Im Land der Xhosa

Eastern Cape

In einem Township von Port Elizabeth spielt die Band „Jabulani“ auf: drei Mann an drei Marimbas unterschiedlicher Tonalität. Es ist wieder einiges los in Jeya’s Jazz Corner, unter anderem wegen des beliebten „Chakalaka“ der Chefin. Für das überbackene Gemüse-Curry und weitere „Kleinigkeiten“ wie Reis mit Pilzen, gebratene Würstchen und Hähnchenteile sowie geschnetzeltes Rindfleisch hat sie eigens zwei Stunden in der Küche verbracht.

In den Spielpausen erklärt Bandleader Simphikie die Liedtexte von „Jabulani“, die von den Riten und Traditionen der Menschen am Eastern Cape erzählen. Zum Beispiel von der Rückkehr aus dem Busch, wo ein junger Xhosa in einer drei- bis vierwöchigen Auszeit zum Mann heranreift.

Port Elizabeth, Südafrika
Am Hafen

Hinter der schwungvollen Leichtigkeit der Musik haben wir keine solch ernsten Texte vermutet. Doch die Winterzeit in Südafrika ist auch die Zeit der Initiierungsriten am Eastern Cape. Während der Fahrt sieht man sie hin und wieder das Land durchstreifen: junge, kahl geschorene Männer mit weißbemalten Gesichtern und einer Decke um die Schultern. Die Xhosa nennen das Ritual der Männer „ulwaluko“. Auch Sänger Simphikie hat für ein paar Wochen im Busch gelebt: „Eine schwierige Erfahrung.“

Das Eastern Cape ist größtenteils von der Xhosa-Kultur geprägt, dem zweitgrößten südafrikanischen Bantu-Volk, und vereint seit 1994 die Gebiete der ehemaligen Homelands Transkei und Ciskei.

Im Township

Gras- und Buschvegetation bestimmen weitgehend das hügelige Land, rostbraune bis beigefarbene Erde und kleine, bunte Häuser. Es ist nicht schwer, den Menschen nahe zu kommen, ihre Kultur kennen zu lernen. Das haben wir schon beim ersten Besuch in Port Elizabeth gemerkt. An Jeyas Herzlichkeit ebenso wie an Simphikies Offenheit.

Im Township Joza

Auch in Grahamstown ist die Stimmung gut. Die Stadt im Landesinnern ist allein wegen ihrer viktorianischen Bauten einen Abstecher wert. Zudem tobt jedes Jahr rund um Juni, Juli der Bär, wenn das National Arts Festival steigt.

Auf dem Weg nach Grahamstown

Musik in allen Variationen, Theater, Tanz, Kunst und jede Menge Kunsthandwerk in den Straßen und auf den Plätzen. Dann platzt der hübsche kleine Ort aus allen Nähten.

Wir besuchen ein paar starke Frauen im Township Joza: Ester und ihre Familie sind im Selbsthilfeprojekt namens „Umthati“ engagiert. Die 57-Jährige begrüßt ihre Gäste auf afrikanisch, das heißt: mit dreifach wechselndem Handgriff und einem herzlichen „Wamkelekile!“, dem Xhosa-Wort für „Willkommen“.

Tee mit Tanz und Gesang

Zusammen mit ihrer Tochter Zukiswa und Freundin Mirriam hat Ester ein typisches Menu gekocht. Das Besondere: Die Zutaten stammen größtenteils aus dem eigenen Garten hinterm Haus. Zu einem Spinat-Kohl-Mix, Möhren, Mais-Porridge, Mais-Bohnen sowie Kichererbsen-Gemüse wird Lammfleisch serviert.

Zu Gast bei den Xhosa
Mirriam, Ester und Zukiswa

Dank Garten und Gästen stehen die drei Damen auf eigenen Füßen, können sich und ihre Familien versorgen. Und Spaß macht das Projekt außerdem. Zum „Nachtisch“ gibt es außer heimischem Roibos-Tee nämlich Tanz und Gesang. Ein schöner Song, eine Hommage an die Mutter, der wir alles verdanken.

