Brunftarena – was für ein Wort. Als würden uns die Rothirsche am Darßer Ort hereinbitten und sagen: Kommt doch, die Show geht gleich los. Wir machen ein bisschen Musik und vielleicht gehen wir uns auch ans Leder.
Aber nein, wir sind nur geduldet. Und bitte auf Abstand! Das Gute am Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft ist ja, dass sich die Hirsche sogar am hellichten Tag zeigen. Warum? Sie haben gemerkt, dass sie auf dem Darß nicht mehr bejagt werden.
Auch die jungen Wildschweine, die wir eingangs am Rundweg getroffen haben, wirken relativ locker. Natürlich ist das Ganze kein Streichelzoo, und die Tiere kommen am liebsten dann aus ihren Verstecken, wenn nicht mehr allzu viel Betrieb auf dem Rundweg herrscht.
Nach diesen ersten Begegnungen sind wir motiviert weitergelaufen, immer den Blick in die Landschaft um uns herum gerichtet. Da! Ein imposantes Tier zwischen den Baumstämmen, so groß wie ein junger Elch. Doch es ist ein Rothirsch, der uns geradewegs in die Augen schaut. Wir sind fast zu gebannt, um ihn kaltblütig anzuvisieren, scharf zu stellen, abzudrücken.
Dabei hat uns der Naturfotograf und Seeadler-Betreuer Mario Müller die passenden Fotoapparate mit Teleobjektiven ausgeliehen, damit wir näher an das scheue Wild herankommen. Auch Ferngläser sind hilfreich, das merken wir in den kommenden Tagen bei der Beobachtung der Kraniche.
Auf einer Holzplattform stehen wir nun und schauen in die Weite. Am Horizont das Meer, zwei Seeadler kreisen über den Dünen. Fast dämmert es, und die Boddenlandschaft scheint zu dampfen.
So wie der Regen auf dem Rücken der Mecklenburger Kaltblüter, die uns samt Kutsche durch den Darßwald geschaukelt haben. Sonst hätten wir die Strecke laufen oder radeln müssen, was vielleicht schneller, aber auch wesentlich feuchter geworden wäre.
Glücklicherweise hat das Plätschern aufgehört, und unsere Kameras sind schussbereit. Im hohen Gras ragt hier und da ein geschwungenes Horngebilde empor. Und zu unserer Freude bläst der eine oder andere Bulle kräftig in die Trompete: Testosteron liegt in der Luft. Jede Menge.
Manche Laute erinnern mich an die von Hunden, wenn auch tiefster Bariton. Kein Wunder, bei einem Kampfgewicht von bis zu 250 Kilos. Einige der imposanten Singles haben wir schon in der Nähe des Nothafens gesichtet, doch hier entdecken wir nun einen, der einen Schritt weiter ist: den Hirsch mit Harem.
Bis zu 12 Kühe versucht ein Bulle um sich zu scharen, wenn auch nur für einige Wochen. Während der Paarungszeit futtert er nicht: Zuviel zu tun!
Ganz allein auf Hirschpirsch sind wir selbst am frühen Abend nicht. Im Gegenteil. Es ist die Zeit der Profis, jede Menge Naturfotografen säumen die Wegesränder und sind an der Brunftarena postiert. Wer das längste Objektiv? Vermutlich Mario Müller mit diesem sechs Kilo schweren Teil. Auch noch Camouflage.
Eine Kollegin blitzt versehentlich und kriegt sofort eine Breitseite von den Profis: „Können Sie das nicht abstellen? So was macht man in der Naturfotografie nicht!“ Aber wir sind ja nur Journalisten.
Auch ohne Schießübungen mit oder ohne Mega-Objektiv hätten wir noch stundenlang den Hirschen zuschauen und -hören können. Ein männlicher Kollege geht sogar noch weiter, meint er doch, er wolle mal mit einem tauschen, so für ein paar Wochen. Einmal im Leben Platzhirsch sein? Sei’s ihm gegönnt.
Nach der Brunft, die im ersten Oktoberdrittel endet, überwiegen in der Welt der Hirsche übrigens wieder die matriarchalischen Strukturen. Weg mit dem Testosteron. Peace.
Text und Fotos: Elke Weiler
Danke an den Tourismusverband Mecklenburg-Vorpommern e.V., der diese Reise ermöglicht hat.
Ein Stück Heimat, wie schön! Aber einen Hirsch habe ich noch nie am Meer gesehen ;)
Toller Post!!
Danke, Conny!
Hatte ich vorher auch noch nicht gesehen, stand dem Hirsch aber gut. ;-)
Wow! Das Hirsch-Foto!