Kreuz und quer über Amrum

Radfahren am Watt

Nomen est omen: Windstärke 13 heißt der Fahrradverleih. Da Amrum (friesisch: Oomram) sich im Westen der Halligwelt barrierefrei der Nordsee preisgibt, pustet der Wind hier ein wenig kräftiger. Das hat seine Konsequenzen: „Das Wetter dreht schneller“, meint die Wahl-Amrumerin Kerstin Jöns aus Norddorf, die seit 26 Jahren auf der Insel lebt.

Aber Jörg Hoppe vom Fahrradverleih wüsste genau, wann welcher Radweg opportun sei. Als ich vor ihm stehe, ist er zwar gerade noch mit der Dressur einer Meise beschäftigt, klärt mich jedoch sogleich ausführlich über die Windsituation auf meiner Zielstrecke auf. Radfahren auf Amrum: Für eine gemütliche Halbtagestour peile ich das Inseldorf Nebel an.

„Auf der Hinfahrt empfiehlt sich der Wirtschaftsweg an der Ostseite – mit Blick aufs Watt und die Nachbarinsel Föhr“, meint der Kenner. Zurück müsse ich gegen den Wind fahren, dafür eigne sich der Waldweg am besten. Wenn ich einfach nur radeln wollte, würde ich es sogar bis Wittdün und zurück schaffen, einmal die Insellänge runter und rauf, etwa 20 Kilometer. Doch Kultur und Genuss sollen nicht zu kurz kommen.

Der endlose Kniepsand

Hoppe hat nicht zuviel versprochen: die Weite, das Watt – eine Strecke wie im Bilderbuch. Mit dem Wind im Rücken gleite ich mühelos an den Koppeln vorbei. Die Sonne wirft ein grelles Licht auf die schöne Nachbarin Föhr. Pferde, wohin das Auge blickt. Über 200 leben wohl auf der Insel der Freiheit, darunter die zwei Isländer und Shetlandponys von Familie Jöns.

Freiheit ist nicht nur ein Slogan.
Freiheit ist nicht nur ein Slogan.

Dieses Freiheitsgefühl, das ist nicht nur ein Slogan. Auf etwa 20 Quadratkilometern Fläche leben gut 2200 Einwohner. Zwei Bauern bestellen ihre Felder, der Rest ist Koppel oder freie Fläche. Hinzu kommt der endlose Kniepsand, der die Insel an der Westseite schützt und ihr einen atemberaubenden Strand beschert. Platz genug, um sich auszudehnen.

Egal, ob auf dem Fahrrad, beim Wandern, auf dem Rücken der Pferde. Das Glück liegt irgendwie in dieser Weite, in dieser scheinbaren Unendlichkeit. Und in den Amrumer Farben: das Blau des Meeres und des Himmels, das Weiß der Gischt und der Helligkeit des Kniepsandes im Sonnenlicht.

In Nebel ist eine erste Stärkung angesagt: Gegenüber des legendären „Friesen-Cafés“ kehre ich bei „Fisch & Meer“ ein. Jetzt kommt es klassisch: ein Fischbrötchen in Nordfriesland. Welches hier allerdings in einer hochentwickelten Form als Baguette – frisch aus dem Ofen – und reichlich belegt auf den Teller kommt.

Im Öömrang-Hüs

Zur Grundausstattung gehören knackige Salatblätter, Tomate, Ei und Zwiebeln – wer will. Dann kommt der Fisch. Ich wähle Graved Lachs mit Honig-Senf-Soße. Ergebnis: köstlich, satt. Und dann wäre noch der Hunger nach Kultur. Ich fahre in Richtung St.-Clemens-Kirche aus dem 13. Jahrhundert. Ich weiß von den Seefahrer-Geschichten der „redenden“ Grabsteine.

Die sprechenden Steine
Die sprechenden Steine

Nicht zu vergessen: das Öömrang-Hüs, das den Besucher in die friesische Welt des 18. Jahrhunderts einlädt. Und das die abenteuerliche Geschichte des Amrumer Kapitäns Hark Nickelsen erzählt. Zu guter Letzt erreiche ich die Erdholländerwindmühle auf dem höchsten Punkt der Amrumer Geest.

Ein Flügel wurde leider während des Auguststurms in diesem Jahr beschädigt. Für einen Besuch des angeschlossenen Museums bin ich leider zu spät dran, die Pforten sind bereits geschlossen. Schuld daran haben die vielleicht besten Waffeln Amrums im Café „Dörnsk an Köögem“. Doch allein das Aufwärmen in den schnuckeligen Räumlichkeiten hat sich gelohnt. Von den Waffeln jetzt mal ganz zu schweigen.

Die Erdholländermühle
Bei der Erdholländermühle

Über den schnurgeraden Strunwai durchquere ich die aufregende Dünenlandschaft der Insel, die man wohl schöner zu Fuß auf einem der Bohlenwege entdeckt. Auch das ist Radfahren auf Amrum: Bis zum Strand von Nebel begegnen mir zwei Hasen, zwei Fasane und drei Menschen. Dunkle Wolken ziehen auf, die Hagel mit sich bringen, doch der „Strandpirat“ gewährt mir Unterschlupf.

Tannenwai mit Windschutz

Beim Anblick von Dünen und Kniepsand in jenem dramatischen Licht versteht wohl jeder, warum die Amrumer stolz auf ihre Insel sind. Das kann einem selbst eine Schauer nicht verhageln. Ich nehme wie empfohlen den Tannenwai zurück nach Norddorf, fühle mich geschützt von den Bäumen, die den Wind etwas ausbremsen. Kaum eine Seele unterwegs.

Mobile Kids
On the beach

Zurück im Hotel erzählt mir Kerstin Jöns, wo und wann sie Amrum nach getaner Arbeit am besten genießen kann: Abends, bei ihren Pferden draußen auf der Koppel. Allein. Der beste Moment des Tages.

Text und Fotos: Elke Weiler

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