Fünf Mal Finnland

Am See in Finnland

Die nächste Reise führt mich am Montag ins winterliche Finnland – endlich Schnee! Rentiere! Huskies! Finnland habe ich bislang im Sommer und Herbst besucht. Ich habe die wahre finnische Sauna und das einfache Leben im Mökki zu schätzen gelernt. Ich habe Beeren gesammelt und Dutzende Rentiere gemütlich die Straßen ziehen gesehen.
Wie es wohl bei Schnee und Eis im Mökki am See sein wird? Oder selber mal mit dem berühmten finnischen Tretschlitten zu fahren? Ich freue mich darauf. Und lese, lese, lese.

„Man ist nicht zu betrunken, solange man auf dem Boden liegen kann, ohne sich festzuhalten.“
Finnisches Sprichwort

Das kuriose Finnland-Buch. Was Reiseführer verschweigen. Von Bernd Gieseking

Hier habe ich jene weise Redensart gefunden. Ein bisschen sagen diese Sprichwörter ja schon über den Erfinder aus. Nur mal zum Vergleich das deutsche „Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen“ – ein klarer Grund zum Auswandern. Aber das nur am Rande. Der Buchautor hat auf einem Roadtrip einmal rund um Finnland allerhand über das Land seiner Träume gelernt. Und so ist ein Buch entstanden, das neue Begehrlichkeiten weckt.
Ich will jetzt einen finnischen Pass. Vermessen? Auf der ganzen Welt verfügt nur ein finnischer Pass über ein Elch-Daumenkino. Der Elch läuft, was will man mehr? Mit einem laufenden Elch durch die Welt zu reisen, muss das höchste der Gefühle sein. Nur ein echter Elch als Reisepartner könnte das noch übertreffen.
Gieseking schreibt aber nicht nur über Kuriositäten und Sonnenseiten, sondern auch über die mangelnde Opposition, was Atomkraftwerke angeht. Und das, obwohl Finnland genau wie Schweden und Norwegen direkt von den Auswirkungen der Tschernobyl-Katastrophe 1986 betroffen war. Er schreibt, dass in Nordeuropa damals insgesamt mehr als 73.000 geschlachtete Rentiere vergraben werden mussten, und dass bis heute Lebensmittel in diesen Länder belastet sein können.
Das ist aber nicht der Grund, warum der Autor den zirka 364 Jahre alten Weihnachtsmann, joulupukki, im Santa Park nahe des Polarkreises besucht. Man unterhält sich: Santa geht natürlich auch gerne in die Sauna, vor allem, wenn er gerade vom Nordpol kommt.
Als weitaus weniger angenehm erweist sich die Bekanntschaft mit den Vampiren des Nordens, auch Mücken genannt. Ein schlimmes Kapitel, für Tierfreunde nicht geeignet! Gieseking lässt sich schließlich von Finnen beraten, was gegen Mücken zu tun sei. Die Antwort könnt ihr euch vielleicht denken. Kleiner Tipp: Was macht der Weihnachtsmann, wenn er vom Nordpol kommt?

