Shiatsu am Strand

Mein Julchen galt als der Hund mit der längsten Zunge Nordfrieslands. Kaum, dass sie irgendwo toben konnte, verausgabte sie sich dermaßen, dass ihr Waschlappen zwar in aufreizendem Rosa, aber meterlang aus dem Maul baumelte.

Trotzdem sah sie entzückend aus, als wir nach St. Buddel aufbrachen. Wir feierten Madames Rückkehr aus Honolulu, Hamburg oder irgendwo, und für die Party war uns jeder Ort recht. Hautsache, wir waren zusammen. Die Sonne knallte nur so vom Himmel, und Julischka trug passend zum Wetter Gelb und Blau im Plüsch.

Als Naturburschi ließ ich mein Haar ungern stylen. Monsieur stand zwar auf meinen wilden 80er Jahre Rocker-Style, doch dann wedelte er mit einem Haargummi vor meiner Nase. Himmelschafundmeer, bitte nicht den Sumo-Zopf! Dann hielten mich wieder alle für ein Schwergewicht.

Trotzdem überraschte es mich jedes Mal, wie gut ich als Sumo sehen konnte. Weit und klar. Den Horizont und das Meer. Monsieur bewunderte die Nougatfarbe meiner Augen und wirkte noch verliebter als sonst. Mehr zu fressen gab es aber nicht.

Wo steigt die Party? Janni in St. Buddel.

Julchen flötete leicht erregt ob der Verkehrssituation, und Monsieur meinte, sie wäre kein guter Beifahrer. Ich fand draußen alles cool bis langweilig und beschloss, mich aufs Plüschohr zu legen. Doch als uns die süßen Alpakas auf der Fenne am Weg ihre hübschen Hintern zuwandten, drehte Jule durch.

Warum die Plüschbacken in rudelinternen Kreisen „Pumas“ hießen, wussten nur die Sonne und das Meer. Ich für meinen Teil freute mich auf die Pfosten, solange mir keine Pumas direkt vor die Pfoten liefen. Was in der Wüste von St. Buddel eher unwahrscheinlich war. Dort gab es vor allem Holzpfosten – also alles top. Denn so musste ich mich nicht ersatzweise an Autoreifen oder Blumentöpfe halten.

Und da ich die Sache als diplomierter Pfostologe (ich berichtete) mit wissenschaftlicher Präzision anging, durfte sich der Rest des Rudels gedulden. Wenn ich fertig war, würden wir schon noch den Strand erreichen.

Auf dem Weg durch die Dünen.

Schon auf dem Dünenweg, als Julchen die ersten Sandkörner unter den Pfoten spürte, ließ sie alles heraus, was sich seit zwei Wochen angestaut hatte. Buddeln half, ein Grundsatz der Psychotante Mademoiselle Julie. Mutmaßungen vorbeiziehender Lutscher erwiesen sich als falsch: Meine Schnuckelpuppe suchte nichts im Sand. Keinen Bernstein. Kein Wasser. Keine Knochen.

Hallo? Wie sollten denn auch Kauknochen in den Sand kommen? Sollte der Osterhase sie dort für brave Hunde vergraben haben? Ausgerechnet das dreiste Hasenvieh! Nichts als Ärger damit.

Die Löffelhopser rannten provokativ über die Fennen und Straßen, und wenn du als wohlerzogenes Kerlchen mit ihnen kommunizieren wolltest – Pustekuchen! Da musste ich mir Julchens neue Freunde loben. In der letzten Zeit hatte sie einen extrem guten Draht zu Bisamratten, die putzig und in rauen Mengen durch die Wassergräben unserer wunderbaren Halbinsel Eiderstedt paddelten.

Die Technik stimmt: Shiatsu mit Julchen.

Nur die Dithmarscher Nager wirkten leicht aufsässig. Aber darüber wird euch Julchen bestimmt selber berichten. Nun mussten wir dringend zu Rockys Party, auch wenn wir noch nichts davon ahnten.

Wenn du als Janni oder „Schnappi – das Krokodil“, wie Madame et Monsieur mich neuerdings gerne nannten, also wenn du als cooler Wusel endlich wieder die Pfote auf deinen absoluten Mega-Wahnsinns-Lieblingsstrand setzen konntest, gab es nur eins: Schnell auf den Rücken schmeißen und von der Chefin massieren lassen!