Mit den schnalzenden, klackenden Lauten der Xhosa-Sprache singt Ester als Zugabe das Märchen über einen außergewöhnlichen Vogel: Ein Mann fängt das Tier mit einem Trick, denn oh Wunder: Das Federvieh kann Milch geben. Seinen Kindern schärft der Vater ein, den kostbaren Vogel niemals freizulassen. Doch sie können nicht widerstehen, der Vogel entkommt ihnen, und das Unglück nimmt seinen Lauf. Auf der Flucht vorm Zorn des Vaters ertrinkt die Tochter in einem Wasserfall.

Erzählung an der Wand

Neben der Nähe zur Parabel ist vor allem die schillernde Fantasie und Farbigkeit der Erzählungen bezeichnend für die afrikanischen Märchen. Ihre Hauptfiguren entstammen dem Menschen- und Tierreich, auch wenn deren Eigenschaften weit über das Reale hinausreichen.

Bei der Sangoma

Wir verabschieden uns von Ester und ihrer Familie und fahren auf der gut ausgebauten N2 gen Nordosten. Mdantsane erstreckt sich kilometerweit zwischen King Williams Town und East London – es gilt als zweitgrößtes Township des Landes – nach Soweto in Johannesburg.

Wie fast überall am Eastern Cape spricht man auch hier Xhosa wie Englisch. Die Atmosphäre ist nachbarschaftlich: Man kennt sich, man grüßt und hilft sich. Eines der Häuser ragt heraus, es ist größer, gepflegter und geschützter als die Anderen. Hier wohnt Zami, eine 60-jährige Sangoma oder Heilerin.

Auf dem National Arts Festival

Sie erzählt, wie sie es geworden ist: „Durch Visionen, Träume und bestimmte Verhaltensweisen merkt man von seiner Berufung.“ So erfuhr sie von ihrer Mutter, dass Zami schon mit vier Jahren ein auffälliges Verhalten an den Tag gelegt hatte.

Oft war sie allein, statt mit anderen Kindern zu spielen. Einmal wurde sie im Trancezustand aus einem Schwimmbecken geborgen. „Unsere Ahnen geben uns die Macht, traditionelle Heiler zu sein“, sagt die heutige Großmutter Zami. Bei einer „Beratung“ sitzt der Kunde ohne Schuhe auf einer Grasmatte.

Eastern Cape
Orangenverkauf

Während die Heilerin versucht herauszufinden, welches das Problem im Leben des Ratsuchenden ist, sprechen die Ahnen zu ihr. Doch nicht in jedem Fall kann Zami helfen. Dass die 60-Jährige auch Chefin einer eigenen Zunft ist, zeugt vom neuen Selbstbewusstsein in Sachen Tradition.

Schwarze Schafe unter den Heilern müssen zudem ausgegrenzt werden. Und Krankheiten wie AIDS sind nun mal nicht vom Sangoma zu heilen. Ein neues Gesetz erkennt den Heilerstatus der Sangomas offiziell an und bestärkt somit die Traditionen im Vielvölkerstaat.

Text und Fotos: Elke Weiler

Mehr Südafrika? Hier geht es zum Addo Elephant Park und nach Johannesburg.

Danke an South African Tourism für die Unterstützung dieser Reise.

6 thoughts on “Im Land der Xhosa

  1. Hey Elke,

    Das ist ein sehr interessanter Bericht den du über Afrika geschrieben hast. War diese Reise nicht voll anstrengend? Ihr habt so viel gesehen.

    1. Vielen Dank! Ja, es war anstrengend, da wir in kurzer Zeit relativ viel gemacht haben. Aber Reisen gehört ja zu meiner Arbeit, darum ist es immer so. Und ich liebe diese Arbeit.

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