Käse ist etwas Wunderbares.
Als Madame et Monsieur mir eröffneten, einen Ausflug ins Holländerstädtchen Friedrichstadt zu machen, dachte ich sofort an Gouda. Den verfüttern sie mir beim Üben. Wodurch sich das tägliche Training als Welpe recht angenehm gestalten lassen.
Sie sagten: „In Husum ist es heute zu voll – wegen des Krokusblütenfestes.“ (Ich berichtete.) Dieser Argumentation konnte ich nicht ganz folgen. Bedeutete „voll“ doch eine schier unermessliche Lutscherauswahl, also jede Menge ergebener Menschen, die nur darauf warteten, meine Zuneigung zu erfahren.
Das hätte durchaus in leichten Stress ausarten können. Aber ich verteilte nun mal gerne meine Gunst. Und waren es nicht Madame et Monsieur, die Passanten bereits schief anblickten, wenn letztere mich mal ausnahmsweise nicht als „drollig, niedlich, putzig, schnuckelig oder süüüüüüüß“ bezeichneten? Mir schien es fast so.
Ich war in ewiger „Peace“-Stimmung und wollte die Welt mit Liebe überschütten. Gebt mir Blumen, eine Fahne, was auch immer – und ich demonstriere mit euch gegen Atomkraft, Luftverschmutzung und für ein Limit auf Autobahnen!
Nun aber in die Blechhöhle und los! Zunächst bot Friedrichstadt eine Überraschung: Es war nicht das erwartete Paradies, es gab keine Goudastückchen an jeder Ecke. Die zweite Überraschung: Auch hier blühten die Krokusse. Ich dachte, dieses Event hätte meine Heimatstadt Husum gepachtet. Wir schlenderten über die zentrale Piazza, und mir fiel sofort auf: Es gab kaum Kaugummi auf dem Boden.
Dafür Wasser, nicht zu wenig, gebündelt in Kanälen. Ein Schwung unternehmungslustiger älterer Damen schipperte mit einem flachen Kahn darüber. Keine schlechte Idee. Vor allem, wenn es die Lutscherinnen so erheiterte.
Ansonsten macht sich ein leichter Mangel breit, gähnend leere Straßen, was Madame et Monsieur zu gefallen schien. Langsam schwante mir, dass meine Zweibeiner aus egoistischen Gründen diesen Ort angesteuert hatten: Sie wollten Kaffee trinken, in der Sonne, an einer dieser Grachten.
Und ich? Was sollte ich in dieser endlos langen Kaffeezeit tun? Angeleint, wo es so viel zu entdecken gab. Ok, ich hatte meine Decke, mein Knabberohr und eine Schüssel Wasser vor der Nase. Lieber wäre mir natürlich der Milchkaffee von Monsieur gewesen.
Aber wen interessierten all diese Dinge, wenn es die Welt zu erobern galt? Und vielleicht gab es ja doch noch irgendwo Käse? Ich musste das herausfinden.
Nach dem langweiligen Intermezzo im Café traf ich Nele, eine zweijährige Lhasa-Apso-Dame. Eigentlich war sie ganz patent. Aber was sollte das lächerliche Imponiergehabe, dieses Gescharre auf dem Boden? Mir brauchte die Kleine doch nichts vorzumachen.
Wir liefen an einer Eisdiele vorbei, doch niemand wollte ein Bällchen oder zwei oder drei mit mir teilen. Auch der nette Mann, der Fischbrötchen einkaufte, grinste mich nur an. Was für ein Leben! Die Welt bestand aus Verzicht.
Friedrichstadt war hübsch, aber eines wurde mir klar: Bald, möglichst bald, musste ich wieder auf den Deich! Der Wind würde mir durchs Fell fahren. Und irgendwo wartete das Meer.
Text: Julchen (nach Diktat eine weitere Suche nach der großen Käsequelle geplant)
Fotos: Elke Weiler