Ein zierliches Persönchen knetet mich durch, Stück für Stück. Ungeheure Kräfte kann sie entwickeln. Ich weiß noch nicht, wie der Name dieser Massage mit vollem Körpereinsatz ist, tippe aber auf etwas Asiatisches.
Die Expertin hatte mich eingangs gefragt: „Hard or medium?“ Zum Glück nicht „well done“, sonst wäre ich mir wie ein Steak vorgekommen. Die Option „soft“ stand übrigens nicht zur Debatte. „Medium fühlt sich wie hart an“, gebe ich zu Bedenken. Sie lacht und gelobt Besserung, während sie weiter systematisch sämtliche Gliedmaßen bearbeitet.
Meine Körperteile scheinen sich zu verselbständigen. Ob sie irgendwann wieder zu mir zurückkehren? Wunderbar wohl tut es im Schulter-Nacken-Bereich, traditionell verspannt. Viel zu tun für den Profi.
Es ist die erste Massage meines Lebens, die mich nicht müde macht. Im Gegenteil. Um drohendem Muskelkater vorzubeugen, stelle ich mich noch fünf Minuten in den hoteleigenen Hamam und dampfe lustig vor mich hin. Alles ist gut, auch die Körperteile sind zurückgekehrt. Am Ende erfahre ich: Das war eine schwedische Massage.
Dabei bin ich in Istanbul. An jenem Donnerstag sind Demonstrationen erwartet. Ich will zum Bosporus. Beim Frühstück im 20. Stock des Mövenpick Hotels erzählt der Istanbuler Özen Kulak, dass es dort Tümmler gibt. Zwar habe er in 30 Jahren nur zehn Mal welche gesichtet, aber wer weiß, vielleicht ist mir das Glück hold.
Alle raten mir, den Taksim-Platz heute ausnahmsweise zu vermeiden und auch benachbarte Gebiete weiträumig zu umgehen. Zum Bosporus sollte ich fahren, am besten mit dem Taxi. Teuer wäre das nicht. Dem Fahrer nenne ich das empfohlene, fünf Kilometer entfernte Viertel Bebek als Ziel. Er spricht zwar kein Englisch, versteht aber Bebek und lässt mich dort zentral aussteigen.
Irgendwie komme ich schon wieder zurück, es gibt ja unendlich viele Taxis in der Mega-Stadt. Inoffiziell 17 Millionen, lässt der Experte Özen verlauten. Er muss es wissen. Gebürtig stammt er zwar aus dem Ruhrgebiet, lebt aber schon eine Unendlichkeit lang am Bosporus.
Er gibt mir noch auf den Weg, mich neuen Kontakten nicht zu verschließen: „Jedes Gespräch ist ein Teil von Istanbul.“ Nun, daran soll es wahrlich nicht scheitern. Solange das Gegenüber Englisch versteht. Denn meine Türkischkenntnisse beschränken sich auf wenige Worte. „Günaydin“ klappt schon fließend: Guten Morgen! Und „teşekkürler“, wenn ich mich bedanken will. „Çay“ sage ich, wenn ich das Nationalgetränk, also einen Tee im Tulpengläschen bestellen will.
Nun stehe ich also mitten in Bebek, endlich am Bosporus. Hippe junge Leute flanieren am Ufer entlang, wo die Angler, immer männlich, doch durch alle Altersklassen hinweg ihr Glück versuchen. Keine Spur von Demonstrationen oder gar von Chaos in diesem Teil Istanbuls. Sieht man mal von einigen ebenso teuren wie knalllauten Karren ab, die über die Uferstraße cruisen, es wäre die reinste Idylle mit schaukelnden Booten und Yachten vor angesagten Lokalen.
Man sitzt auf niedrigen Stühlen direkt am Wasser und trinkt Tee. Touristen scheinen sich eher selten nach Bebek zu verirren. Hätte ich nicht schon etwas festgemacht für den Abend in meinem Hotel, würde ich mich nun in eines der Lokale setzen und etwas Typisches bestellen.
Manti. Pasta auf Türkisch. Zurück im Businessviertel Levent fahre ich nach ganz oben und genieße die Aussicht über die niemals schlafende Stadt. Ich kann auf den Bosporus und bis zu den Prinzeninseln aus Marmarameer schauen, während die Sonne untergeht. Dann fängt die Stadt an zu funkeln, Vogelschwärme leuchten wie Glühwürmchen am Nachthimmel.
Die Kellnerin ist schwer begeistert von meiner Auswahl: zunächst Meze, eine kleine Vorspeisenmischung, dann Manti und zum Abschluss Raki. Unter den Meze finde ich köstlichen Käse und das bislang beste Dolma meines Lebens. Das äußere Weinblatt ist zart und umwickelt geschickt die Reis-Gemüse-Mischung, geschmacklich abgerundet mit Koriander.
Dann stellt die Kellnerin ein Heer von Tellern und Schüsselchen auf meinen Tisch: Manti zum Selbstmischen. Ob ich denn wüsste, wie das geht? Ich schüttele den Kopf, und sie dekoriert die dampfenden Teigtaschen. Sie gießt etwas warmes, orangerotes Öl drüber, das es in sich hat. Scharfes Paprikapulver sorgt für Farbe und Würze.
Dazu gesellt sich Joghurt mit Minze und wirkt neutralisierend. Nicht zu vergessen die Soße aus gekochten Tomaten. Insgesamt: ein Feuerwerk für den Gaumen. Auch beim Raki hilft die Kellnerin mir, bringt mir die perfekte Mischung mit Eis und Wasser, die dem Ganzen die Schärfe nimmt.
Ich schaue auf die tanzenden Großstadtlichter und freue mich. Auch wenn es keine Delfine in Sichtweite gab. Man braucht ja immer einen Grund wiederzukommen. Und für Istanbul fallen mir gleich mehrere ein.
Text und Fotos: Elke Weiler
Mit Dank an das Mövenpick Hotel Istanbul und Opodo, die meine Istanbul-Reise unterstützt haben.