stürzte und dessen Blut die Blüten des Baums rot färbte… Oder, Claudi?

        @Monika Dank dir! :-)

  2. Vielen Dank für die Beschreibung deines Lieblingsplatzes! Sie weckt sofort wieder meine Sehnsucht nach diesem magischen Ort. Ich war vor 5 Jahren am Cape Reinga und am Ninety Mile Beach und mir geht es wie dir. Ausblicke, Geräusche, Gerüche, die gesamte Atmosphäre dieses Fleckchens Erde sind in meiner Erinnerung gespeichert und ich reise immer wieder in Gedanken dorthin, irgendwann hoffentlich auch noch einmal persönlich.

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