Jedes Mal, wenn ich in Helsinki bin, zieht es mich als erstes ans Wasser. Ich mag die Marktstände am Kauppatori mit ihren Beeren, Pilzen und dem lappländischen Fastfood. Die Fähren, den Duft des Meeres, die Weite. Auch als ich aus dem Norden komme, aus Lappland. Die Haut butterweich vom Saunieren und dem Genuss frisch gepflückter arktischer Beerenpower.
An drei Nächten habe ich Polarlichter gesichtet. Morgennebel über den Seen. Rentiere, die über die Straße zogen auf der Suche nach Pilzen am Waldrand. Und nun die Zivilisation. Ich muss an die frische Luft, auch wenn sich dicke Regenwolken am Himmel bilden. Im Hotel leihe ich mir ein Rad und fahre durch einen Park namens Hesperian puisto. Irgendwie mag ich Finnisch. Der Park umrundet einen See, der vielmehr Teil der Ostsee ist. Mein Ziel liegt auf der anderen Seite des Töölönlahti: Es ist eine jener historischen Holzarchitekturen, ein Café mit Ausblick.
Jogger kreuzen meinen Weg, Mütter und Väter mit Kinderwagen. Schließlich geht es so steil bergauf, dass ich abspringen und meinen nicht eben leichten Drahtesel schieben muss. Linnunlaulu heißt die Ostseite des Sees. Im Café „Taideterassi“ eines babyblauen Holzhauses herrscht Selbstbedienung – typisch für finnische Cafés.
Ich bestelle an der Theke und suche mir ein nettes Plätzchen in der Sonne. Doch ich habe die Rechnung ohne den Wind gemacht, der mir fast den Pappteller samt Kuchen wegreißt. Immerhin hält der Wind die schweren Wolken in Schach und treibt sie westwärts. Jetzt wird es aber Zeit für einen Besuch im Hafen, obwohl der Markt auf dem Kauppatori höchstwahrscheinlich schon geschlossen hat.
Am Hafen checke ich die Abfahrtszeiten für den geplanten Schärenausflug. Seit meinem letzten Besuch in Helsinki hat sich einiges getan, es existieren zwei neue Saunen am Wasser. Mit dem Rad entdecke ich einen Teil des Westhafens. Spontan beschließe ich, wenn ich je in Helsinki wohnen würde, dann hier. Es ist dieser spannende Mix aus Neu und Abgewrackt, Alt und Hip, zwischen maritimem Flair und buntem Leben.
Die Insel-Cafés
Am nächsten Tag lege ich ab: Eines der JT-Linienboote bringt mich nach Lonna – eine Schäreninsel, die genau wie Suomenlinna einst militärisch genutzt wurde. Seit Mai 2014 ist sie für Besucher geöffnet. Während Suomenlinna ganzjährig angefahren wird, endet der Service für Lonna im Herbst und beginnt wieder im Frühjahr. Dann ist auch ein Inselhopping möglich: Vallisaari – Suomenlinna – Lonna.
An diesem Herbsttag steigen nur wenige Leute auf Lonna aus, die meisten zieht es nach Suomenlinna. Dabei gefällt mir gerade diese Einsamkeit sehr gut. Zwar hat das Restaurant geschlossen, die neue öffentliche Sauna wird erst im Mai 2017 eröffnen und auch die bunten Stühle auf der Terrasse warten auf Leben. Doch immerhin ist das Café „Vohvelibaari“ geöffnet.
Ich hatte gelesen, dass es auch Food-to-go anbietet, und der Besucher eine Thermoskanne sowie ein Picknicktuch ausleihen kann. Tolle Idee, aber ich bleibe erst mal in diesem rustikalen Souterrain zwischen alten Back- und Sockelsteinen. Ein farbenfrohes Ambiente, Vintageflair und ein kleiner Shop mit Design aus Finnland machen den Mix. Der Clou: Man ist hier auf Waffeln spezialisiert, salzige wie süße.
Die Variante mit Heidelbeeren – ein Traum! Ich drehe noch eine Runde über die Insel, liege in der inseleigenen Hängematte Probe und nehme das nächste Schiff zurück nach Helsinki. Wir fahren an Suomenlinna vorbei, für viele ein Lieblingsort in der finnischen Hauptstadt. Dieses Mal steige ich nicht aus, doch ich habe beste Erinnerungen an einen Ausflug im Sommer 2014.
Damals hatte ich mich vor einem heftigen Platzregen in das Deli & Café „Viaporin“ unweit der Anlegestelle geflüchtet. Es ist zwischen den meterdicken Mauern der ehemaligen Uferkaserne untergebracht, mit nordischer Zurückhaltung und Eleganz eingerichtet, und bietet Kaffee, Tee, Kuchen und Kleinigkeiten zum Lunch an.
Der Apfelkuchen mit Baiser hat schlappe sechs Euro gekostet, was nicht ungewöhnlich ist in Finnland, aber ich habe jeden einzelnen Bissen genossen. Auf Suomenlinna kann man gut und gerne einen ganzen Tag mit Spazieren verbringen. Im Gegensatz zu Lonna ist die viel größere Insel bewohnt: Es wird per Schild um das Einhalten der Privatsphäre gebeten. Das ist scheinbar nötig, denn Suomenlinna gehört zu den Top-Sehenswürdigkeiten Helsinkis und ist hoch frequentiert.
Im Epizentrum
Zurück zum Kauppatori, zum Marktplatz, meiner ersten Anlaufstelle bei jedem Besuch. Zuletzt bin ich Ende Februar dort gewesen, im winterlichen Helsinki. Ein bisschen Eis schwimmt im Hafenbecken, die Außentemperatur liegt bei minus zwei Grad, irgendwie riecht es schon nach Frühling.
Ich wärme mich in der Markthalle Kauppahalli auf. Hier fällt es schwer, sich ob des kulinarischen Angebots für ein Lokal zu entscheiden. Schließlich wähle ich das „Story“, auch weil es in der lichten Mitte des Gebäudes liegt. Volltreffer. Vor mir steht die beste Lachssuppe ever, und ich habe schon viele gegessen. Ein ganzes Lachssteak ist drin, Kartoffeln, Dill, Lorbeer und Wachholder.
Zwar bietet das „Story“ auch Süßes, doch ich möchte unbedingt noch in das brandneue „Mumin Kaffe“, Helsinkis erstes Kaffee für Kinder. Und Junggebliebene. Und Mumin-Fans. Es liegt im Viertel Kruununhaka auf der Liisankatu 21, in dieser Ecke sind viele Jugenstilhäuser zu bewundern. Es ist nicht schwer zu finden: Einfach rechts hinter dem Dom geradeaus weitergehen.
Ein Ort der Fantasie
Die Welt der Mumins öffnet sich mir an einer Straßenecke der Liisankatu. Beschlagene Fenster deuten auf eine hohe Beliebtheit des Cafés hin. Aber es ist nicht nur ein Hotspot für Familien in Helsinki. Das Publikum an den Tischen ist gut gemischt, in der Spielecke mit Schaukel und Turnringen tummeln sich die Kleinen.
An der Kasse suche ich mir einen Stück Blechkuchen mit Beeren aus und bestelle einen Kaffee dazu, den ich mir selber am Kaffee-Wasser-Buffet abholen soll. Selbstverständlich esse ich von einem original Mumin-Teller und trinke aus einer entsprechenden Tasse, die man neben anderen Fan-Sachen im Mini-Shop kaufen kann.
Im Hintergrund läuft Musik, doch ich kann ob des Geräuschpegels nicht herausfinden, was. An der Wand hängen Schwarz-Weiß-Poster, die den Betrachter geradewegs in den Mumin-Kosmos führen. Immerhin habe ich von seiner Erfinderin, Tove Jansson, ein anderes Buch gelesen und gemocht: „Das Sommerbuch“.
In Cafés (und in Finnland auch in Saunas) werden ja oft wichtige Entscheidungen getroffen. Und so nehme ich mir vor, bald tiefer in die Welt der Mumins einzusteigen.
Text und Fotos: Elke Weiler
Und wie sieht es bei euch aus? Kennt ihr andere schöne Cafés in Helsinki? Tipps für meinen nächsten Besuch? Vom Café Regatta habe ich schon gehört…
Meine Reisen wurden von Visit Finland unterstützt.
Ein schöner Artikel. Da möchte man auch gleich los. Café Regatta (best Korvapuusti in town), Café Köket, Café Ursula, Café Carusel, Atljee Bar etc. und das ganze am Besten von vorne ;)
Danke dir! Die Ateljee Bar kenne ich auch, schöner Ausblick! Habe im James-Bond-Zimmer genächtigt. Die Cafés werde ich mir so nach und nach zu Gemüte führen, vor allem das Regatta. Kiitos!
Dein Bericht macht wirklich Lust darauf, nach Helsinki zu fahren. Ich kenne es nur aus Kaurismäkifilmen. Das hat mich bisher abgeschreckt. Die Filme sind toll, aber die Stadt wirkt dort sehr düster.
Danke, Kerstin! Ich glaube, ich muss mir noch mal einen Kaurismäki ansehen.
Ein sehr inspirierender Artikel! Ich bin vor über 20 Jahren das erste und letzte Mal in Helsinki gewesen. Es war im Sommer und trotzdem habe ich die Stadt als sehr kühl wahrgenommen. Nicht aber die Menschen, ganz im Gegenteil. Ich fand sie gesund selbstbewusst! Da Du nach Cafés fragst: habe das Café Strindberg in sehr guter Erinnerung. War sehr urig und gemütlich mit Jazzlivemusik.
Weiß natürlich nicht, ob es das noch gibt!?
LG Uwe
Danke, Uwe! Das Strindberg klingt gut, ich werde mal herausfinden, ob es das noch gibt. Und ja, du hast recht, Helsinki kann auf den ersten Blick kühl wirken, was nicht unbedingt an den Temperaturen, sondern auch an der Architektur liegt. Aber es verändert sich stetig, gerade ist eine Bibliothek im Bau, auf die ich schon sehr gespannt bin! LG, Elke