Julchen war Spezialistin, sie setzte ihren ganzen Körper ein und nannte es Shiatsu – energetische Körperarbeit. Natürlich verstand ich nur Ackergülle, doch ich liebte es. Egal, welche Körperbahnen die Schnulle aktivierte, es fühlte sich saugut an.

Janni genießt die Chefbehandlung.

Was ich allerdings nicht verstand, war die neue Hütenummer. Mangels Alternativen sammelte Julchen mich jedes Mal ein, wenn Madame weglief. War das logisch? Rannte ich etwa weg?

Eines war doch klar wie Kloßbrühe: Wenn sich etwas bewegte, musste man es stoppen. Ich spürte das tief in mir drin. Meine Ahnen im schottischen Hochland wussten, was sie tun mussten. Immer, wenn ich es fühlte, egal ob Fahrradfahrer oder Jogger oder eine hüpfende Madame, fühlte ich mich inspiriert einzugreifen.

Zum effektiven Stoppen eines bewegten Ziels half ein simpler Trick: zwicken. Doch Monsieur unterdrückte meine angeborenen Fähigkeiten, während Madame mich immerzu provozierte. All das verwirrte mich. Und dann fing Monsieur auch noch an zu rennen.

Janni-Sitting: Julchen hat alle Pfoten voll zu tun!

Herrlich! Wir alle zusammen, den Wind im Plüsch. Und dann stand er vor uns. Rocky, ein Bild von einem Hund. Als seinem Rudel plötzlich einfiel, dass er Geburtstag hatte, regte Julchen sich ein bisschen auf. Eine Party musste doch vorbereitet werden!

Aber da wir alle flexibel und in Feierlaune waren, luden wir kurzerhand noch den schönen Giacomo ein und rockten den Beach gemeinsam mit unseren Rudeln. Die Stimmung konnte kaum besser sein, nur Giacomo wirkte leicht genervt von meiner erhöhten Aufmerksamkeit. Ich gab ihm ein paar Bussis, doch er war schwer zu besänftigen.

Sein Monsieur erzählte irgendwas von einer Meinungsverschiedenheit mit einem anderen Typen. Ein gefundenes Fressen für Julchen, die verächtlich schnaubte: Rüdenkram. Sie musste dringend buddeln, während wir Männer überlegten, wo wir am schnellsten ein Bier herbekamen.

Es war Rockys Beachparty n St. Buddel.

Da es weder Bisamratten noch Bier vorrätig gab, wechselten wir die Location und liefen durch den Wald. St. Buddel, ein Ort der Wunder: Es gab alles hier. Angeführt von Julchen kletterten wir auf einen Holzturm und erblickten das Meer am Horizont. Es sah gut aus wie immer.

Oder war es heute besonders schön? Ich schaute Julchen tief in die Bernsteinaugen und war froh. Sie und ihre Psychoanalytikerin Mademoiselle Julie, ich liebte all diese Varianten an ihr. Vor allem ihr Shiatsu.

Text: Janni (nach Diktat eine 10er-Karte für Ganzkörpermassagen gebucht)

Fotos: Elke Weiler

7 thoughts on “Shiatsu am Strand

  1. Einfach wunderbar Deine Texte, bitte immer wieder mehr davon.
    Es gibt heutzutage Unmengen von Küsten-Krimis, Deine Küsten-Erlebnisberichte fände ich als Urlaubslektüre doch noch viel interessanter. Wann gibt es das in Buchform, oder gibt‘s das schon? Würde mich nicht wundern, außer, dass ich davon noch nichts erfahren habe.
    Ich freu‘ mich auf Weiteres.

  2. Danke, Helmut, das freut mich wirklich sehr! In der Tat ist einiges geplant, was Bücher angeht. Ich werde das natürlich bekanntmachen, wenn es soweit ist! :-)

  3. Herrlich! Wir alle zusammen, den Wind im Plüsch … ich kugel mich weg beim lesen.
    Beardies, der Küste, die Fotos und die Texte … klasse liebe Elke.
    Danke sagt Dani

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