Finnland. Ein Länderporträt von Rasso Knoller

Der Autor ist mir bereits positiv bei der Lektüre der „Lesereise: Inseln des Nordens. Von Island bis Spitzbergen“ aufgefallen. Auch beim Finnland-Buch erweist er sich als Kenner Nordeuropas, der sogar in Finnland gelebt hat. Gewandt führt er durch die geschichtliche und politische Entwicklung Finnlands der Neuzeit und lässt durchblicken, was das fortschrittliche Land heute ausmacht.
Als man mir in Finnland zum ersten Mal sagte, ein Internetzugang gehöre zu den Grundrechten, habe ich gelacht. Aber es war kein Witz: Seit 2010 wird der Breitbandinterzugang laut Verfassung garantiert. Das führt dazu, dass man selbst im hinterletzten Winkel des Landes besser arbeiten kann, als mancherorts im reich bevölkerten Deutschland.
Mein erstes gelerntes Wort: sisu – eine Mischung aus Ausdauer, Zähigkeit und Sturheit. Was ich von nun an immer sagen werde: Um als hauptberuflicher Reiseblogger zu überleben, brauchst du sisu. Was natürlich auch für zahlreiche andere Berufe gilt, vor allem die freien. Sisu gepaart mit Flexibilität bedeutet Überlebenskunst. Ich liebe die Finnen für dieses Wort.
Wie ihre skandinavischen Nachbarn haben sich auch die Finnen dem Jantegesetz verschrieben. Knoller sagt: „Nur wer das Janten laki versteht, wird (irgendwann) auch die Finnen verstehen.“ Ein dänischer Schriftsteller hat es in einem Roman erfunden, der in der fiktiven Stadt Jante spielt. Das Jantegesetz handelt von Bescheidenheit, Gerechtigkeit, Selbstreflexion. Besserwisser sind verpönt! Ich wurde im falschen Land geboren. Wenn ich könnte, würde ich hinausgehen und eine Tüte Jante großzügig an alle verteilen, die mit protzigen Karren durch die Gegend fahren oder sich aus anderen Gründen für die Größten halten.
Was ich dank dieses Buches nun weiß: Finnland führte als erstes Land in Europa das Frauenwahlrecht ein. Und zwar 1906, da war man noch autonomes Großherzogtum und musste sich mit dem russischen Zaren absprechen. Das hat mich neugierig gemacht, ich habe nachgeschaut: Deutschland folgte immerhin 1918, die letzten im EU-Bunde waren Griechenland (1952), die Schweiz (1971) und Liechtenstein (1984)!

Gebrauchsanweisung für Finnland von Roman Schatz

Ich muss mich als Fan dieser Reihe outen. Jedes Buch ist anders und meist auf seine Weise sehr gut. Die Finnland-Ausgabe punktet schon mit jeder Menge Rentieren auf dem Cover. Wichtiger ist jedoch, dass der Autor der wohl bekannteste Deutsche in Finnland ist, als Moderator ebenso wie als Schriftsteller („Der König von Helsinki“).
Gleich auf den ersten Buchseiten wird der Leser über die Ähnlichkeit des finnischen Systems mit dem skandinavischen Wohlfahrtsstaat aufgeklärt – und weitere Analogien zwischen Schweden und Finnland. Was nicht Wunder nimmt, war Finnland doch vom Mittelalter bis Anfang des 19. Jahrhunderts eine schwedische Kolonie. Noch heute ist Schwedisch die zweite Amtssprache.
Schatz führt von der finnischen Geschichte, Politik und Identität, dem Selbstbewusstsein der jungen Nation, die in diesem Jahr ihren Hundertjährigen feiert, dem Fehlen natürlicher Feinde und Bestnoten in punkto Menschenrechte geradewegs in die Sauna. Wohin auch sonst? Denn „wenn Schnaps, Teer und Sauna nicht helfen, dann ist die Krankheit tödlich“, so ein finnisches Sprichwort. Auf fünf Millionen Menschen kommen zwei Millionen Saunas. Schatz kennt sich ebenfalls mit dem Phänomen des Saunawichtels, saunatonttu, aus, der zwar Glück und einem schönen Sauneerlebnis beitragen kann, dafür aber auch mit Respekt behandelt werden will. Ich hatte es bislang schon mit Saunaelfen zu tun, und bin deshalb ein wenig verwirrt. Kooperieren die beiden? Jedenfalls weiß der Autor, dass viele Finnen der älteren Generation noch in einer Sauna geboren wurden.

Das Sommerbuch von Tove Jansson

Die Erfinderin der toleranten Multikulti-Welt der Mumins ist übrigens auch eine brillante Schriftstellerin für Erwachsene. Und Sommerkinder lesen im Winter auch gerne Sommerbücher. Vor allem, wenn es sich um außergewöhnliche Beziehungen handelt, wie hier die der kleinen Sophia und ihrer Großmutter. Der Leser findet sich auf einer Schäreninsel im Finnischen Meerbusen wieder. Hier passiert nicht viel, hier ist das Leben der Protagonisten von den großen und kleinen Ereignissen der Natur bestimmt, von Stürmen, Geisterwäldern und dem Meer. Von Dingen, denen man im Alltag viel zu wenig Beachtung schenkt. Etwa der Empfindsamkeit von Moos.
Die hellwache Sophia und ihre kluge Oma werden zu Komplizen im Reich der Fantasie. Geistesverwandte, die dem Rhythmus einer Insel folgen. Abseits der Welt und doch mitten im Leben. Die sich verstehen, Gedanken austauschen, manchmal streiten. Ich liebe die Dialoge der beiden, etwa den aus dem Kapitel „Die Katze“:
„Komisch ist das mit der Liebe“, sagte Sophia. „Je mehr man den anderen liebt, desto weniger kann einen der andere leiden.“
„Das stimmt genau“, bestätigte die Großmutter. „Und was macht man da?“
„Man liebt weiter“, antwortete Sophia drohend. „Man liebt noch viel, viel mehr.“
Die Großmutter seufzte und schwieg.

