Die Dghajsa

Walter Ahar ist not amused, als wir auf der Bildfläche erscheinen. Der Mann mit den irischen Wurzeln diskutiert mit meinem Begleiter, dem 70jährigen Narcy. Scheinbar haben wir uns in Nenus Restaurant zu lange durch maltesische Spezialitäten gefuttert, jedenfalls sind wir in Walters Augen spät dran. Er hat am Anleger in Valletta auf uns gewartet und schimpft: „Das läuft hier nur pünktlich!“

„Oder?“ Jetzt blickt Walter in meine Richtung. Ich habe den Schirm aufgespannt, als wir ablegen. Walter wirft den Motor an, erst später wird er wieder rudern. Ein paar düstere Wolken drohen mit kräftigem Regen, noch es ist warm und nieselt ein bisschen. Ich fühle mich wie Mary Poppins im Kahn und grinse Walter als Antwort an. „Ich habe in Italien gelebt“, schiebe ich erklärend hinterher.

Mary Poppins
Mary Poppins

„Das tut mit leid“, kontert der Bootsmann frech, und wir lachen herzlich. Er habe 36 Jahre in England gelebt, erzählt er, und ich lasse das unkommentiert. Von einer Deutschen hatte er sich in punkto Pünktlichkeit wohl mehr Unterstützung erhofft. Doch sein Zorn scheint verraucht zu sein.

Kurs auf Birgu

Narcy schaut sinnierend aufs Wasser und meint: „Ich bin Künstler. Du kannst nicht nach Zeit arbeiten, wenn du kreativ bist.“ Solidarisch nicke ich ihm zu. Sehr einleuchtend! Das Argument muss ich mir für spätere Diskussionen merken. Pünktlichkeit ist ein seltsames, kapriziöses Ding, aber das wäre eine andere Geschichte, jetzt, da wir so schön auf den Wellen schaukeln zwischen Valletta und den Three Cities.

Walter Ahar
Walter Ahar

Wir nehmen Kurs auf Birgu, das auch Vittoriosa heißt, so wie alle Three Cities zwei Namen haben. Sie sind älter als Valletta, viel älter. Schon zu Zeiten der Phönizier waren die drei Landzungen besiedelt. Ihre Häuser und Befestigungen haben jenen Honigton des maltesischen Kalksteins, sie scheinen quasi aus dem Untergrund heraus zu wachsen.

Narcy holt aus. Es geht um die traditionellen Holzboote in Malta und ihre Geschichte. Das erste Fähren- und Fischerboot, die Firilla, war wohl sizilianischen Ursprungs. Originale sind noch im Maritimen Museum in Birgu zu bewundern. Zu den bekanntesten maltesischen Booten zählen Luzzu und Dghajsa. Walter rudert im Stehen, wenn er denn rudert, was mich entfernt an Venedigs Gondolieri erinnert.

Jedes Boot ist anders,
Jedes Boot ist anders,

Doch maltesische Boote wirken bauchiger, bunter, behäbiger als Gondeln. Sie haben mehr Schwung und Kurven. Nach der Firilla hat man kleiner gebaut, damit auch ein einzelner Fischer sein Boot gut lenken konnten. Insgesamt gäbe es 28 verschiedene Bootstypen! Die Größeren wurden mit Segeln ausgestattet, etwa für den Fährbetrieb nach Gozo.

Das Maritime Museum

Typische Fischerboote, die Luzzi oder Luzzus, habe ich bereits beim vorletzten Besuch im feinen kleinen Hafen von Marsaxlokk entdecken können. Mit den Augen des Gottes Osiris ausgestattet und somit geschützt vor den Gefahren auf See. Marsaxlokk, der Ort, in dem sich fast alles um Fisch dreht. Dort habe ich gegrillte Gabelmakrele probiert, obwohl eigentlich Lampuka aus dem Ofen eine echte Spezialität auf Malta ist.

Im Hafen von Valletta
Der Hafen von Valletta

Im Grand Harbour hat es angefangen, die Wiedergeburt der Insel. Valletta löste das schöne Mdina im Inselinnern als Hauptstadt ab. Und Maltas neue, maritime Karriere begann genau hier, in diesem natürlichen Hafenbecken. Nunmehr eine Herausforderung für überdimensionierte Kreuzfahrtschiffe, deren üppige Ladungen sich im gleichbleibenden Rhythmus über die Insel ergießen.

Bald erreichen wir Birgu, sagen dem sympathischen Walter Goodbye und können uns gerade rechtzeitig vor dem großen Wolkenbruch ins Maritime Museum retten. Draußen liegen malerisch Kanonenrohre vor der Tür, und im Innern wird fleißig gewerkelt. Die ehemalige, recht großzügige Bäckerei der Royal Navy beherbergt eine Sammlung, die für meinen Geschmack zuviel Marine und zu wenig Dghajsa präsentiert.

Das Maritime Museum
Das Maritime Museum

Den Rückweg nach Valletta treten wir eher konventionell mit dem Taxi an. Und das mitten zur Rush Hour, Malta kann so busy sein. Melancholisch blicke ich durch die dicken Regentropfen der Fensterscheibe und wünsche mich zurück in die Dghajsa. Hauptsache, ich muss nicht rudern. Was scheinbar jeder Malteser gerne tut, der etwas auf sich hält. Nämlich in einem Regatta Club.

Doch was ist die Schnelligkeit gegenüber den langsamen, unspektakulären Momenten? Die Ruhe ohne Motor, ohne alles. Nur das Meer und du. Und nichts als das Plätschern der Wellen gegen die Planken, das ist die Musik des Fischers.

Auch Vögel flattern am Bug.
Flatternde Vögel
Wachsame Augen
Wachsame Augen
Maritimes Museum
Museumspforte
Ausgelagert
Ausgelagert
Raindrops
Physiognomie der Tropfen
Zurück in Valletta
Zurück in Valletta
Gegenüber von Birgu
Birgu in der Ferne

Text und Fotos: Elke Weiler

Mit Dank an Visit Malta, die meine Reise ermöglicht haben.

2 thoughts on “Die Dghajsa

  1. Wunderschöner Blog und vor allem tolle Berichte über Malta, in denen ich meine Wahlheimat auf ganz neues Weise entdecken kann! Wann warst du denn zu Besuch wenn ich fragen darf? Wir hatten den trockensten Winter in 93 Jahren – wahrscheinlich hast du genau die handvoll Regentage erwischt ;-)

    1. Danke dir!! Ja, das sagen alle dort, dass es nie regnet! :-) Aber immer, wenn ich dort bin, regnet es ein bisschen. Das war im April und im Oktober letztes Jahr.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert