Die Kräfte der Nockberge

Millstätter See

Der Himmel, eine Wolkenlandschaft. Ein abstraktes Gemälde im Millstätter See, der sich auf 600 Metern Höhe ausbreitet. Weiter oben, in den Nockbergen, weht ein frischer Wind. Zeit zum Wandern, und zwar auf einer besonderen Strecke.

Unser Startpunkt ist das Gasthaus Klammer auf über 1000 Metern in Fresach, Geburtsort des Olympiasiegers Franz Klammer. Sein Bruder Michl hat den festen Händedruck eines Mannes, der zupacken kann. Auch wenn er inzwischen in Rente ist, und Schwester Barbara das Wirtshaus übernommen hat. Zum Hof gehören noch 20 Rinder, sechs Pferde und zwei Kaninchen, die versorgt werden wollen.

Gemeinsam mit Wanderführerin Alexandra erklimmen wir fast 700 Meter und erreichen die Gingerhütte. An einem Holztisch im Freien sitzen kernige Burschen und machen einen Witz nach dem anderen. Man spielt Karten, auch „Schnapsen“ genannt. Warum wohl? Beim Spiel wird dem Zirm – Tannenzapfen-Schnaps gefrönt.

Kurze Pause, dann lassen wir diese Almidylle hinter uns und stapfen weiter den Mirnock hinauf. Vom Gasthaus Klammer sind es schätzungsweise drei Stunden bis zum Gipfel des sogenannten Energiebergs.

Wanderung Nockberge

„Es gibt Berge, die den Menschen prägen“, meint Alexandra. „Berge mit Charakter.“ Zu dieser Kategorie gehört also der Mirnock. Viele Phänomene weisen auf seine Energiefelder hin, etwa die große Anzahl der Heilkräuter in pharmazeutischer Qualität.

Der hohe Wassergehalt, die vielen Quellen – einige davon mit einer Temperatur von 14 Grad Celsius. Oder eine Fichte mit sage und schreibe sieben Stämmen. Natürlich führt Alexandra uns geradewegs zu den gekennzeichneten Punkten, an denen man die Energie am Kribbeln der Fingerspitzen oder ganzen Handflächen spüren kann. Es funktioniert.

Wir sammeln Granaten

Während der Tour schauen wir nach Steinen: Granaten, die roten Halbedelsteine, wachsen hier sozusagen aus dem Fels – es sind die „Blutstropfen der Nocken“. Die Millstätter Alpe birgt das größte Granatvorkommen der Alpen.

Mit der Zeit lösen sich die Steine aus den Einschlüssen im Felsgestein und kullern dem Wanderer geradewegs vor die Füße. Wir wollen unsere Preziosen nach der Rückkehr schleifen lassen, denn erst dann entfalten sie ihre Wirkung, so heißt es. Sie sollen Erfolg und Lebensmut bringen. An einem der Kraftorte lassen wir uns nieder.

Auf dem Felsgestein sitzen andere Wanderer, die angeregt von ihren Erfahrungen berichten. Einige sind allein unterwegs und nutzen einen Ort wie diesen zur Meditation. Doch wir merken schon bald, dass sich die Batterien allein beim Wandern wie von selbst aufzuladen.

Auf dem Weg nach oben holt Michl Klammer uns mit seinem 100 PS starken Traktor ein: „Ist jemand müde?“ Tatsächlich. Ein paar aus der Gruppe nehmen auf dem Transportdeck Platz und lassen sich beim Weiterfahren kräftig durchrütteln.

Wir haben es geschafft! Jede Menge los am Gipfelkreuz. In der Nähe hat der Almbauer eine kleine Überraschung für uns vorbereitet: eine mittägliche Jause mit Brot, Käse, Wurst, Schinken und Kräuterlimonade. Das kommt wie gerufen.

Das Große Kribbeln

Mitten im Energiefeld speisen wir und spüren wieder das komische Kribbeln in den Händen. Während der Wind zischt, lassen wir uns vom Bergpanorama mit dem Millstätter See quasi umfegen. Es hat sich gelohnt, wir fühlen uns bestens.

Doch der Energiekurs geht weiter. Unten am See wartet Barbara Putzi, um uns die Kräfte des Wassers spüren zu lassen. Zur Vorbereitung folgen wir Barbaras Qigong-Bewegungen an Land – immer mit Blick auf den tiefgrünen See. Dann fallen die Hüllen.