Die eigensinnige Katze, auf die Sophias Liebe zielt, lebt ihr Leben, wie es ihr gefällt. Damit kommt das Kind zunächst nicht klar. Und doch ist es genau das, was Sophia mag, was ihr später fehlt, als ein schmusiger Kater den Platz der eigensinnigen Katze einnimmt.
„Das Sommerbuch“ gehört definitiv in die Kategorie „Lieblingsbücher“, die man immer mal wieder lesen muss. Und die Mumins werde ich mir demnächst ebenfalls zu Gemüte führen.

Der Sommer der lachenden Kühe von Arto Paasilinna

Noch mal Sommer? Dieser Titel ist einfach genial, und das Buch auch. Außerdem steht es stellvertretend für die vielen guten Bücher von Paasilinna. Hinzu kommt, dass ich sein letztes Buch „Weltretten für Anfänger“ noch nicht gelesen habe, obwohl ein Pinguin das Cover ziert! Ein Pinguin! Nun aber zu den lachenden Kühen. Das Leben eines Taxifahrers ist ohnehin von Zufällen bestimmt, wird aber manchmal durch eine folgenschwere Entscheidung noch unübersichtlicher. Und so mutiert eine längere Fahrt für einen vom Liebeskummer geplagten Taxifahrer und einen demenzkranken älteren Herr zu einer Art Roadtrip.
Während sich sein Fahrgast für keine Peinlichkeit zu schade ist, mutiert der Fahrer immer mehr zum Betreuer, Kumpel und Arzt des Alten. Die Geschichte gipfelt, als der Fahrgast einen alten Kriegskameraden wiedertrifft, der nunmehr als Rentner auf einem Hof lebt, den zu bewirtschaften es sich in der heutiger Zeit nicht mehr lohnt. Die beiden Rentner sprengen den Hof, der ehemalige Bauer will sich so am Staat rächen und von seiner Last befreien.
Was die lachenden Kühe damit zu schaffen haben? Die zehn ehemaligen Stallbewohner werden durch die Machenschaften der älteren Herren obdachlos und über den Sommer in die Freiheit entlassen…
Ich mag Paasilinnas Erzählweise, seine Ideen, seinen Stil. Schon mit den ersten Sätzen zieht er den Leser auf eine unprätentiöse Art in die Geschichte hinein. Seine liebenswerten Hauptfiguren verstricken sich in skurrile Abenteuer, die mit hintergründigem Humor erzählt werden. Und irgendwie fügt sich eins zum anderen.

Wie unschwer zu merken ist, bilden Bücher des Typs „Erklär mir die Finnen“ die Mehrheit in dieser Liste. Vermutlich habe ich es nötig. Nun seid ihr dran: Welche finnischen Bücher könnt ihr mir empfehlen? Am liebsten irgendwas mit Schnee!

18 thoughts on “Fünf Mal Finnland

  1. Huhu,

    ach schön! Ich war auch gerade eine Woche in Finnland. Schnee gabs aber nicht sehr viel, vor allem die letzten Tage war schon Tauwetter dort, kommt natürlich auch darauf an, wo du landest ;) Im Norden ist auf jeden Fall noch Winter. Ich war sehr oft im Winter in Finnland und kann das nur empfehlen, dieses schöne kalte rosa Licht, gibt es nur im winterlichen Norden. Wünsch dir viel Spaß in meinem Lieblingsland, freue mich schon auf deine Blogbeiträge dazu ;)

    LG Tinka

    1. Danke, liebe Tinka!
      So weit im Norden werde ich gar nicht sein. Aber Schnee ist zum Glück angesagt.
      LG und bis bald! Elke
      P.S.: Dein Lieblingsland – ich kann dich sehr gut verstehen! :-)

