Wenn ein Koffer solo antanzte, war das ein Anzeichen von Grandmadame. Vermutlich würde sie bald auf der Matte stehen. Trotzdem gab ich dem Paketlutscher eine akustische Breitseite. Es konnte schließlich nicht jeder kommen und einen Koffer bringen! Waren wir ein Warenlager?
Allerdings roch der Koffer appetitlich, als Sous-Chef und Foodblogger merkst du so was gleich. Keiner packte ihn aus? „Himmelschafundmeer!“ schimpfte meine Lebenspartnerin. Ich, den sie bekanntermaßen auch „Die Nase“ nannten, erstellte ein akribisches Aromatogramm, wie immer, wenn etwas oder jemand von draußen kam. Es war, abgesehen von der notwendigen Prophylaxe, eine Art Forschungsarbeit.
Meine Holde erstellte ebenfalls Aromatogramme, nur an anderer Stelle. In Garding nämlich, dem urbanen Höhepunkt unserer schönen Halbinsel Eiderstedt. Spazierten wir durch Garding, was an stürmischen und verregneten Tagen als Alternative zu exponierten Stellen wie Strand oder Deich gehandelt wurde, konzentrierte meine Angebetete sich auf Hauseingänge.
Sie erstellte ein komplettes Bevölkerungsprofil von Garding – nur anhand von Aromatogrammen! Es war zum Pferdeäpfelpürieren, weil sie sich andauernd an Türen verfranste, und wir kaum von der Stelle kamen. Den Grund vermutete ich irgendwo hier: Julchen fehlten positive Erfahrungen in Lokalen.
In Tönning hingegen ging meine Schöne gezielt auf die einschlägigen Etablissements zu. Vor allem ein Restaurant und eine Boutique hatten es ihr angetan. „Gute Erinnerungen“, erklärte Julischka mir. Ich übersetzte: Kekse – bester Stoff. Ihre frühe Konditionierung zum Café-Hund spielte mit Sicherheit eine große Rolle.
Kekse, so hatte ich richtig analysiert, waren auch der entscheidende Bestandteil von Grandmadames Kofferinhalt. Als sie dann endlich eintrudelte, sah ich goldenen Zeiten entgegen. Natürlich hatte sie nicht alle Wurstbrote aufgekriegt, ihren Proviant für die Reise in den hohen Norden, da sprangen Julchen und ich doch gerne in die Bresche.
Dann entwickelte Grandmadame während des Frühstücks neue Fütterqualitäten, mit denen sie locker im Westküstenpark oder in der Seehundstation anheuern konnte. Allerdings wirkte sie nicht sonderlich windfest, was eine Anstellung im Norden erschwerte. Julchen das komplette Gegenteil, die drehte erst richtig auf, wenn es um sie herum nur so pfiff.
Der sogenannte Flipping-Virus schien vor allem Beardinen zu befallen, Sturm machte sie wahnsinnig. Als noch mehr Besuch anrückte, das Maggie-Rudel, kam ich zu diesem Schluss. Maggie fegte über Deich und Strand, als wäre sie der Herr Wind höchstpersönlich. Auch beim Stöckchenspiel drängte sie sich in den Vordergrund, was ich Julchen absolut nicht zumuten konnte.
Also hielt ich meiner Partnerin den Rücken frei, ganz der persönliche Plüschritter. Leider hatte ich vergeblich versucht, im erweiterten Rudel wenigstens eine Position zwischen Jule und Maggie einzunehmen. Heilige Ackergülle! Sämtliche Aufhoppel-Versuche wurden von Maggie im Keim erstickt.
Mir blieb nur eins: Den Bodyguard für alle zu geben, was in Sankt Buddel in leichten Stress ausartete. Maggie driftete immer wieder ab, um fremde Rüden abzuschleppen. Die Typen rückten an, das Mädel verlor alsbald das Interesse, und wer war mit den Aufräumarbeiten beschäftigt? Janni, the Body!
Julchen hingegen flirtete mehr auf Distanz, vielleicht wollte sie mich nicht provozieren, vielleicht war sie raffinierter. Oder sie dachte, sie müsste es mit fünf Jahren sein! Dank meines besten Freundes, Monsieur, blieb mir jedenfalls nicht verborgen, dass Juli Mausi Maria einem gutgebauten Bobtail stundenlang hinterher starrte. Dieses Sankt Buddel war doch die reinste Flirtbühne! Vor allem an sonnigen Tagen wie Neujahr.
Monsieur befand überflüssigerweise, dass wir uns einem Neujahrscheck unterziehen sollten. Dazu stiegen wir jeweils gemeinsam mit ihm auf die Waage, und er subtrahierte irgendwas, das er für seinen Anteil am Gesamtgewicht hielt. Die Ergebnisse: Mir blieb mein Astralkörper bei Opitmalgewicht erhalten, doch Julchen hatte zugelegt.
Dabei hatte sie in ihrem Geburtstagspost doch noch über ihren Ex gewettert, der angeblich ein bisschen runder geworden war, ha! Selber! Von wegen Sportskanone! Sie konterte, dass sie ja viel zu selten ihren Deichkronenmarathon absolvieren konnte. Sollte sie halt wie ich mit Monsieur joggen gehen, doch das war ihr ja zu blöd.
Jedenfalls verschwanden all unsere Besuchslutscher wieder, und der Herr Winter zog in Nordfriesland ein. Eisschollen, Eiswind, Eisstöckchen am Deich, die zwischen den Zähnen knackten. Wir warteten auf den ersten großen Schnee, doch Frau Holle hatte null Bock aufs Bettenlüften. Existierte sie überhaupt?
Es war einfach nur arschkalt. Ich brauchte dringend ein schützendes Fettpolster, doch niemand gab mir morgens noch eine Extrawurst, seit Grandmadame sich wieder verkrümelt hatte und in südlicher Richtung abgedampft war. Madame et Monsieur frühstückten vegetarisch, gegen ein Quarkbrot war natürlich auch nichts einzuwenden. Hallo, hier!!!
Julchen behauptete, das mit ihrer Gewichtszunahme wäre alles geplant gewesen, Winterspeck halt. Die Natur wollte das so. Jedenfalls tummelte sich selbst bei sibirischen Temperaturen draußen, diese Verrückte. „Grönland“, murmelte sie wie in Trance. „So muss Grönland sein.“ Wenn sie jetzt wieder mit der ollen Geschichte von Emil, einem Kahn und ihrer gemeinsamen Reise in die Arktis kam, flippte ich aus!
Trotzdem musste ich zugeben, dass es wesentlich angenehmer war, wenn die Marschböden schön kross statt matschig waren, die Pfoten trocken, das Fell glänzend. Aber eine bequeme Couch in der warmen Hütte hatte oberste Priorität. Inklusive Knuddeln. The Body!
Text: Janni (Nach Diktat aufs Sofa gehüpft. Vielleicht lief ja ein skandinavischer Krimi?)
Fotos: Elke Weiler