Qigong am Millstätter See

Langsam, ganz langsam tauchen wir ins Wasser ein, gehen ein paar Schritte, fühlen die Kräfte, die unsere Beine streicheln. „Wie eine Massage von 1000 Händen“, meint Barbara. Wir spüren den Widerstand des Wassers auf unserer Haut und tauchen immer tiefer ein. Am Ende hält es keiner mehr aus: Wir schwimmen los und bewegen uns gegen die Kälte.

Es ist schön am See, weshalb wir für den nächsten Tag Buchtenwandern einplanen. Der gelernte Tischler Gottlieb Strobl wartet am Ufer auf uns. „Fritzl“ heißt eines seiner schnittigen Holzboote. „Marke Eigenbau“, meint er nicht ohne Stolz. Gottlieb erklärt uns die Rudertechnik, bevor er uns auf den weiten See entlässt: „Seht her, wie leicht diese Boote zu stoppen sind!“

über den Millstätter See

Jeweils zu zweit erobern wir das Wasser. Besonders an den Ufern auf der anderen Seite faszinieren uns die vielen Grün- und Blauschattierungen des Wassers. Wir wandern also per Boot die Buchten entlang, lauschen den Vogelstimmen und den Geräuschen des Windes im Blätterdickicht – unterbrochen nur vom gelegentlichen Plätschern der Paddel.

Zum Ausgleich steigen wir danach aufs Rad um. Besonders schön ist die Strecke am Nordufer des Sees gegenüber von Millstatt. Hier geht es bergauf und bergab durch schattige Wälder mit Aussichtspunkten und wellenförmigen Holzliegen.

Wir erfahren, dass der Millstätter See mit großem Fischreichtum gesegnet ist; viele am See ansässigen Hotels verfügen über eigene Fischrechte. So lautet das bevorzugte Gericht auf den Terrassen am See: fangfrischer Fisch. Zander, Barsch und Reinanke in allen Variationen. Jetzt knurren uns die Mägen.

Oberhalb des Hochplateaus vom Millstätter See gibt es die berühmten Kletz‘n – Kärntner Nudeln, mit Dörrpflaumen gefüllt. Familie Glabischnig vom Gasthof „Zur schönen Aussicht“ bereitet das Traditionsgericht aber noch in ganz anderen Versionen zu.

Aktiv am Millstätter See

Den Rand der Teigtaschen zu formen, nennt man Krendeln. „Wer das kann, darf heiraten in Kärnten“, lacht Ursula Glabischnig. Käseliebhaber freuen sich über die Bio-Qualität mit Pfeffer, Kren oder Schnittlauch aus der eigenen Sennerei.

Nicht weit davon entfernt hat Günther Klösch einen riesengroßen Bonsaigarten nach allen Regeln der Kunst angelegt. „Ein Bonsai ist ein Erbstück. Unser ganzes Leben passen wir auf ihn auf“, erklärt der Kenner die Philosophie hinter dem Minibaum. Das Motto lautet: immerwährend an der Perfektionierung zu arbeiten.

Ein Hauch von Asien mitten in Kärnten. Da passt es ja, dass bald die Qigong-Meisterin Barbara auftaucht, und wir unser Training fortsetzen können. Umgeben von den schön geformten Bäumchen, Teichen, exakt gelegten Steinen und dem Rauschen eines Baches bewegen wir uns langsam nach Barbaras Geleit und meditieren für unbestimmte Zeit.

Mit geschlossenen Augen, in uns gekehrt und die Ruhe des Moments genießend. Doch ich sehe keinen Bonsai vor meinem inneren Auge, sondern den See, den magischen, mit seinen tausend Händen.

Text und Fotos: Elke Weiler

Mit Dank an die Millstätter See Tourismus GmbH, die diese Reise ermöglicht haben.

4 thoughts on “Die Kräfte der Nockberge

  1. Hallo Elke,

    da haben wir uns ja knapp verfehlt ;)). Ich fahre am Freitag nach Kärnten an den Faaker See. Dort wohnt meine Cousine. Habe durch deinen wundervollen Bericht schon mal Geschmack bekommen. Bin zwar Nordsee verliebt aber freue mich jetzt auch auf die Berge.

    LG Anja

    Grüße ans gesamte Rudel!

    1. Hallo Anja,

      ganz viel Spaß wünsche ich dir in Kärnten! Eine ganz tolle Ecke. Bei mir ist Kärnten schon länger her, ich hole nach und nach meine Reisebrei-Berichte auf diese Seite hier, um Reisebrei zu schließen.

      Danke dir und auch von uns allen hier ganz liebe Grüße!

      P.S.: Und du weißt ja, wer spezielle Grüße an wen schickt ;-)

  2. Pingback: Postkarte aus Wien

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