Wir treffen Birgitta Jönssen am Öresund, und zwar an der schmalsten Stelle. Aber nicht auf der dänischen Seite, sondern gegenüber: in Helsingborg. Ein Katzensprung ist es nach Schweden. Zwanzig Minuten übers Wasser, die Fähre pendelt ständig hin und her.
Da wären wir also: Hej, Sverige. Hej, Birgitta. Auf dem Fahrrad will sie uns durch die Stadt begleiten – die Schweden sind ja alle so sportlich. Zumindest sehen sie so aus.
Das Wetter spielt mit, der Wind ist frisch, die Sonne wärmt unsere Haut. Wenigstens den Zipfel, den sie davon kriegen kann. Die Gesichter, die Hände. Birgitta holt ein bisschen aus, während wir am Wasser stehen.
Der zweitgrößte Hafen Schwedens
„Lange Zeit waren wir durch die Wälder isoliert von der Umgebung“, erzählt sie. Heute wären die Einwohner aus der Region Skåne theoretisch in einer Dreiviertelstunde in Malmö. Doch Birgitta weiß, wie ihre Leute ticken: „Alles über 20 Minuten ist weit weg!“
Die Nähe zu Dänemark, hier an der Meeresenge, kommt der Stadt zu Gute. Birgitta mag das, so nah an einem anderen Land zu wohnen. Wir sagen, dass wir gerade von dort kommen, aus dem hübschen Helsingør.
Eine Kleinstadt, geprägt von Gassen, Innenhöfen und einer lockeren Atmosphäre. Gärten, die das soziale Miteinander fördern – all das hat uns gefallen. Die Botanik sei übrigens auf der schwedischen Öresund-Seite ebenfalls ein großes Thema, erfahren wir von Birgitta. In Form großer Parks – später werden wir aus der Stadt radeln und alles sehen.
Dunkers Kulturhaus
Jetzt führt Birgitta uns erst einmal durch die Straßen der Stadt. Alles wirkt breiter, höher und neuer als auf der anderen Seite des Öresunds. Zumindest am Wasser. Da ist dieser riesige Hafen, der zweitgrößte Schwedens. „Sie sagen, es wäre der größte Fährhafen des Landes.“ Das auch noch. Container stapeln sich, doch heute passiert nicht viel. Samstagmorgen.
Wir radeln ein Stück weiter, zum Nordhafen. Keine Container, dafür Stege, Wasser, Segelschiffe, Yachten. „Einst haben die Armen hier gewohnt, heute können es sich nur die Wohlhabenden leisten“, meint Birgitta. Aber aufs Meer schauen, das ist kostenlos. Und im Mai singen sie Frühlingslieder an Ort und Stelle.
Ein Stück weiter treffen wir die Hasen. Kunstwerke, Steinskulpturen. Sie liegen, stehen oder sitzen vor dem Dunkers Kulturhaus, dessen Dächer sich wie Wellen oberhalb eckiger Arkaden ergießen. Eine Anspielung aufs Meer, ein Spiel mit den Formen? Vielleicht bilde ich mir das nur ein. Die Hasen verwirren mich, sie gucken so.
Helsingborg hat immer schon von seiner Lage profitiert, auch zu dänischen Zeiten. Im Mittelalter galt die Gegend als großer Umschlagplatz für Hering. Jetzt lacht unsere Birgitta, ihr fällt etwas ein: „In Dänemark nennen sie ein hübsches Mädchen leckerer Hering.“ Das zeugt natürlich umgekehrt vom großen Ansehen des Fischs.
Blaubeerhonig und Tomatenmarmelade
Die wenigen Passanten, die am Samstag um 10 Uhr unterwegs sind, schauen uns ein wenig verwundert an. Nicht unbedingt wie leckere Heringe. Eher schräg. So schwer aktiv, wie wir um diese Unzeit durch die Stadt düsen. Doch schon eine Stunde später hat sich das Bild schlagartig geändert, ist Helsingborg erwacht.
Menschen strömen durch die Fußgängerzone und über den Schlemmermarkt an der Marienkirche. Mein Einsatz: Ich kaufe Blaubeerhonig, den ich vorher probieren kann, darf, muss. Köstlich. Was es nicht alles gibt, ich gerate fast in einen Shoppingrausch. Brot, Kräuter, Käse, Obst, Tomatenmarmelade! Hallonsaft überall. Die Schweden scheinen Blau- wie Himbeeren gleichermaßen zu verehren.
Wir stärken uns ein bisschen, probieren hier und dort, denn wir brauchen frische Energie für die Garten-Tour. Um die Stadt zieht sich ein Grüngürtel, es wimmelt nur so von Parks. Wir treffen auf Schafe und Schweine, Kräuter und Blumen im Freilichtmuseum Fredriksdal. Die Region Skåne en miniature. Das pralle Landleben, Idylle und Nostalgie-Feeling.
Dann wird’s königlich. Wir steuern nämlich Schloss Sofiero an, einstiger Titelträger in Sachen europäischer Garten. Die Pracht ist Prinzessin Margareta zu verdanken, die Anfang des letzten Jahrhunderts den ersten Rhododendron pflanzte.
Äppelpaj im Schloss
Bis dato hatte das Schloss nämlich einen Dornröschenschlaf gehalten. Nach Auffassung der Prinzessin wäre der Garten wie eine Leinwand, die mit Farben gefüllt werden muss. Heute ist alles öffentlich, das war es teilweise auch schon zu Margaretas Zeiten. Eine Stunde täglich durfte das Volk früher den Park genießen.
Heute wird hier fleißig gepicknickt, und so stören wir in unserer Fotografierwut eine gemütlich im Gewächshaus futternde Gruppe. Doch die Schweden bleiben locker, wir dürfen ruhig gucken, mitlachen und fotografieren. Etwas zu essen wäre natürlich auch eine Maßnahme, dafür steuern wir das schlosseigene Restaurant an. Gemüse-Quiche mit Öresund-Blick. Äppelpaj, schwedischen Apfelkuchen zum Dessert.
Wir wandeln durch Margaretas Blumenstraße, landen vor der Verlobtenhecke, probieren die Äpfel der Obstplantagen – wie im Paradies. Doch wo sind die Rhododendren? Tausende Pflanzen, sage und schreibe um die 300 Sorten. Erst im Mai und Juni zeigen sie sich und verwandeln den Park in ein Blütenmeer.
Damit ist die Sache klar: Wir müssen wohl im Frühjahr oder Sommer noch einmal über den Sund setzen.
Text und Fotos: Elke Weiler
Mit Dank an die Reederei Scandlines, die diese Öresund-Reise ermöglicht hat.
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