Die Sonne knallt aufs dänische Wattenmeer. Marco, leicht windzerzaust und sonnenverbrannt, schultert ein Stativ und zieht voran. Barfuß übers Sandwatt der dänischen Insel Fanø.
Geschmeidiger Boden, warmes Salzwasser um die Füßen herum – das gefällt mir und auch dem Rest unserer Wattläufertruppe. Nicht, dass wir hier ziellos durch die Gegend laufen würden. Wir folgen Marco, der eine Sandbank ansteuert.
“Ich kann euch nichts versprechen, aber zuletzt waren sie immer da.” Unser dänischer Begleiter redet über die Seehunde und dicken Kegelrobben, die sich eine Sandbank vor Fanø unter die Flossen gerissen haben. Hier ruht und wirft man gerne, geschützt durch einen breiten Priel.
Mehrere Hundert wären wohl heute zu sehen. Unser Guide in Wattdingen zeigt in die Ferne: Wer Adleraugen oder eine gute Brille hat, kann dunkle Punkte auf hellem Grund erkennen. Das sind sie.
Also laufen wir vom Strand in Höhe des südlichen Örtchens Sønderho etwa drei Kilometer bei Ebbe über den Meeresboden. Und das Stativ schleppt Marco mit, damit wir den Seehunden und Robben auch in die Augen schauen können. Denn so richtig nah heran dürfen und können wir nicht.
Eigentlich haben es Marco ja die Vögel angetan. Der junge Illustrator von naturkundlichen Büchern muss nach der Wattwanderung auch gleich zu einer Vernissage, die unter anderem einige Vogelaquarelle vom ihm zeigt.
Im Frühjahr und Herbst sei die Hölle los im Watt, erzählt Marco. Die Zeit der Zugvögel. Aber viele Arten sind auch im Sommer auf der Insel zu beobachten: Rotschenkel, Brachvögel, selbst Rohrdommeln und Lachseeschwalben.
Wir erreichen die Wasserrinne, die uns von der Sandbank trennt. Unbeweglich liegen unsere tierischen Freunde auf der anderen Seite in der Sonne. Sie wähnen sich sicher.
Winterspeck züchten
Matte und glänzende, massige, helle, dunkle sowie marmorierte Körper in der gängigen Ovalform. „Bis zu 300 Kilogramm können Kegelrobben auf die Waage bringen“, weiß Marco.
Er baut das Stativ auf und redet weiter: „Ihr glaubt nicht, wie schnell so ein paar hundert Seehunde im Wasser verschwinden können, wenn sie aufgeschreckt werden.“
Und das ist tunlichst zu vermeiden, denn zu häufige unfreiwillige Bäder im Sommer, und die Tiere können nicht genug Speck für den Winter ansetzen.
Jetzt kommt eine Kegelrobbe ganz nah heran, zumindest durch die Linse. Taufen wir sie Knudsen, Herr Knudsen, denn er ist zum Knutschen süß. Der stämmige Kerl scheint sich auch überhaupt keine Sorgen um Paparazzi-Bilder oder -Geschichten zu machen.
Neugierige vor
Gemütlich liegt Herr Knudsen da und blinzelt ab und an in die Sonne. Ein lockerer Kerl, um nicht zu sagen: tiefenentspannt. „Sie haben sich an die Besucher gewöhnt“, meint Marco. Solange es nicht zu viele werden.
Doch zwei, drei Robben wollen es wissen. Oder sind es Seehunde? Jedenfalls robben die Fischfresser zur Wasserkante und schwimmen auf uns zu. Mit großen Knopfaugen beobachten sie uns, und umgekehrt. So schwimmen und stehen wir uns gegenüber, fasziniert voneinander.
Sie tauchen ins Wasser, strecken ab und an die Köpfe heraus, nähern sich bis auf fünf, sechs Meter. Wenn es ruhig ist, kann man sogar grunzende Geräusche hören – schüchtern wirkt das nicht.
Ein letzter Blick durchs Fernrohr: Herr Knudsen hat seine Position nicht um einen Millimeter verändert. Auf diese Weise wird er gut durch den nächsten Winter kommen – wie hoffentlich auch die anderen über 26.000 Seehunde im Wattenmeer von Dänemark, Deutschland und den Niederlanden, die im letzten Jahr gezählt wurden.
Text und Fotos: Elke Weiler
Mit Dank an Destination Sydvestjylland, die diese Reise im Juni 2009 ermöglicht haben.
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