Karibische Hitze, gemütliches Tempo, alles im Fluss. Es sei denn, es ist August auf Barbados! Das ganze Jahr über fiebern die Bajans ihrem größten Event entgegen – dem Crop Over Festival in Bridgetown. Fünf Wochen lang feiert die Karibikinsel den Erntedank. Mitten im Sommer, während der Regenzeit. Aber selbst ein kräftiger Schauer kann niemanden vom Feiern und Tanzen abhalten.
Das Fest hat seinen Ursprung im 18. Jahrhundert, als Barbados der weltgrößte Zuckerproduzent war. Die Insel gehörte als Kronkolonie zu Großbritannien, und Sklaven bewirtschafteten die Plantagen. Von ihnen wurde das Crop Over Festival ins Leben gerufen, um das Ende der mühseligen Zuckerrohrernte zu feiern.
Heute leiten Erntekönigin und -könig die Feierlichkeiten während der Eröffnungsgala ein. Doch das in den 70er Jahren wiederbelebte Fest ist vor allem der Musik gewidmet. Während sich im offiziellen Wettbewerb beim Pic-O-De-Crop alles um den Calypso dreht, regieren in den Straßen schnellere Uptempo-Rhythmen – allen voran der Soca.
So wird jedes Jahr eine neue CD mit den aktuellen Karnevalsliedern produziert. Und keiner, der den aktuellen Lieblings-Ohrwurm nicht mitsingt! Sind die Texte bei den Calypso-Monarchen wie Red Plastic Bag eher politisch bis sozialkritisch, herrschen beim Soca einschlägige Refrains vor.
Schon seit über 25 Jahren ist der Calypso-King dabei. Eigene Texte, eigene Melodien. Red Plastic Bag stammt aus St. Philip an der Atlantikseite der Insel, die auch die „wilde Küste“ genannt wird. Er geht auf die 50 zu – doch Musik hält sichtbar jung.
„Calypso ist aus dem Protest heraus entstanden“, erzählt der Musiker. Und diese Tradition will er fortsetzen, beklagt in seinen Liedern die hohen Lebenskosten auf der Insel und den Aufkauf des Landes durch reiche Nicht-Einwohner.
Neben den Calypso-Königen sind kostümierte Mottogruppen die großen Protagonisten des Festivals. Schon Wochen vorher bereitet man sich auf den großen Auftritt am Kadooment Day vor, dem Höhepunkt der Festivitäten. Eine Explosion der Farben, der Fantasie, der Rhythmen.
Die sogenannten Bands ziehen zur schillernd bunten Parade in das National Stadion und später hinaus auf die Straßen. Wer eines der Glitzerkostüme kauft oder selber anfertigt, tut dies als Teil einer Band, einer Mottogruppe, und erhält damit seine Eintrittskarte ins Stadion.
Ob Hitze oder Platzregen: Die Band-Mitglieder tanzen und lächeln um die Wette, denn jeder will mit seiner Darstellung gewinnen. „Ich hasse den Kadooment Day“, meint Dong. Aber nur, weil er sich an diesem Tag nicht amüsieren kann. Als Bandleader hat er etwa 200 Leute im Rücken, ist verantwortlich für Sicherheit, Musik und Performance. Beim großen Finale der Karnevalsgruppen kann einem schon mal der Schweiß ausbrechen.
Eine Regenschauer macht den Bajans darum überhaupt nichts aus. Nicht bei soviel „Jumpin'“, wie die Bajans ihr Tanzen nennen. Dieses Hüpfen und Hüftwackeln passt eben gut zum Soca. Überall auf dem Boden liegen Bänder, abgesprungene Perlen, Ketten, sogar ein ganzer Kopfschmuck ist im Eifer des Gefechts verloren gegangen.
Dabei liegen die Preise für die aufwändigen Kostüme um die 350 Barbados Dollars, also mehr als 120 Euro – das ist bei einem Pro-Kopf-Einkommen von umgerechnet ungefähr 5 200 Euro im Jahr ein nettes Sümchen. „Das Crop Over ist eine eigene Industrie, die Leute geben viel Geld dafür aus“, bestätigt Jason, der bei einem der großen Kostümhersteller arbeitet.
Neben der lokalen Musikindustrie kurbelt das Erntedankfest also auch den Bekleidungssektor an. Die Kostüme werden in Barbados produziert, aus Trinidad geordert oder nach eigenen Entwürfen in China angefertigt.
Nach dem großen Showdown am Kadooment Day im Stadion geht es hinaus zu den Musikwagen, hinaus auf die Straßen von Bridgetown. Die letzte Station des Umzugs ist der Spring Garden Highway, wo sich auch an allen anderen Tagen das Feiervolk versammelt.
Steel Bands spielen auf, jeder tanzt mit jedem, kühlt sich zwischendurch mit einem Eisgetränk ab oder stärkt sich mit gegrilltem Hühnchenfleisch an einem der unzähligen Stände. Bier und Rum fließen wie der Regen – wenn auch nicht vom Himmel. Balztänze mit engem Körperkontakt sind allerorten zu beobachten.
Wer nicht aus der Karibik kommt und eventuell noch keine „rollenden“ Hüften hat, dem versichern die Einheimischen wohlwollend: „Die Musik wird dir zeigen, wie man sich bewegt.“ Stimmt. Der Soca geht sofort ins Blut und das „Jumpin'“ kommt ganz von selbst. Mit oder ohne Hüftkreisen. Und auch ohne Balz.
Text und Foto: Elke Weiler
Danke an die Barbados Tourism Authority, Condor und Almond Resorts für die Unterstützung dieser Reise.