  2. Grossartig, liebe Elke! Mir fehlt allerdings ein Titel: Populärmusik aus Vittula von Mikael Niemi. Ganz grosses Kino – deshalb wurde es sogar verfimt. Lass‘ Dich nicht von dem superschrägen Anfang abschrecken. Lg, Sabine

    1. Danke, liebe Sabine! Ja, den Film habe ich gesehen, er ist klasse. Ich muss auch mal was lesen von Mikael Niemi, ein interessanter Autor, aber seine Romane sind alle in Schweden verortet, und er ist auch Schwede, oder? Ich vermute, er könnte genauso gut Finne sein. :-) Liebe Grüße vom Meer! Elke

  3. Hei Elke!

    Das ist eine schöne Auswahl an Büchern und machen alle so Lust auf Finnland. Unbedingt empfehlen würde ich dir aber das neue Buch von Tarja Prüss „111 Gründe, Finnland zu lieben“. Wirklich schön geschrieben.

    Paasilinna hab ich tatsächlich erst vor kurzer Zeit für mich entdeckt und finde ihn einfach großartig.

    Einen kleinen Wermutstropfen habe ich leider für dich. Der finnische Reisepass und Personalausweis wurde zum Jubiläumsjahr neu gestaltet. Es läuft nun kein Elch mehr, aber ich glaube es fliegen Kraniche oder Schwäne in der Ecke. Und die Natur Finnlands samt Nordlichtern war diesmal die Inspiration. =)

    Viel Spaß in Finnland!
    LG Tine

    1. … ach ja! Der Saunatonttu ist der Saunawichtel. Es wird manchmal mit Elfe übersetzt. Schließlich hat Joulupukki auch Tonttus, die im helfen, und die werden mal Elfen (eher im englischen) oder auch mal Wichtel genannt. Also beides Stimmt irgendwie. =)

      Dazu noch ein Buchtipp: Bernd Gieseking hat dies in seinem Buch „Finne dich selbst“ explizit beleuchtet. Hihi! Danach ist man auch relaxt, wenn man den Autoschlüssel nicht mehr findet. ;)

    2. Danke, liebe Tine!

      Aber das ist ja schockierend – kein Elch mehr im Pass!!! Natürlich gönne ich den anderen Tieren ebenfalls solch einen Auftritt, keine Frage. Aber bevor der Elch ganz verschwindet, werde ich mir das Daumenkino mal live vorführen lassen. :-)

      Und danke für den Buchtipp!

      Liebe Grüße aus dem Zug zwischen Helsinki und Mikkeli!

      Elke

  4. Hei Elke,
    ich kann dir noch „Vom Risiko, ein Skrake zu sein“ von Kjell Westö empfehlen.
    Auch hier geht es, sehr finnisch um die Menschlichkeit des Scheiterns. Verpackt als Familiengeschichte vor historischem Hintergrund. Und ganz nebenbei lernt man noch eine Menge übers Fischen ;-)
    LG Michaela

  5. Hallo Elke, ich hoffe, es war schön, im finnischen Schnee? Ich war auch erst vor zwei Wochen in Lappland zum Langlaufen… Traumhaft! Auch weil wir wunderschöne Nordlichter gesehen haben. Ich wollte dir aber noch ein Buch empfehlen: Juha Itkonen, „Ein flüchtiges Leuchten“ erzählt anhand der Familie Vuori die Entwicklung Finnlands von den 50ern bis heute, zeigt die Generationenkonflikte auf und richtet den Blick natürlich auch auf die immer gültigen Probleme des Zwischenmenschlichen. Ein Buch zwischen Lachen und Weinen. Großartige Literatur. Und nebenbei erfährt man viel typisch Finnisches. Zum Beispiel wie die Skiferien in Lappland ablaufen könnten. :-) LG Christina

    1. Danke, liebe Christina, das Buch klingt top! Und Langlaufen in Lappland ebenso. :-) Mein Finnland-Aufenthalt war auch so gut, dass ich schon den nächsten plane (aber dann ohne Schnee). Wobei ich gerne im nächsten Winter wieder Tretschlitten fahren würde! ;-) Liebe Grüße, Elke

  6. Unbedingt erwähnen möchte ich noch folgende Bücher:
    Arto Paasilinna
    Der wunderbare Massenselbstmord
    Das Jahr des Hasen
    und Antti Tuuri
    Fünfzehn Meter nach links
    Du siehst ich schaue mir alles an !
    LG Karin

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